Schlechte Arbeitsbedingungen? Das gibt es im Gastgewerbe immer wieder. Der Fall eines Restaurantbetreibers im Berner Oberland macht Gewerkschafter allerdings sprachlos. So fährt die Unia am Freitagvormittag grosses Geschütz auf. In Interlaken BE, in Gehdistanz zum betroffenen Gastrobetrieb, organisierte die Gewerkschaft eine Medienkonferenz. Der Rummel ruft Nachrichtenagenturen und TV-Sender auf den Plan, denn im Beisein der Unia sollten ehemalige Angestellte des Betriebs Missstände öffentlich machen.
Das taten sie auch, doch im Bild und Namen hin stehen, wollten die Betroffenen dann doch nicht. «Aus Angst vor ihrem ehemaligen Arbeitgeber», sagen Gewerkschafter und bitten um Anonymisierung der Betroffenen. «Die Löhne wurden jeden Monat später gezahlt. Manchmal nur ein Teil davon, manchmal in bar. Auf den letzten Monatslohn warte ich immer noch», klagt der ehemalige Küchenangestellte Mario P.*. «Wir warten immer noch auf unsere Oktoberlöhne», sagt ein anderer.
«Mir wurde gedroht, ich dürfe nicht öffentlich darüber sprechen. Aber wir können nicht einfach schweigen, wenn wir als Angestellte so schlecht behandelt werden», sagt Miroslava N.*, die als Servicefachfrau im Restaurant tätig war. In einer Mitteilung der Unia an die Medien heisst es: «Die Arbeitsbedingungen im Interlakner Ristorante Vacanze Romane sind furchterregend.»
Systematische Verstösse
Laut der Gewerkschaft stehen auf der langen Missstandsliste: nicht erfasste Arbeitszeiten, fehlende Lohn- und Zeitabrechnungen, obligatorische Ruhetage nicht eingehalten. «Viele Angestellte warten zudem wochen- oder monatelang auf ihre Löhne, die verspätet, in Raten und in bar bezahlt werden.» Zudem sei mehreren Angestellten missbräuchlich fristlos gekündigt worden.
Laut der Gewerkschaft sind die Verstösse «systematisch», nicht zufällig. «Der Inhaber des Ristorante Vacanze Romane hat in den letzten Jahren schon mit vier verschiedenen Gastrobetrieben Konkurs angemeldet», schreibt die Unia weiter in der Mitteilung. Laut Unia-Regionalsekretär Giuseppe Reo sind die Zustände im Gastrobetrieb schockierend. Es bestehe die Gefahr, dass bei einem erneuten Konkurs die geschädigten Arbeitnehmenden am Ende mit leeren Händen dastehen.
Rea: «Wir fordern, dass die ausstehenden Löhne innerhalb einer Woche bezahlt werden. Und das Restaurant muss sofort ein Zeiterfassungssystem einführen, damit die Angestellten jederzeit überprüfen können, was ihnen für ihre Arbeit zusteht.» Er spricht von Verstössen, die sich auch gegen den Landes-Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes (L-GAV) richten.
Blick wollte auch die Sicht des angeprangerten Restaurantbetreibers einholen. Was er zu den in der Unia-Mitteilung gemachten Vorwürfen ehemaliger Angestellten zu sagen hat. Schweigen. Keine Erklärungen. Eine Antwort des Gastrobetriebs auf die Anfrage blieb bislang aus. Es gilt die Unschuldsvermutung, zumal die Gewerkschaft oder Ex-Angestellte keine Anzeige erstattet haben.
*Name geändert