Es ist ein Doppelschlag gegen die SBB, den die Landesregierung hier plant! Der Bundesrat will den Markt für heimische Fernbusse und für ausländische Zug-Unternehmen öffnen. Das verkündete das Bundesamt für Verkehr (BAV) am heutigen Donnerstag.
So sollen ausländische Bahnbetreiber ohne Hilfe der SBB zum Zug kommen. Bisher dürfen sie nur grenzüberschreitende Personentransporte in die Schweiz anbieten, wenn sie dabei mit einem schweizerischen Unternehmen zusammenarbeiten.
Hier prüft der Bundesrat eine teilweise Öffnung im Rahmen des Landverkehrsabkommens mit der EU, heisst es in einer Mitteilung des BAV. «Damit könnten Bahnen künftig internationale Personenverkehrsleistungen allein anbieten.»
Kabotage-Verbot kommt unter die Räder
Somit würde das Kabotage-Verbot im Bahnverkehr fallen. Es untersagt ausländischen Transportunternehmen, Inlandverbindungen in der Schweiz anzubieten. Das will der Bundesrat nun möglich machen – «sofern der Hauptzweck in der Beförderung von Fahrgästen zwischen Bahnhöfen in verschiedenen Mitgliedstaaten liegt.»
Gemäss den bisherigen Erfahrungen in der EU mit entsprechenden Marktöffnungen seien einzelne neue Angebote zu erwarten, schreibt das BAV von Direktor Peter Füglistaler (58).
Er und der Bundesrat glauben offenbar an die heilenden Kräfte des Wettbewerbs. Der soll nämlich die SBB zu attraktiveren Angeboten zwingen. Es könne «indirekt über den erhöhten Marktdruck eine Verbesserung des bestehenden Angebots erwartet werden», hält das BAV fest.
Bei den internationalen Fernbuslinien, will der Bundesrat allerdings an der strikten Handhabe festhalten. So soll das Kabotage-Verbot für ausländische Fernbus-Unternehmen weiterhin gelten.
Nationale Fernbusse in den ÖV einbeziehen
Dagegen sollen nationale Fernbuslinien in das bestehende System des öffentlichen Verkehrs eingebunden werden. «Dies bedeutet beispielsweise, dass Anbieter neuer, nationaler Buslinien Halbtax- und Generalabonnemente anerkennen müssen.»
Damit spricht sich der Bund für Fernbusanbieter aus und gegen den vollständigen Schutz der SBB.
In den Startlöchern für ein erstes nationales Fernbus-Angebot steht Domo Reisen aus Glattbrugg ZH. Über das erste Konzessionsgesuch für nationale Fernbus-Linien will das Bundesamt für Verkehr BAV bis spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 entscheiden.
Schweizer Fernbus-Anbieter überrascht
Patrick Angehrn (41), Leiter Linienbusverkehr von Domo Reisen, hat mit einem solch deutlichen Votum des BAV wie dem Heutigen nicht gerechnet: «Wir freuen uns über die Initiative des Bundesamtes für Verkehr und den Entscheid des Bundesrates, den nationalen Fernbusmarkt für Schweizer Unternehmen zu öffnen», sagt Angehrn zu BLICK.
«Wir sind bereit, sämtliche Auflagen des Bundes wie die Akzeptanz von GA oder Halbtax zu erfüllen. Ab Fahrplanwechsel im Dezember 2017 können wir den Betrieb unseres Schweizer Fernbusnetzes aufnehmen».
Dafür braucht es allerdings noch die Konzession vom Bund. «Wir sind jetzt wirklich optimistisch, dass wir in den nächsten Wochen die Bewilligung erhalten», sagt Angehrn.
Flixbus freut sich über Bundesrats-Vorhaben
Auch ausländische Mobilitätsanbieter stehen bereits in den Startlöchern: Flixbus begrüsst die Marktöffnung im Schienenverkehr als positives Signal für den gesamten nationalen Mobilitätsmarkt. «Wir kooperieren bereits seit Jahren in Ländern wie Österreich und Tschechien erfolgreich mit der Schiene. Daher schliessen wir für die Zukunft weitere Kooperationen auch in der Schweiz nicht aus», sagt Flixbus-Sprecher Martin Mangiapia zu BLICK. Konkrete Pläne habe man bisher noch keine. «Unser Kerngeschäft bleibt der Fernbusbetrieb.»
Gründet Flixbus jetzt ein Tochterunternehmen in der Schweiz, um auch hier ein nationales Fernbusnetz anzubieten? «Die Schweiz ist für uns ein wichtiger Markt, das heisst wir prüfen derzeit, ob hier ein Inlandsnetz für uns infrage kommt», sagt Sprecher Mangiapia. In diesem Zusammenhang werde man auch – wie in allen anderen europäischen Märkten, in denen Flixbus nationale Netze betreibe – mit Partnern vor Ort zusammenarbeiten.
Zückerli für die SBB
Dem Doppelschlag gegen die SBB stehen zwei Vorteile gegenüber: Die Öffnung des Marktes funktioniert in beide Richtungen. «Die Schweizer Eisenbahnunternehmen könnten damit im Rahmen von grenzüberschreitenden Angeboten auch Binnenverkehr innerhalb der anderen Länder anbieten», schreibt das BAV. Das bedeutet: Die SBB müssten etwa auf der beliebten Strecke nach Mailand nicht mehr mit Trenitalia, nach Deutschland nicht mehr mit der Deutschen Bahn zusammenarbeiten.
Ausserdem bekommen nicht nur die SBB den Markt- und Margendruck im nationalen Fernverkehrsgeschäft zu spüren. Denn auch Anbieter neuer nationaler Fernbuslinien müssten Halbtax und GA anerkennen. Sie müssen daher genau kalkulieren, damit sich ihr Geschäft noch lohnt.