Eigentlich hätte Peter Füglistaler (57), Direktor des Bundesamts für Verkehr BAV, diesen Herbst einen Entscheid fällen müssen: Bricht er das SBB-Monopol im Fernverkehr tatsächlich auf und lässt mehr Wettbewerb zu auf den Schienen? Wird die BLS zur grossen Konkurrentin der SBB?
Offenbar ist sich das BAV jetzt selber unsicher. Füglistaler verschiebt den Entscheid, wie heute bekannt wurde. Für den künftigen Betrieb des Eisenbahn-Fernverkehrs seien Konzessionsgesuche von SBB und BLS eingegangen, die sich ab Fahrplanwechsel Ende 2019 konkurrenzieren, heisst es in einer Mitteilung des BAV. «Die Gesuche erfordern zusätzliche Abklärungen und eine vertiefte Analyse.»
Entscheiden will das BAV bis Mitte 2018, wem ab Fahrplanwechsel Ende 2019 welche Fernverkehrslinien zugesprochen werden. Bis dahin bleibt alles beim Alten. Die Ende Jahr auslaufende Konzession der SBB wird um zwei Jahre verlängert. Für die Passagiere ändert sich damit vorerst nichts.
Ab 2018 will das BAV zudem die Meinungen der betroffenen Kantone, Verbünde, Transportunternehmen und Infrastrukturbetreiberinnen einholen, heisst es in der Mitteilung.
So begründet Füglistaler die Verzögerung
Doch wieso hat das BAV nicht schon von Anfang an die Frist nach hinten geschoben? «Es war nicht ausgeschlossen, dass wir nach kurzer Sichtung der Dossiers uns für eine Option hätten entscheiden können», sagt Füglistaler zu BLICK. «Nun braucht es aber weitere Abklärungen. Beide Eingaben sind rechtsgültig und prüfenswert.»
So gebe es noch offene Fragen zum Businessplan beider Anbieter. «Mit der Eingabe des Gesuchs hat die BLS gesagt, sie wären ab Ende 2019 bezüglich Personal und Rollmaterial bereit, die gewünschten Strecken zu betreiben. Dies überprüfen wir jetzt.»
SBB kritisieren den Stopp
Das Hinauszögern des Entscheids kommt bei den SBB nicht gut an: Sie bedauere, dass das BAV nicht Anfang Dezember einen materiellen Entscheid fällen will, teilen sie mit. «Ein Entscheid Anfang Dezember war aufgrund geltender Regelungen zu erwarten; seit zehn Jahren ist bekannt, dass die aktuelle Fernverkehrs-Konzession im Dezember 2017 auslaufen wird.» Bei einer verzögerten Erneuerung sei die Rechts- und Investitionssicherheit nicht mehr gewährleistet.
Die BLS hingegen begrüsst den Entscheid, wie sie auf Anfrage mitteilt. «Wir finden es gut, wenn das BAV die Gesuche genau prüft», sagt eine Sprecherin. «Allerdings sind wir darauf angewiesen, dass der Entscheid dann nächsten Sommer auch fällt.» So habe die BLS genügend Zeit, sich allenfalls auf einen Wiedereinstieg in den Fernverkehr vorzubereiten.
So entstand der Kampf um den Fernverkehr
Was bisher geschah: Seit Jahren besitzen die SBB das Monopol im Fernverkehrsnetz. Doch weil nun nach zehn Jahren die Konzession dafür ausläuft, motivierte das Bundesamt für Verkehr (BAV) vergangenes Jahr die regionalen Bahnunternehmen BLS und die Südostbahn SOB, ein Gesuch für eigene Fernverkehrslinien zu stellen.
Zumindest die SOB verzichtete darauf, nachdem sie mit den SBB einen Deal geschlossen hat. Und etwa die alte Gotthardstrecke betreiben darf. Die BLS beharrten hingegen darauf, eine eigene Fernverkehrs-Konzession zu erhalten. So beantragte sie beim BAV im September folgende Linien:
- Interlaken–Bern–Basel (ab 2022)
- Brig–Bern–Basel (ab 2023)
- Bern–Olten (ab 2020)
- Biel–Bern (ab 2020)
- Bern-Neuenburg–Le Locle (ab 2022)
Für den Einstieg in den Fernverkehr will die BLS neue Züge besorgen und 290 Stellen schaffen. Für die Passagiere gebe es ausreichend Verpflegung in den Zügen sowie WLAN für das Surfen auf dem Smartphone. Insgesamt will die Regionalbahn 495 Millionen Franken investieren – Bund und Kantone würden angeblich nicht belastet.
Die SBB fürchten jedoch, dass es teurer wird, wenn das Monopol zerfällt. Laut SBB-Chef Andreas Meyer (56) würde der Fernverkehr dann 20 Millionen Franken mehr kosten.
Bund stärkt Fernbusse
Dass das BAV jetzt die BLS zappeln lässt, überrascht. Denn der Bund will den Wettbewerb im öffentlichen Verkehr offenbar verstärken. Erst letzten Donnerstag verkündete das BAV, dass der Bundesrat den Markt für heimische Fernbusse und für ausländische Zug-Unternehmen öffnen will (BLICK berichtete).