Eliana Zamprogna (45), Technologie-Chefin der M-Industrie, über neue Protein-Produkte und Essenstrends
Die Erbse ist das nächste grosse Ding

In welcher Form nehmen wir in Zukunft Proteine zu uns? Irgendwann wird kultiviertes Fleisch in den Geschäften erhältlich sein. Aber zuvor kommt der Siegeszug der Kichererbse, sagt Eliana Zamprogna, Technologie-Chefin der M-Industrie.
Publiziert: 04.11.2019 um 06:55 Uhr
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Eliana Zamprogna (45) ist seit 2017 Technologie-Chefin der M-Industrie. Sie ist sicher, dass das heutige System der Lebensmittelproduktion nicht zukunftsfähig ist.
Foto: Philippe Rossier
Julia Fritsche

In der Welt des Essens dreht sich derzeit alles um Proteine. Auch bei Eliana Zamprogna (45). Als Technologie-Chefin der M-Industrie ist sie seit zwei Jahren mitverantwortlich dafür, was wir in Zukunft kaufen und essen. Und da ist Protein, also Eiweiss zentral.

Im Zentrum der aktuellen Entwicklungen und Forschungen aber stehen nicht die traditionellen Proteinlieferanten. «Nur mit Protein von Fleisch und Milch wird es bald knapp für alle», sagt Zamprogna im Gespräch mit BLICK. Denn die Weltbevölkerung wächst und wächst. Zudem werden wir immer älter und im Alter steigt der Eiweissbedarf.

Zuerst Kichererbsen, dann Fleisch aus Zellen

«Unser heutiges System der Lebensmittelproduktion ist nicht zukunftsfähig», erklärt die Technologie-Chefin. Auch die M-Industrie – der Supertanker der Migros mit einem Jahresumsatz von fast 6 Milliarden Franken – ist gefordert. Gefragt sind neue Proteinlieferanten.

In Kooperation mit zwei israelischen Start-ups setzt das Migros-Unternehmen dabei auf Kichererbsen und kultiviertes Fleisch. Mit letzterem Begriff bezeichnet man in der Branche Fleisch, das aus Tierzellen künstlich gezüchtet wird. Zamprogna vergleicht das mit der Joghurtproduktion. Es geht um Reaktoren und Zellstrukturen. «Mit der Tiermast und der anschliessenden Schlachtung hat das nichts mehr zu tun.»

Fleischersatz ist in aller Munde

Detailhändler räumen Fleischersatzprodukten vermehrt Platz in den Regalen ein. Insekten, Weizen oder Erbsen? Die Angebote wachsen. Am meisten Aufmerksamkeit erhält das US-Unternehmen Beyond Meat. Dessen Fleischersatz ist rein pflanzlich (Erbsenprotein), sieht aber aus wie ein gewöhnliches Hack-Tätschli aus dem Betty-Bossi-Kochbuch. In der Schweiz erhältlich etwa bei Coop. An Beyond Meat beteiligt sind unter anderem Bill Gates (64) und der Schauspieler Leonardo DiCaprio (44). Viel genannt und ebenfalls bei Coop erhältlich ist auch der vegane «Incredible Burger» des Genfer Lebensmittelmultis Nestlé. Hergestellt ist er zu 100 Prozent aus pflanzlichen Zutaten – aus einem Mix aus Soja, Weizen, Randen und Karotten, abgeschmeckt mit Algen und einer Prise Paprika. Sogar die Fastfood-Kette McDonalds hat Geschmack daran gefunden. Nicht Rind-, sondern Huhnersatz: Das Zürcher Startup Planted stellt tierfreies «Fleisch» her. Anstelle von geschlachteten Hühnern werden Pflanzen verwendet. Ulrich Rotzinger

Detailhändler räumen Fleischersatzprodukten vermehrt Platz in den Regalen ein. Insekten, Weizen oder Erbsen? Die Angebote wachsen. Am meisten Aufmerksamkeit erhält das US-Unternehmen Beyond Meat. Dessen Fleischersatz ist rein pflanzlich (Erbsenprotein), sieht aber aus wie ein gewöhnliches Hack-Tätschli aus dem Betty-Bossi-Kochbuch. In der Schweiz erhältlich etwa bei Coop. An Beyond Meat beteiligt sind unter anderem Bill Gates (64) und der Schauspieler Leonardo DiCaprio (44). Viel genannt und ebenfalls bei Coop erhältlich ist auch der vegane «Incredible Burger» des Genfer Lebensmittelmultis Nestlé. Hergestellt ist er zu 100 Prozent aus pflanzlichen Zutaten – aus einem Mix aus Soja, Weizen, Randen und Karotten, abgeschmeckt mit Algen und einer Prise Paprika. Sogar die Fastfood-Kette McDonalds hat Geschmack daran gefunden. Nicht Rind-, sondern Huhnersatz: Das Zürcher Startup Planted stellt tierfreies «Fleisch» her. Anstelle von geschlachteten Hühnern werden Pflanzen verwendet. Ulrich Rotzinger

Im Migros-Regal stehen (noch) keine Produkte auf Basis der Forschung der beiden. Lange soll es aber nicht mehr dauern, stellt Zamprogna in Aussicht. «Wir sind auf Prototyp-Niveau. Jetzt geht es darum, Produkte auch im grossen Massstab produzieren zu können.»

Früher kauften nur Allergiker

Klar ist, als erstes werden Milchalternativ-Produkte auf Basis von Kichererbsen in den Verkauf kommen. Partner für die Kichererbsen-Revolution ist Innovopro. In Israel will das Startup noch dieses Jahr einen Milchdrink lancieren.

Dass Milchprodukte den Anfang machen, ist kein Zufall. Hier ist die Kundenakzeptanz besonders gross. Wer regelmässig bei Grossverteilern wie Migros und Coop, aber auch bei den Discountern einkauft, merkt das daran, dass die Regale mit Soja-, Hafer- oder Mandelmilch oder -joghurt stetig wachsen.

Aber das war nicht immer so, sagt Zamprogna. Der Anfang sei auch da schwer gewesen. «Es gab nur Sojamilch und die war geschmacklich nicht besonders gut. Nur Allergiker kauften das», erinnert sie sich. «Doch mit immer mehr Produkten hat sich auch die Qualität massiv verbessert.» Gewachsen ist auch die Kundengruppe. 14 Prozent der Schweizer ernähren sich vegetarisch oder vegan. Das zeigt eine Demoscope-Studie im Auftrag der Vereinigung Swissveg von 2017. Inzwischen dürften es wegen der Klima-Diskussion noch mehr sein.

Grosse Verbesserung mit Kichererbsen

Das perfekte Produkt gibt es aber auch bei Sojamilch und Co. noch nicht. «Sie schmeckt gut, schäumt gut, lässt sich gut verarbeiten. Aber inhaltlich ist sie noch weit weg von richtiger Milch. Da liegen Welten dazwischen, was den Nahrungswert betrifft.» Mit Kichererbsen und ihrem hohen Proteingehalt soll hier ein Sprung vorwärts gelingen.

«Wir machen ständig Schritte oder auch Schrittchen vorwärts. Das Ziel ist aber nicht erreicht», sagt Zamprogna und tönt dabei keineswegs entmutigt. Im Gegenteil, der «Platz für Innovation», wie sie es nennt, treibt die Chemie-Ingenieurin weiter an.

Pflanzenburger hinken Milchprodukten noch hinterher

Noch einen langen Weg vor sich hat kultiviertes Fleisch. Auch wenn Migros-Kooperationspartner Aleph Farms vor Kurzem vermeldet hat, dass es gelungen sei, auf der Weltraumstation ISS ein Stückchen Muskelfleisch herzustellen. Die Wartezeit gehört den pflanzenbasierten Produkten, wie sie Nestlé oder die US-Firma Beyond Meat anbieten. «Bei Fleischersatz-Produkten auf pflanzlicher Basis wie Soja stehen wir heute da, wo wir beim Milchersatz vor einigen Jahren standen», sagt Zamprogna zum Entwicklungsstand.

Das Migros-Industrie-Imperium

Zu M-Industrie gehören 23 Unternehmen im Inland und neun im Ausland. Dazu kooperiert die Gruppe mit Firmen wie den beiden israelischen Startups Aleph Farms und Innovopro. Die Industriegruppe produziert Eigenmarken-Produkte für die Migros, aber auch für ausländische Unternehmen.

Das Sortiment reicht von Fleisch aus dem Hause Micarna, Krustenkränzen und Teigwaren von Jowa über Ravioli von Bischofszell bis zu Sonnencremes von Mibelle. Dazu betreibt M-Industrie Handelsplattformen in acht Ländern.

Die Migros-Unternehmen beschäftigen rund 14'000 Mitarbeiter. 2018 erarbeiteten sie gesamthaft einen Umsatz von 5,8 Milliarden Franken – 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Grund für den Rückgang war der Verkauf des Abholgrosshändlers CCA. Zweistellig legte die M-Industrie im Ausland zu. Dazu trugen laut Unternehmen besonders die Sortimente Kosmetik, Kaffeekapseln, Schokolade und Käse bei.

Zu M-Industrie gehören 23 Unternehmen im Inland und neun im Ausland. Dazu kooperiert die Gruppe mit Firmen wie den beiden israelischen Startups Aleph Farms und Innovopro. Die Industriegruppe produziert Eigenmarken-Produkte für die Migros, aber auch für ausländische Unternehmen.

Das Sortiment reicht von Fleisch aus dem Hause Micarna, Krustenkränzen und Teigwaren von Jowa über Ravioli von Bischofszell bis zu Sonnencremes von Mibelle. Dazu betreibt M-Industrie Handelsplattformen in acht Ländern.

Die Migros-Unternehmen beschäftigen rund 14'000 Mitarbeiter. 2018 erarbeiteten sie gesamthaft einen Umsatz von 5,8 Milliarden Franken – 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Grund für den Rückgang war der Verkauf des Abholgrosshändlers CCA. Zweistellig legte die M-Industrie im Ausland zu. Dazu trugen laut Unternehmen besonders die Sortimente Kosmetik, Kaffeekapseln, Schokolade und Käse bei.

Es gibt also noch viel Luft nach oben beim Inhalt. Das sehen auch Ernährungsexperten so, die vegane Fertigprodukte kritisieren. Das Problem: Viele Ersatzprodukte sind heute stark verarbeitet und beinhalten viele Zusatzstoffe. Oder sie haben einen hohen Zucker-, Salz- oder Fettgehalt. Gesund ist das nicht unbedingt.

Ohne Kundenakzeptanz keine Protein-Revolution

Welche Wellen die Protein-Revolution schlägt, hängt neben der Technologie auch von der Kundenakzeptanz ab. Denn was die M-Industrie entwickelt, das muss die Migros auch verkaufen können. Sonst geht die Rechnung nicht auf.

«Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft kultiviertes Rindsfilet neben natürlichem im Kühlregal sehen werden», bekräftigt Zamprogna. Was sie kaufen würde, will sie nicht verraten. Ihre Kinder, ist sie sich aber sicher, würden das neuartige Kulturfleisch wählen.

Frauen in der Wirtschaft

Mit Ursula Nold (50) steht bei der Migros zwar seit diesem Jahr erstmals eine Frau ganz oben an der Spitze. Ansonsten sind Chefinnen beim orangen Riesen und in der Schweizer Wirtschaftswelt aber weiterhin in der Minderheit. Gemäss dem neuesten Schilling-Report liegt der Frauenanteil im Top-Management bei nur 16 Prozent, in Geschäftsleitungen sogar bei nur zehn Prozent.

Ein einfaches Rezept, wie der Frauenanteil erhöht werden könnte, hat auch Top-Frau Eliana Zamprogna (45) nicht. Sie glaubt generell an pragmatische Ansätze. «Es gibt in jeder Firma viele strategische und spannende Posten, die auch von Frauen besetzt werden können», so die Technologie-Chefin von M-Industrie. Das müssten Firmen aber noch besser kommunizieren.

Mit Ursula Nold (50) steht bei der Migros zwar seit diesem Jahr erstmals eine Frau ganz oben an der Spitze. Ansonsten sind Chefinnen beim orangen Riesen und in der Schweizer Wirtschaftswelt aber weiterhin in der Minderheit. Gemäss dem neuesten Schilling-Report liegt der Frauenanteil im Top-Management bei nur 16 Prozent, in Geschäftsleitungen sogar bei nur zehn Prozent.

Ein einfaches Rezept, wie der Frauenanteil erhöht werden könnte, hat auch Top-Frau Eliana Zamprogna (45) nicht. Sie glaubt generell an pragmatische Ansätze. «Es gibt in jeder Firma viele strategische und spannende Posten, die auch von Frauen besetzt werden können», so die Technologie-Chefin von M-Industrie. Das müssten Firmen aber noch besser kommunizieren.

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