Ex-Raiffeisen-Boss vor Gericht
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Pierin Vincenz

Darauf hat die Finanzwelt jahrelang gewartet: Die Staatsanwaltschaft Zürich hat am Dienstag Anklage gegen den ehemaligen Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz erhoben. Der einst mächtige Banker muss nun vor Gericht, über zwei Jahre nach seiner Entlassung aus der U-Haft.
Publiziert: 02.11.2020 um 21:59 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2021 um 11:11 Uhr
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Nun also steht die Anklage, Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz wird sich vor Gericht verantworten müssen.
Foto: Keystone
Christian Kolbe

Die Staatsanwaltschaft Zürich hat am Dienstag Anklage gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (64) erhoben. Über zwei Jahre nach der Entlassung aus der U-Haft ist nun klar: Vincenz wird der Prozess gemacht. Die Anklagepunkte: Gewerbsmässiger Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung.

Der Prozess wird voraussichtlich im kommenden Jahr statt finden. Damit findet eine jahrelange Untersuchung ihren Anschluss. Seit dem 19. Dezember 2017 hatte die auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich ermittelt – gegen Vincenz und weitere Verdächtige. Darunter Beat Stocker (60), ehemaliger Chef der Kreditkartenfirma Aduno – oder gegen Vincenz' Ehefrau Nadja Ceregato (49), die nach dem Abgang von Vincenz bei Raiffeisen als Chefjuristin in die Geschäftsleitung aufstieg.

Insgesamt neun Angeklagte

Nun ist klar: Vincenz und Stocker sind die beiden Hauptbeschuldigten. Daneben geht es um «die Tatbeiträge von sieben weiteren Personen aus dem beruflichen Umfeld» der bei-den. Am 26. Oktober 2020 hat die Staatsanwaltschaft nun die Strafuntersuchung gegen diese neun Personen mit Anklage an das Bezirksgericht Zürich und mit zwei Strafbefehlen abgeschlossen. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Die sieben anderen Personen sollen die beiden Hauptbeschuldigten bei den Vorkommnissen, welche Gegenstand der Anklage bilden, unterstützt sowie teilweise aktiv bestochen haben, schreibt die Staatsanwaltschaft in einer Medienmitteilung. Es dürfte also im nächsten Jahr zu einem Monster-Wirtschafts-Prozess bekommen, mit vielen Angeklagten und umfangreichem Belastungsmaterial.

Firmenkäufe im Fokus

Vincenz sass von Ende Februar bis Mitte Juni 2018 insgesamt 106 Tage in Untersuchungshaft. Ein Grund für die lange Ermittlungsdauer soll unter anderem die Versiegelung von Dokumenten sein. Erst als es der Staatsanwaltschaft gelang, einen Teil der Unterlagen zu entsiegeln, kam wieder Schwung in die Untersuchung, die nun in der Anklageerhebung mündet.

Im Grundsatz geht es um Firmenkäufe durch Raiffeisen und Aduno, bei denen sich Vincenz und Stocker bereichert haben sollen. Sie sollen angeblich ihre Positionen in der Geschäftsleitung oder im Verwaltungsrat zu Geschäften in den eigenen Sack ausgenutzt haben.

Schwere Vorwürfe

Gemäss der Anklageschrift sollen die beiden Hauptbeschuldigten bei all den Akquisitionen «nicht gebührende Vorteile gefordert und zu einem erheblichen Teil auch erhalten haben.» Konkret wirft die Staatsanwaltschaft Vincenz und Stocker in der Anklage gewerbsmässigen Betrug, Urkundenfälschung und passive Bestechung vor. Darüber geht es um unberechtigte Spesenbezüge bei Aduno bzw. Raiffeisen zur Last, was zusätzlich in den Vorwurf der Veruntreuung mündet.

Angestossen wurde die Causa Vincenz durch eine Strafanzeige von Aduno. Diese betraf den Kauf der Firma Commtrain Card Solutions (CCS) durch Aduno im Jahr 2007. Eile ist angesagt, denn dieser Fall droht bald zu verjähren.

Das sind die einzelnen Geschäfte, um die sich alles dreht:

Der Fall Commtrain

2007 kaufte die Kreditkartenfirma Aduno die Commtrain Card Solutions (CCS). Was ausser Vincenz und Stocker bei Aduno niemand weiss: Die beiden sind über eine andere Firma an Commtrain beteiligt, profitieren also vom Kauf bzw. Verkauf der Firma, den sie selber eingefädelt haben. In der Strafanzeige von Aduno geht es um den Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung. Aduno bezahlt für CCS 7 Millionen Franken, davon gehen 4,2 Millionen an Vincenz und Stocker. Vincenz erhält 1,7 Millionen Franken.

Der Fall Investnet

Raiffeisen wirft 2011 ein Auge auf den KMU-Finanzierer Investnet. Dieser soll erfolgversprechende KMU mit Krediten unterstützen, die Hoffnungsträger fit für einen Börsengang machen. Die Verkaufsverhandlungen führt eine Weile Vincenz' Intimus Stocker, der sich auch privat an Investnet beteiligt. Schliesslich übernimmt Raiffeisen 60 Prozent von Investnet, bezahlt dafür den beiden Firmengründern je 20 Millionen Franken. 5,8 Millionen Franken fliessen von den Gründern in die Taschen von Stocker. Dieser zahlt Vincenz 2,9 Millionen Franken, angeblich als Darlehen für den Kauf eines Hauses im Tessin. Der Verdacht: Für Investnet wurde zu viel bezahlt, profitiert haben unter anderem Vincenz und Stocker.

Die Fälle Eurocaution und GCL

Eurocaution und GCL sind weitere Firmenkäufe von Aduno, die zum Teil von Vincenz als Präsident von Aduno vorangetrieben wurden. An Eurocaution war Stocker beteiligt, an Genève Credit & Leasing (GCL) angeblich sowohl Stocker als auch Vincenz. Die beiden sollen bei den Verkäufen abkassiert haben, weshalb ihnen die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung vorwirft.

Die fetten Spesen

Vincenz sei ein begnadeteter Spesenritter gewesen. Als Spesen abgerechnet wurden offenbar selbst Besuche im Striplokal Red Lips in Zürich. Kann Vincenz nachgewiesen werden, dass gewisse Spesen und Bezüge seinen persönlichen Bedürfnissen und nicht einem Geschäftszwecck dienten, dann hat der Ex-Raiffeisen-Boss ein weiteres strafrechtlich relevantes Problem.

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