Unterhalb des Kraftwerks Herrentöbeli in Nesslau SG steht die Thur fast still. An den Ufern, teilweise auch in der Flussmitte, bauen sich helle Steinhaufen auf. Normalerweise sieht man sie nicht, sie sind gewöhnlich unter Wasser. Doch der Fluss führt zu wenig davon – wie so viele andere in der Schweiz.
Normalerweise hat das Wasserschloss Europas, wie die Schweiz oft genannt wird, mit knapp 60 Prozent einen der weltweit höchsten Wasserkraft-Anteile am Strommix. Doch wegen der Rekord-Dürre, die die Schweiz seit Wochen im Würgegriff hat, haben nicht nur Fische und Bauern ein Problem, sondern auch die Stromproduzenten. Da haben auch die vereinzelten Regengüsse diese Tage noch nicht viel an der angespannten Lage verändert.
Alle Betreiber mit Einbussen
«Unsere sieben Wasserkraftwerke produzieren im Moment maximal 25 Prozent des normalen Sommerniveaus», sagt Adriano Tramèr (51), als er BLICK durch das Kraftwerk Herrentöbeli führt. Er ist Geschäftsleitungsmitglied der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG, die das Laufwasser-Kraftwerk hier betreiben. Es läuft nicht einmal auf Minimal-Betrieb, sondern steht komplett still. «Wir mussten beide Turbinen abstellen. Das bisschen Wasser reicht nicht, um eine davon zum Laufen zu bringen.» Schotten dicht.
Bei anderen Produzenten sieht es ähnlich aus: Die Werke der Schwyzer EBS an der Muota erbringen 65 Prozent der üblichen Leistung. Dort trägt jedoch ein Speicherkraftwerk auf der Glattalp dazu bei, dass das Leistungstotal nicht noch mehr absackt. Die Laufwasserkraftwerke Zürich-Letten, Zürich-Höngg und Wettingen AG, welche das EWZ an der Limmat betreiben, produzieren nur noch mit einem Drittel ihrer möglichen Leistung Strom. Die Kraftwerke Hinterrhein mit Sitz in Thusis GR berichten, dass ihre Anlagen im Juli nur knapp die Hälfte der üblichen Strommenge geliefert haben.
Und auch Axpo, die grösste Wasserkraft-Produzentin im Land, meldet ein Minus von 30 Prozent gegenüber Ende Juni. Dieser Wert gilt allerdings bloss für die Laufwasser-Kraftwerke – die von Speicher-Kraftwerken zu unterscheiden sind. Diese sind – sowohl bei der Axpo als auch schweizweit – im Moment wegen des Regen- und schmelzwasserreichen Frühjahrs gut gefüllt und liegen ungefähr auf dem Niveau der Vorjahre. Ähnlich sieht es bei der Konkurrentin Alpiq aus, die auf Anfrage über die schwächelnden Laufwasser- und die stärkeren Speicherwerke in Gletschernähe hinweg von einem ausgeglichenen Portfolio spricht.
Mehr Dreckstrom? Noch nicht.
Die Berner BKW haben mit ihren vielen Anlagen im Oberland dieses Jahr bisher sogar etwas mehr Wasserkraft produziert als gewöhnlich. «Dies liegt insbesondere am vergangenen Winter, der sehr schneereich war», schreibt ein Sprecher. «Sollte die Trockenheit weiterhin andauern, gehen wir jedoch davon aus, dass bei unseren Kraftwerken im Oberland die Produktion in den Monaten August und September unter den langjährigen Schnitt der Vergleichsmonate fallen wird.»
Zwar gibt es keine aktuellen Zahlen dazu. Unter dem Strich ist die Schweizer Wasserkraft in den letzten paar Wochen jedoch deutlich unter ihrem Soll geblieben. Was sind die Folgen für die Konsumenten? Haben wir jetzt mehr Dreckstrom aus dem Ausland importiert? Nein. Denn die Schweiz hat im Sommer traditionell einen Energieüberschuss. In anderen Worten: Es wird lediglich weniger Strom exportiert als üblich.
Möglich ist allerdings, dass sich der trockene Sommer später im Jahr noch bemerkbar macht: Sollten die Speicherseen dann leerer sein als üblich, müsste die Schweiz mehr Strom importieren. Erstens ist das teuer. Und zweitens liefern jene Versorger, deren Billigst-Angebot Strom aus fossilen Quellen beinhaltet, dann wohl noch mehr ausländischen Dreckstrom als in normalen Wintern an ihre Schweizer Kunden.
Das KKW Beznau musste wegen Hitze seit Mitte Juli die Leistung drosseln. Die Betreiberin Axpo senkte die AKW-Leistung auf rund 66 Prozent des normalen Niveaus.
Wochen später bestätigt eine Sprecherin dem BLICK: «Seit dem letzten Wochenende hat sich die Situation aufgrund der kühleren Temperaturen entspannt und das Werk kann derzeit wieder gemäss den geltenden Vorgaben auf Volllast betrieben werden.»
Auch die BKW, die das AKW in Mühleberg BE betreiben, haben die Drosselung um 20 Prozent wegen der tieferen Aare-Temperaturen wieder aufgehoben, heisst es auf Anfrage.
Alpiq musste die Leistung des Kernkraftwerks Gösgen SO nicht drosseln. «Im Gegensatz zu flusswassergekühlten Anlagen ist das Kernkraftwerk Gösgen von Aussentemperaturen weitgehend unabhängig», so eine Sprecherin. An Hitzetagen verringere sich lediglich die Effizienz der Anlage.Konrad Staehelin
Doch die AKW laufen auf HochtourenAb Mitte Juli lief das KKW Beznau mit 66 Prozent Leistung. Jetzt wird es wieder auf Volllast betrieben.
Das KKW Beznau musste wegen Hitze seit Mitte Juli die Leistung drosseln. Die Betreiberin Axpo senkte die AKW-Leistung auf rund 66 Prozent des normalen Niveaus.
Wochen später bestätigt eine Sprecherin dem BLICK: «Seit dem letzten Wochenende hat sich die Situation aufgrund der kühleren Temperaturen entspannt und das Werk kann derzeit wieder gemäss den geltenden Vorgaben auf Volllast betrieben werden.»
Auch die BKW, die das AKW in Mühleberg BE betreiben, haben die Drosselung um 20 Prozent wegen der tieferen Aare-Temperaturen wieder aufgehoben, heisst es auf Anfrage.
Alpiq musste die Leistung des Kernkraftwerks Gösgen SO nicht drosseln. «Im Gegensatz zu flusswassergekühlten Anlagen ist das Kernkraftwerk Gösgen von Aussentemperaturen weitgehend unabhängig», so eine Sprecherin. An Hitzetagen verringere sich lediglich die Effizienz der Anlage.Konrad Staehelin
Doch die AKW laufen auf HochtourenAb Mitte Juli lief das KKW Beznau mit 66 Prozent Leistung. Jetzt wird es wieder auf Volllast betrieben.