Flixbus-Gründer André Schwämmlein über seine Expansion in der Schweiz
«Wir sind kein Feind der SBB»

Grüner wirds nimmer: Vor ein paar Jahren wollte niemand etwas von einer Fernbus-Offensive hören. Heute ist Flixbus Marktführer, dessen Gründer und Chef André Schwämmlein (35) ein gefragter Mann. BLICK traf ihn am Firmensitz in München (D).
Publiziert: 05.12.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:08 Uhr
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André Schwämmlein, Mitgründer und Geschäftsführer von Flixbus.
Foto: ZVG
Interview: Ulrich Rotzinger

BLICK: Herr Schwämmlein, wie fühlt man sich als Deutschlands jüngster Monopolist?
André Schwämmlein: Ich bin zwar jung, aber auf keinen Fall ein Monopolist. Das wäre ich nur, wenn ich in meinem Markt die Preise verdoppeln könnte, ohne auf den Wettbewerb zu achten.

Aber Sie beherrschen 90 Prozent des Marktes und können die Regeln bestimmen.
Trotzdem haben wir extrem viel Wettbewerb, der zwischen Bahn, Bus, Billigfliegern und Auto stattfindet. In der Schweiz ist das anders. Die SBB haben das Monopol. Es gibt fast keinen Wettbewerb.

Ist das Monopol der SBB im Fernverkehr noch zeitgemäss?
Definitiv nicht. Die Passagierzahlen der SBB steigen stetig. Zu Hauptverkehrszeiten ist der Bahnverkehr auf den Hauptachsen regelmässig am Anschlag. Ein Fernbus-Anbieter stellt für die Bahn keine substanzielle Bedrohung dar.

Der Strassenverkehr ist doch viel mehr am Anschlag als die Schiene. Zum Grossteil würden Ihre Busse in der Schweiz im Stau stehen.
Das sehen wir anders. Das klare Ziel von Bus und Bahn sollte doch sein, den Individualverkehr zu reduzieren. Ein attraktives Fernbus-Angebot sorgt also langfristig eher dafür, die Strassen zu entlasten.

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Sie verbinden Städte wie Zürich, Basel, Bern oder Genf mit ausländischen Destinationen. Machen Sie damit Gewinn?
Ende dieses Jahres arbeiten wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz insgesamt erstmals profitabel. Auf Länderebene sind wir in der Schweiz aber noch defizitär.

Liegt das mehr an den Kampfpreisen oder an der geringen Auslastung?
Um Strecken wirtschaftlich fahren zu können, braucht es im Schnitt eine Auslastung von 60 Prozent plus. In der Schweiz haben wir diese Marke fast erreicht. Wir konnten die Zahl der Fahrgäste in der Schweiz allein im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent steigern. Dennoch müssen unsere Busse voller werden. Höhere Preise sind dabei nicht das Erfolgsrezept.

Wann ist Flixbus über den Berg?
Wir wollen in einer vernünftigen Zeit über das ganze Geschäft, also europaweit profitabel sein. Das ist schon für die nächsten Jahre realistisch.

Sie beschäftigen über 900 Mitarbeiter. Die 1000 Busse und 5000 Busfahrer gehören Ihnen jedoch nicht. Wie können Sie den Fernbusmarkt trotzdem dominieren?
Wir sehen uns als Technologie-Unternehmen und Mobilitätsplattform. Wir müssen sicherstellen, dass die Auslastung der Busse stimmt, dass die Verbindungen und Fernbusnetze attraktiv sind, der Service stimmt und die Leute das auch wissen. Die Leistung draussen auf der Strasse erbringen unsere 250 Busunternehmer, was seit nun vier Jahren bestens funktioniert.

Sie wälzen wie der Taxidienst Uber das Risiko auf Ihre Subunternehmen ab.
Wir arbeiten nicht mit Subunternehmern, sondern in einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Dabei trägt Flixbus den Grossteil des unternehmerischen Risikos. Und wenn wir unsere Hausaufgaben machen, dann profitieren auch unsere mittelständischen Partner von den Chancen der Zusammenarbeit.

Sie überziehen im Rekordtempo unsere Nachbarländer Österreich oder Italien mit nationalen Busverbindungen. Was hindert Sie am Aufbau eines Schweizer Netzes?
Die Regulierung. Sie ist strenger und enger als in anderen Ländern und lässt nicht viel Platz für Wettbewerb. Wir haben aber in den letzten Monaten dazugelernt. Wir loten nun zusammen mit den Schweizer Behörden aus, was möglich ist. 

Zum Beispiel?
Es ist derzeit praktisch unmöglich, eine Genehmigung für irgendeine Strecke innerhalb der Schweiz zu bekommen. Das BAV, das Bundesamt für Verkehr, hat uns aber signalisiert, dass künftig Anträge für inländische Linien gestellt werden könnten.

Aber Sie müssten Schweizer Standards einhalten, also auf Tiefstlöhne verzichten. Wollen Sie das?
Wir halten uns überall an die nationalen Regelungen, was Tariflöhne oder Mindestlöhne angeht. Natürlich halten wir uns auch an die Schweizer Gesetze.

Hoffen Sie auf staatliche Gelder?
Wir kommen in allen Ländern ohne Steuergelder aus. Das gilt auch für die Schweiz, wenn wir national aktiv werden.

BAV-Direktor Peter Füglistaler sieht jedenfalls Potenzial für Fernbuslinien innerhalb der Schweiz. Das muss Sie freuen.
Uns freut mehr, dass das Monopol der SBB im Fernverkehr kritischer gesehen wird als vor ein paar Jahren. Wir teilen selbstverständlich die Einschätzung, dass Konkurrenz dem Markt guttun würde. Wenn wir die Möglichkeit dazu erhalten, werden wir aktiv. Wir sind in der Vorphase, ein Gesuch für eine solche Linie zu stellen.

Sprechen wir hier von einer Verbindung Zürich–Bern?
Es gibt einige interessante Korridore in der Schweiz. Besonders spannend sind die Passagierströme über die Achse St. Gallen, Zürich, Bern, Genf.

Es heisst, Sie wollen eine Niederlassung in der Schweiz gründen.
In den Ländern, in denen wir nationale Netze unterhalten, haben wir immer eine Ländergesellschaft und ein Team vor Ort. Das würden wir auch in der Schweiz so machen. Wir prüfen das, mehr kann ich nicht sagen.

Seit Ende Oktober fährt Flixbus von Konstanz über Zürich und die Westschweiz nach Lyon.
Diese Strecke kommt wahnsinnig gut an. In den ersten Tagen war sie regelmässig ausgebucht. Der Grossteil der Buchungen wird dabei aktuell in Frankreich oder Deutschland getätigt. Wir bringen mit dieser Verbindung folglich zahlreiche Gäste in die Schweiz.

Bei einem Test ist BLICK mit einem Ticket nach Lyon in Zürich ein-, aber schon in Genf wieder ausgestiegen. Niemand hinderte uns daran.
Wenn der Chauffeur Sie in Genf am Aussteigen gehindert hätte, würde er sich stärker strafbar machen, als wenn er Sie ziehen liesse. Wir stehen mit dem BAV in konstruktivem Austausch, wie wir diese etwas absurde Situation um das aus unserer Sicht nicht mehr zeitgemässe Kabotageverbot in der Schweiz lösen können.

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Sie können derzeit nicht gewährleisten, dass die Schweizer Gesetze eingehalten und Ihre Linien nicht zum Binnentransport genutzt werden?
Wir können nur unseren Teil dazu beitragen, damit das Kabotageverbot durch uns nicht unterlaufen wird. Wir schulen unsere Fahrer in der Schweiz, hängen viersprachige Hinweisschilder im Bus auf, automatische Durchsagen weisen auf das Problem hin, und die Tickets bekommen einen Warnhinweis.

Flixbus darf bereits die grosse PostAuto-Station beim Bahnhof Chur nutzen. Planen Sie weitere Kooperationen mit der Post-Tochter?
Falls eines unserer Fahrzeuge ausfallen sollte, könnten wir uns vorstellen, dass PostAuto ab Chur im Notfall einspringen würde. Die ist eine Option für die Strecke nach Baden-Württemberg, über die wir uns gerade mit PostAuto austauschen.

Würden Sie auch mit den SBB kooperieren?
Wir sprechen mit jedem, der mit uns reden will. Die SBB wollten das bisher nicht. Dabei sind wir kein Feind der SBB. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die öffentlichen Verkehrssysteme so attraktiv zu machen, dass die Leute ihr Auto nicht mehr brauchen.

Sie geben Ihrem Unternehmen einen grünen Anstrich und verkaufen es als ökologische Alternative. Zu was, bitte?
Vor allem zum Auto. Man wirft uns vor, dass wir nur Staus produzieren. Das Gegenteil ist der Fall: Fast die Hälfte der Kunden holen wir aus dem Auto in den Bus. Pro Bus sparen wir 10 bis 15 Autos ein. Natürlich gewinnen wir auch Bahnkunden.

Sind Sie selbst ein Grüner?
Ich bin tatsächlich parteipolitisch grün. Darum kämpfe ich ein wenig mit meiner Partei um das Flixbus-Image. Ich halte unser Unternehmen für ökologisch und sozial. Bei uns können sich auch Leute mit weniger Einkommen eine Reise leisten.

Fahren Sie eigentlich Auto?
Nein, ich habe keines.

Da ticken Sie anders als zahlreiche Schweizer. Was planen Sie, um die Eidgenossen von der Strasse zu holen?
Noch im Dezember starten wir eine neue Linie von Basel, St. Gallen und Zürich nach Innsbruck und dann weiter nach Ljubljana und Zagreb. Im Frühjahr bauen wir neue Verbindungen nach Frankreich und Italien auf. Zürich ist und bleibt für unser internationales Geschäft extrem wichtig. Wenn wir jetzt noch die Möglichkeit bekommen, neue Linien innerhalb der Schweiz zu eröffnen, kommen natürlich weitere Schweizer Städte dazu.

Wie kriegen Sie die Verspätungen in den Griff?
Insgesamt sind wir relativ pünktlich. Ein Problem sind die Zollkontrollen bei der Einreise in die Schweiz. Im Vergleich zum Sommer hat sich die Wartezeit aber ein bisschen verbessert.

Sie könnten besser informieren.
Wie bieten jetzt Push-Nachrichten per App an und überlegen uns für nächsten Sommer ein paar Sachen, damit das Thema Verspätungen einen kleineres wird.

Welche Vision haben Sie für Ihre Mobilitätsplattform?
Grundsätzlich kann man damit noch viel mehr machen, als Busse durch Europa zu schicken. Europa ist aber noch nicht ganz erschlossen. Auch in der Schweiz können wir wachsen und national einen Mehrwert für die Schweizer Reisenden leisten. Neu kann man jetzt auch Flixbusse für Firmenanlässe und Ähnliches chartern.

Sie haben keine Träume?
Wir werden jetzt nicht Essen ausliefern wie Uber. In absehbarer Zeit werden auch noch keine grünen Züge fahren. In Österreich verkaufen wir allerdings schon Fahrkarten in Kooperation mit der Westbahn.

Haben Plattformen wie Booking.com oder Airbnb schon angeklopft?
(Lacht) Wir kooperieren schon jetzt mit rund 20’000 Reisebüros, teilweise sind wir hier auch schon Teil von Reise-Packages. Aktuell liegt unser Schwerpunkt aber ganz klar auf dem eigenen Geschäft.

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