Es geht nicht nur um die Sicherheit
Moderne Autos sind eine Datenfalle

Moderne Autos sind Datensammelmaschinen. Die Daten dienen aber nicht nur der Sicherheit oder der Bedienung – sie werden auch zu Geld gemacht. Zu viel Geld.
Publiziert: 06.12.2024 um 19:56 Uhr
Moderne vernetzte Autos sammeln viele Daten – die viel über uns preisgeben.
Foto: imago/Sven Simon

Auf einen Blick

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Florian Wüstholz
Florian Wüstholz
Beobachter

Machen Sie sich Sorgen, dass Ihr Smartphone zu viel über Sie weiss? Oder Facebook? Dann sollten Sie bei der nächsten Autofahrt ins Schwitzen kommen. Denn Autohersteller wie Skoda, VW oder Mercedes-Benz sind ebenso findige Datensammler. Unzählige im Fahrzeug verbaute Sensoren zeichnen auf, wie und wohin eine Person fährt und was sie dabei im Auto macht.

Sobald die Fahrerin einsteigt, registriert das vernetzte Auto, dass die Fahrertür geöffnet ist, jemand vorne links sitzt, die Innentemperatur bei 12 °C liegt, das Auto an der Eichenstrasse 23 steht und ein Lied der Death-Metal-Band Blood Incantation mit 98 Dezibel aus den Boxen dröhnt.

Bald sind vernetzte Autos Standard

Beginnt die Fahrt, werden weitere Daten aufgezeichnet: Geschwindigkeit, Drehzahl, Gang, Ölstand, Bremsverhalten, Blinkerbetätigung, Licht. Diese Informationen werden an die Server des Herstellers weitergeleitet, womit die Reise der Daten nicht endet: Viele werden an sogenannte Fahrzeugdaten-Hubs verkauft. Dort werden sie gebündelt, analysiert, verarbeitet und unter Umständen auf dem stetig wachsenden Markt für «Connected Vehicle»-Daten zu noch mehr Geld gemacht.

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Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Prognosen gehen davon aus, dass der Wert dieses Marktes bis 2030 bei bis zu 800 Milliarden US-Dollar liegen könnte. Bis dahin werden 19 von 20 verkauften Neuwagen vernetzt sein. Nebst Autoherstellern und Navigationsunternehmen interessiert das auch Versicherungen. Diese arbeiten schon heute mit «Bezahle, wie du fährst»-Modellen. Bei «Clever Drive» von Mobiliar oder «Drive Coach» von Smile wird «sicheres Fahren» belohnt – und dazu die Geschwindigkeit, das Bremsverhalten oder allfällige Ablenkung analysiert.

Datenschutz? Fehlanzeige!

Die vielen Daten sind dabei schlecht geschützt. «Autos sind in puncto Datenschutz die übelste Produktkategorie, die wir je geprüft haben», schreibt die kalifornische Stiftung Mozilla Foundation in einer Studie von 2023. Autos seien schlimmer als andere Produkte, die mit laschem Datenschutz und der Sammlung intimer Daten auftrumpfen, etwa Fitnesstracker, Dating-Apps oder Kinderspielzeug.

«Jede einzelne Automarke, die wir unter die Lupe genommen haben, sammelt mehr persönliche Daten als nötig und nutzt sie aus anderen Gründen als für den reinen Betrieb Ihres Fahrzeugs», so die Mozilla Foundation.

Untersucht wurden auch viele in der Schweiz beliebte Hersteller wie Kia, BMW, Audi, Honda, Lexus, VW oder Mercedes-Benz. Der Beobachter hat die meistverkauften Marken der Schweiz mit den Studienergebnissen konfrontiert. Der Tenor: Datenschutz habe bei allen einen «hohen Stellenwert».

«Der Kunde entscheidet selbst, welche Dienste er nutzen und welche Daten er weitergeben möchte», antwortet Mercedes-Benz. «Per Einwilligung am Handy, per Vertrag oder per Eingabe im Fahrzeug.» Zudem könnten die im Fahrzeug erfassten Daten keiner bestimmten Person zugeordnet werden.

Bei der VW Gruppe, zu der auch Skoda und Audi gehören, würden nur Daten erhoben, «auf deren Basis kundenrelevante Services und Produkte zur Verfügung gestellt» werden – und auch das nur mit «ausdrücklicher Einwilligung des Kunden».

Die genaue Auflistung der verarbeiteten Daten finde sich in der Datenschutzerklärung.

Widerspruch muss erlaubt sein

Eigentlich müssten Hersteller und Importeure «die Kundschaft über die Datenbearbeitungen, die in einem Fahrzeug erfolgen, informieren», erklärt Daniela Wittwer vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) dem Beobachter. «Dies geschieht in der Regel bei Vertragsabschluss mit dem Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Datenschutzerklärung.»

Erlaubt sei, Daten zu sammeln, «die für den sicheren Betrieb und die Wartung notwendig sind», sagt Wittwer. Allem, was darüber hinausgeht, dürften die Kunden widersprechen. «Für die Bearbeitung besonders schützenswerter oder profilbildender Personendaten muss die Einwilligung immer ausdrücklich erfolgen.»

Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, sieht diese Grundsätze nicht befolgt. «Die Transparenz, die eigentlich gewährleistet sein sollte, sehe ich nicht», kritisiert er.

Zudem sei beim Kauf eines Autos «normalerweise nicht verhandelbar», ob Personendaten bearbeitet werden – willigt man nämlich in die Datenbearbeitung nicht ein, seien viele wichtige und nützliche Funktionen eingeschränkt.

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