«Wir würden mit Ihnen gerne über Gott reden», so sprechen seit Jahrzehnten Zeugen Jehovas in aller Welt ihre Mitmenschen an. Beim Klingeln an der Haustüre. Oder in der Fussgängerzone, wo sie den «Wachtturm» verteilen. Ihre Zeitschrift, die vierteljährlich erscheint. Die Publikation – sie ist die Zeitschrift mit der weltweit höchsten Auflage – wird seit 1879 gedruckt.
Der «Wachtturm» ist zentral, wenn man verstehen will, wie sich die Zeugen Jehovas finanzieren. Und wie sie zu ihrem Vermögen kommen. Die Mitglieder geben nämlich nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Arbeitskraft. Das System der Zeugen Jehovas beruht auf dem Prinzip der freiwilligen Arbeit – dem sogenannten Predigtwerk. Etwa beim Verteilen des «Wachtturms». «Wir führen keine Kollekte durch und verlangen kein Geld für unsere Veröffentlichungen oder Dienstleistungen. Egal, ob wir als Bibellehrer unterwegs sind, in unseren Sälen lehren oder daran mitbauen – wir werden nicht dafür bezahlt», schreiben die Zeugen Jehovas auf ihrer Website.
Sie verlangen keine Kirchensteuern
Kirchensteuern zieht die umstrittene Religionsgemeinschaft mit fast neun Millionen Mitgliedern – in der Schweiz sind es 20'000 Gläubige – auch keine ein. Auch auf das Einziehen eines Zehnten, wie das bei Freikirchen häufig der Fall ist, verzichten die Zeugen Jehovas. Sie finanzieren sich primär durch Spenden, die stets freiwillig sind, wie betont wird. Gesammelt wird online oder ganz klassisch mittels Topfkollekte. Am Wochenende treffen sich die Zeugen Jehovas im Zürcher Letzigrund zum Sonderkongress.
Doch wie freiwillig sind die Spenden wirklich? Immer wieder melden sich Aussteiger zu Wort, die von einem grossen Spendendruck berichten. In Medienberichten ist im Zusammenhang mit den Zeugen Jehovas mehrfach von intransparenten Geldströmen, ausbeuterischen Strukturen und fragwürdigen Immobiliengeschäften die Rede.
Das Paradies als ewiger Lohn
So würden zahlreiche Gebäude – darunter die Königreichssäle genannten Kirchen der Zeugen Jehovas – mit freiwilligen Arbeitern erbaut, um danach Jahre später für teures Geld verkauft zu werden. Wie zuletzt im trendigen New Yorker Stadtteil Brooklyn, wo ein Gelände der Gemeinschaft für eine Milliarde Dollar den Besitzer gewechselt haben soll.
Viele Mitglieder würden nur Teilzeit arbeiten, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können. Als Belohnung sehen sie das Paradies und das ewige Leben, nach dem sie streben. Die Zeugen Jehovas weisen solche Vorwürfe stets weit von sich. Ihre Finanzen legen sie aber nicht offen. Was sie an Spenden einnehmen, bleibt unklar.
Spende über den Tod hinaus
Das System der Spende funktioniert bei den Zeugen Jehovas selbst über den Tod hinaus. Viele Mitglieder vermachen ihr gesamtes weltliches Vermögen der Religionsgemeinschaft. Immer wieder stehen auch verstorbene Prominente in den Schlagzeilen, die ihr Geld den Zeugen Jehovas vermachen. So steht im Raum, dass Sänger Prince (1958–2016) der Organisation mehrere Hundert Millionen Dollar vermacht haben soll.
Der US-amerikanische Musiker gehörte von 2001 bis zu seinem Tod 2016 der Glaubensgemeinschaft an. Prince war aber nur einer von vielen Stars, die einen Bezug zu den Zeugen Jehovas haben. Auch Michael Jackson (1958–2009), Cliff Richard (83), sowie die beiden Tennisschwestern Serena (42) und Venus (44) Williams wird eine Mitgliedschaft nachgesagt. In Deutschland gilt der Comedian Oliver Pocher (46) als bekanntestes Ex-Mitglied der Zeugen Jehovas.