Experte Marc Schwitter über Personal Storytelling
«Jeder Unternehmer hat eine Vision – dort ist die Geschichte»

Marc Schwitter wurde unfreiwillig zum Verkäufer und dann freiwillig zum Unternehmer und Geschichtenerzähler. Im Interview mit Gryps erzählt der St. Galler, was ihn motiviert, was ihn ärgert und was gutes Storytelling ausmacht.
Publiziert: 02.08.2024 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2024 um 11:04 Uhr
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«Erzählt eure Geschichte. Wieso macht ihr das, was ihr tut?» – Unternehmer Marc Schwitter brennt fürs Personal Storytelling.
Foto: Peter Petzka
Reto Stauffacher

Verkäufer sagen das, was die Kunden hören wollen. Was sagen Sie?
Ich erzähle meine Geschichte. Das Ziel eines Verkaufsgesprächs sollte nicht der Abschluss per se sein, sondern, dass man herausfindet, ob und wie man einander helfen kann. Ob es passt.

Ist das alles?
Verkauf ist dann erfolgreich, wenn man den Menschen hilft und sie glücklich macht. Es geht um die anderen, nicht um mich. Ich habe grosse Mühe, wenn jemand auf mich zukommt und einfach etwas verkaufen will, ohne sich mit meiner Situation auseinandergesetzt zu haben.

Artikel von Gryps

Dieser Artikel wurde erstmals bei Gryps publiziert. Gryps ist ein Online-Portal für KMU mit Beschaffungswelt, Praxisratgeber und aktuellen Berichten.

Jetzt entdecken auf www.gryps.ch.

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Das Verkäufer-Syndrom: reden und überreden …
Bis vor zehn Jahren hatte ich ein sehr kritisches Bild vom Verkauf. Ich nahm Anrufe von unbekannten Nummern nicht ab und war überzeugt, dass alle Verkäufer mich zu etwas überreden wollen, was ich gar nicht will. Dann jedoch musste ich plötzlich selbst raus und etwas verkaufen. Da musste ich einen eigenen Weg finden.

Was haben Sie anders gemacht?
Ich bin ein leidenschaftlicher Tischtennisspieler. Ich kündigte damals meinen Job, um mich um den Aufbau des Clubs zu kümmern. eine Aufgabe: Sponsoren finden. Also ging ich raus und redete mit den Leuten in meiner Region. In der Regel tauchte ich morgens um 10 Uhr unangemeldet bei den Firmen auf. Meine erste Frage war jeweils: «Spielen Sie Tischtennis?» So hatte ich bereits ein Gesprächsthema. Der Schlüsselsatz kam dann etwas später: «Ich habe meinen Job gekündigt, damit ich heute bei Ihnen sein kann.» Das war der Türöffner.

Weshalb?
Dieser Satz weckt Interesse. Es war meine persönliche Geschichte – ich hatte meinen Job gekündigt, damit ich der Stadt Rapperswil-Jona, den dortigen Unternehmen und dem Tischtennissport etwas geben konnte. Auf diese Weise brachten wir in nur drei Monaten 25’000 Franken zusammen.

Die Leute haben gesponsert, weil sie gerne Tischtennis spielen?
Nicht wirklich (lacht). Die meisten gaben später zu, dass sie uns nicht wegen des Sports unterstützt hatten. Es hätte auch Bowling sein können. Aber unsere Geschichte hat bewegt. Man spürte unser Engagement.

Nicht das Produkt war also entscheidend, sondern die Geschichte?
Genau. Das Produkt war gut, wir hatten eine Plattform für Sponsoren, entscheidend war aber die Geschichte. Deshalb meine Empfehlung: Erzählt eure Geschichte. Wieso macht ihr das, was ihr tut? Warum gibt es eure Produkte und Dienstleistungen? Was ändert sich damit? Und warum seid gerade ihr die richtigen Personen dafür? Es sind Menschen und ihre Geschichten, die verkaufen. Produkte und Dienstleistungen allein können das nicht.

Ihre Geschichte war authentisch und glaubwürdig. Das ist bei vielen Unternehmen und ihren Produkten ungleich schwieriger …
Wenn ein KMU nicht weiss, was seine Geschichte ist, dann ist es höchste Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Denn hinter jedem Produkt und jeder Firma steckt eine Geschichte. Es gilt, mit dieser Geschichte Kunden und Angestellte zu gewinnen. Das ist Personal Storytelling.

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Hat jedes Unternehmen eine gute Geschichte zu erzählen?
Jeder Mensch, der ein Unternehmen gründet, hat einen Grund, eine Motivation, eine Vision. Dort ist die Geschichte versteckt.

«Ich will damit Geld verdienen» – ist das auch eine Geschichte?
Natürlich. Ich hatte einen Kunden, der offen zugab, dass er mit seiner Geschäftsidee einfach nur viel Geld verdienen wollte. Das ist in Ordnung, diese Geschichte kann er erzählen. Er muss einfach aufzeigen können, wie auch andere davon profitieren, wenn er Geld verdient. Es geht um Authentizität. Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmen haben jedoch andere Motive, als Geld zu verdienen.

Wie nahe bei der Wahrheit sollten solche Geschichten sein?
Es gibt zwei Optionen: Man kann die Wahrheit erzählen oder man kann lügen. Selbstverständlich ist die Wahrheit dehnbar, das heisst, es handelt sich um eine subjektive Wahrheit. Ob jemand in bescheidenen oder in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, kann in der Wahrnehmung einen grossen Unterschied ausmachen. Es gibt sogar Menschen, die es durch Personal Storytelling zum US-Präsidenten geschafft haben …

Donald Trump als Paradebeispiel für Personal Storytelling?
Es zeigt, dass Geschichten funktionieren, auch wenn sie nicht wahr sind. Ich empfehle aber, ehrlich und authentisch zu sein und bei der faktischen Wahrheit zu bleiben. Das fliegt einem sonst irgendwann um die Ohren. Ein gutes Beispiel für Personal Storytelling ist Gottlieb Duttweiler. Die Migros bezieht sich noch heute auf seine Visionen und Werte.

Vom Tischtennis zum Storytelling

Marc Schwitter ist Spezialist für Storytelling und Marketing sowie Gründer und Inhaber der Ping Pong Story GmbH. Seit 2017 ist er zudem Chefredaktor und Teilhaber des medizinischen Fachverlags Medico Journal GmbH. Zu seinem beruflichen Engagement gehört nach wie vor die Förderung des Tischtennissports in der Schweiz.

Marc Schwitter ist Spezialist für Storytelling und Marketing sowie Gründer und Inhaber der Ping Pong Story GmbH. Seit 2017 ist er zudem Chefredaktor und Teilhaber des medizinischen Fachverlags Medico Journal GmbH. Zu seinem beruflichen Engagement gehört nach wie vor die Förderung des Tischtennissports in der Schweiz.

Sie sind seit zehn Jahren selbstständig. Wie kam es dazu?
Ich habe die Selbstständigkeit nicht gesucht. Wahrscheinlich wäre ich noch heute angestellt, wenn ich wegen meines Engagements im Tischtennis nicht meinen Job aufgegeben und sich die Selbstständigkeit quasi ergeben hätte. Aber im Nachhinein bin ich sehr dankbar, dass es so gekommen ist.

Was haben Sie dabei gelernt?
Das Wichtigste: Die Vision ist zentral. Und damit meine ich nicht die Visionen und Missionen, die in Workshops ausgedacht werden, sondern die Visionen, die jeden Tag dazu motivieren, aufzustehen. Wie und was kann ich anderen bieten? Was ist der Wert davon? Warum will ich das mehr als alles andere? Diese Visionen kann man nur im Leben der Menschen finden und nicht mit schönen Worten konstruieren.

Was zeichnet eine gute Vision aus?
Viele Unternehmen bezahlen einfach gute bis sehr gute Löhne, aber die Menschen werden nicht abgeholt. Sie freuen sich mehr auf die Yogastunde am Abend als auf die tägliche Arbeit. Da geht viel zu viel Energie und Leistung verloren. Die klare, die menschennahe Vision, das ist der Schlüssel dazu, dass die Leute finden, sie seien im richtigen Job. Und diese Vision kommt von den Gründerinnen und Gründern oder von den Menschen in der Unternehmensleitung, nicht aus der Marketingabteilung.

Also sollte man sich besser selbstständig machen, als sich in einem überbezahlten Job zu langweilen?
Ich glaube, es gibt ein Missverständnis: Viele sind überzeugt, dass selbstständig sein gut und angestellt sein schlecht ist. Doch es ist andersherum: In einem Land wie der Schweiz, das so viele gute Jobs zu bieten hat und so hohe Löhne zahlt, lohnt es sich, angestellt zu sein. Dann gehst du am Montagmorgen zur Arbeit und am Freitagabend ins Wochenende.

Selbstständig werden lohnt sich nur, wenn man etwas bewegen will. Wenn man etwas hat, wofür man so stark brennt, dass es nicht anders geht. Wenn man dann kein Unternehmen findet, das für dieselben Visionen und Werte brennt, kann man sich eine Selbständigkeit überlegen. Das hat nichts mit «Leidenschaft folgen» oder «Work-Life-Balance» zu tun, sondern schlicht und einfach mit mehr Arbeit. Diese Konsequenz wird häufig unterschätzt. Als Selbstständiger hast du zunächst mal keinen Lohn, und wenn du nichts verkaufst oder lieferst, dann hast du auch am Ende des Jahres keinen Lohn.

Das war jetzt ein Plädoyer für Selbstständigkeit, obwohl es keines sein sollte …
(lacht) Na ja, mir geht es darum: Zu viele Menschen haben Mühe herauszufinden, was sie gut können, was sie wirklich gerne machen und was der Wert ist, den sie damit der Gesellschaft bieten. Sobald man das weiss, kann man entweder den passenden Job bei der passenden Firma auswählen – was ich bei den Löhnen und riesigen Möglichkeiten in der Schweiz empfehlen würde – oder man macht sich selbstständig. Wenn man sich selbstständig macht, das sollte man allerdings wissen, wird die Arbeit zum Hobby. Ich habe keine Work-Life-Balance mehr, und das ist voll in Ordnung so. Ich habe nur noch Pure Life.

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