Er will seine Milliarde zurück
Ex-Regierungschef greift Credit Suisse an

Der betrügerische CS-Kundenberater Patrice Lescaudron wurde verurteilt – die Bank blieb unbehelligt. Eine neue Anzeige bringt Bewegung in den Fall. Diverse CS-Angestellte müssen vor dem Staatsanwalt erscheinen.
Publiziert: 28.11.2021 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2021 um 11:24 Uhr
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CS-CEO Thomas Gottstein wird die Altlasten nicht los.
Foto: Thomas Meier
Danny Schlumpf

Greensill, Archegos, Mosambik – die Credit-Suisse-Skandale reissen nicht ab. Jetzt gerät die Grossbank erneut unter Druck: Der ehemalige georgische Regierungschef Bidsina Iwanischwili (65) fordert eine strafrechtliche Verurteilung der Bank wegen Geldwäscherei.

Dabei hatte alles so harmonisch begonnen: Seit 2009 vertraute der georgische Milliardär sein Geld dem CS-Kundenberater Patrice Lescaudron (†57) an. Der verwaltete die Vermögen von Superreichen aus Osteuropa – so erfolgreich, dass er zum Starbanker wurde. Was Lescaudrons Kunden nicht wussten: Er steckte ihr Vermögen in hochriskante Anlagen, fälschte Dokumente und zweigte Geld in die eigene Tasche ab. Zwar schlug das bankinterne Überwachungssystem mehrere Hundert Male Alarm. Doch Lescaudrons kriminelles Treiben fand erst 2015 ein Ende.

Die betrogenen Kunden zogen vor Gericht – auch der Eisenerz-Oligarch Bidsina Iwanischwili, der von 2012 bis 2013 als georgischer Premierminister amtete. Lescaudron soll ihm rund eine Milliarde Franken Verlust eingebrockt haben. Iwanischwili reichte in Genf mehrere Strafanzeigen gegen den Kundenberater und die Bank ein.

Lescaudron wurde 2018 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wegen gewerbsmässigen Betrugs, schwerer Untreue, Misswirtschaft und Fälschung von Wertpapieren.

Credit Suisse wehrt sich

Und die Bank? Sie blieb bis heute unbehelligt. Der Fall liegt beim Genfer Staatsanwalt Yves Bertossa (47), der in dieser Sache seit fünf Jahren wenig unternimmt. Das habe vor allem mit dem Streit um den 2017 erstellten Finma-Report zum Fall Lescaudron zu tun, erklärt die Genfer Staatsanwaltschaft gegenüber SonntagsBlick. Tatsächlich wehrt sich die CS vehement gegen die Zulassung dieses im Auftrag der Finanzmarktaufsicht erstellten Berichts als Beweismittel im laufenden Verfahren.

Das tut die Bank aus nachvollziehbaren Gründen: Dem umfassenden Report zufolge verstiessen ein Dutzend Vorgesetzte von Lescaudron gegen Regeln, Richtlinien und Weisungen. Die Compliance, also die Regelbefolgung, habe nicht funktioniert. 2018 sprach die Finma deshalb eine scharfe Rüge an die CS aus: «Anstatt den Kundenberater wegen der Verstösse rechtzeitig und angemessen zu disziplinieren, honorierte ihn die Bank mit hohen Entschädigungen und positiven Mitarbeiterbeurteilungen.»

Iwanischwili bezichtigt CS der Geldwäscherei

Genau darauf will Iwanischwili hinaus: Er wirft der CS vor, durch Unterlassung mitverantwortlich für Lescaudrons Taten zu sein. Das tut der Ex-Premier schon seit Jahren – doch jetzt hat er nachgelegt: Anfang November reichten seine Genfer Anwälte eine zusätzliche Strafanzeige gegen die Credit Suisse wegen Geldwäscherei ein.

Warum gerade jetzt? «Weil die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft seit der ursprünglichen Anzeige gegen die Bank im Jahr 2016 praktisch keine Fortschritte erzielt haben», so die Juristen zu SonntagsBlick. Doch die Zeit dränge. Die Anwälte weiter: «Aufgrund der drohenden Verjährung sah sich Bidsina Iwanischwili gezwungen, die von der Credit Suisse begangene Geldwäsche durch eine gründliche Untersuchung der unbewilligten Transaktionen auf seinen Konten zu beweisen, was von der Genfer Staatsanwaltschaft bis anhin nicht unternommen wurde.»

Tatsächlich ist nun Bewegung in den Fall gekommen. Am letzten Donnerstag musste erstmals ein früherer Vorgesetzter Lescaudrons als Auskunftsperson vor Bertossa erscheinen. Weitere Anhörungen diverser CS-Angestellter folgen, wie die Genfer Staatsanwaltschaft bestätigt.

Auch der Druck auf eine Freigabe des Finma-Reports nimmt zu – und zwar von aussen: Lescaudron wickelte viele seiner kriminellen Geschäfte über den Lebensversicherer Credit Suisse Life mit Sitz auf den Bermudainseln ab. Dort hat der oberste Gerichtshof im September den Finma-Report als Beweismittel zugelassen.

Der Ausgang des Verfahrens hängt allerdings nicht nur davon ab. Auf Iwanischwili wartet noch eine grössere Hürde: Zwar wurde Lescaudron wegen diverser Vergehen verurteilt – nicht aber wegen Geldwäscherei. Und solange dieses Delikt nicht bewiesen ist, hängt auch der Vorwurf an die Bank, dafür mitverantwortlich zu sein, in der Luft.

Lescaudron handelte alleine

In der Schweiz wurde noch nie eine Bank strafrechtlich wegen Geldwäscherei verurteilt. Die Credit Suisse hat denn auch einen Vergleich mit Iwanischwili abgelehnt. Sie betont gegenüber SonntagsBlick: «Alle in dieser Sache seit 2015 durchgeführten Untersuchungen der Bank, der Finma und der Strafbehörden haben ergeben, dass der ehemalige Kundenberater bei seinen kriminellen Handlungen nicht von anderen Mitarbeitern unterstützt wurde. Im Gegenteil: Der Kundenberater wurde ohne Wissen der Bank über Jahre vom Kläger direkt bezahlt. Im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gegen den ehemaligen Kundenberater wurde dieser ausserdem nicht wegen Geldwäscherei verurteilt.»

Es gilt die Unschuldsvermutung. Eine Verurteilung der Bank hätte eine Busse von bis zu fünf Millionen Franken zur Folge – ein Klacks für die CS. Doch sollte es tatsächlich dazu kommen, will Iwanischwili Schadenersatz für seine verlorene Milliarde fordern. Dann steht deutlich mehr auf dem Spiel.

Präsident kündet Kursänderung an

Die Credit Suisse entliess nach den jüngsten Debakeln hochrangige Mitarbeiter und baute die Kontrollsysteme aus. Der neue Präsident António Horta-Osório (57) will eine neue Kultur einführen. Ist nun Schluss mit den Skandalen?

Mathias Binswanger (58), Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, zeigt sich skeptisch: «Der weitere Ausbau der Compliance-Abteilungen bedeutet lediglich mehr Bürokratie. Das ändert das bestehende System nicht, sondern dient seiner Rechtfertigung.» Kernproblem seien die üppigen Bonuszahlungen, sagt Binswanger: «Sie treiben die Risikolust weiter an. Solange diese Anreize bleiben, findet auch kein Wandel statt.»

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