Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine hat den Schweizer Konzern Nestlé auf eine Liste von internationalen Kriegssponsoren gesetzt. «Nestlé ist weiterhin in Russland aktiv und fördert damit die Aggression gegen die Ukraine», sagt Oleksandr Nowikow (41), der oberste Korruptionsbekämpfer in Kiew. Laut ukrainischen Angaben unterhält Nestlé in Russland sieben Fabriken und beschäftigt dort 7000 Menschen.
Gegenüber SonntagsBlick wirft Nowikow dem Konzern Nestlé Doppelmoral vor. «Nestlé hat versprochen, nur lebenswichtige Güter in Russland zu verkaufen. Dabei verkauft Nestlé nach wie vor Schokolade in Russland und schickt sogar technische Ausrüstung, um sein Russland-Geschäft weiterzuentwickeln.» Der Schweizer Konzern trage so dazu bei, «die russische Wirtschaft am Laufen zu halten und den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren».
2021 habe Nestlé 25 Millionen Dollar an Steuern an den Kreml bezahlt, rechnet Nowikow vor. «Für das Jahr 2022 liegen keine Finanzdaten vor. Nestlé schweigt bewusst zu diesen Zahlen.»
Nestlé schweigt
Nestlé will sich gegenüber SonntagsBlick zu Nowikows Vorwürfen nicht äussern und verweist auf eine allgemeine Erklärung: «Wir haben die Lieferung der meisten Produkte aus unserem vor dem Krieg bestehenden Portfolio in Russland ausgesetzt.» Der Konzern habe die Werbung in Russland eingestellt, Investitionen ausgesetzt und halte sich an «alle geltenden internationalen Sanktionen gegen Russland».
Nestlé ist nicht das einzige Schweizer Unternehmen, das auf der Liste der internationalen Kriegssponsoren steht. Auch der in Genf ansässige Konzern Japan Tobacco International (JTI) ist dort zu finden. «JTI ist der grösste Investor und führende Steuerzahler in der russischen Tabakindustrie», kritisiert Nowikow. Laut Analysen der Kiewer School of Economics und der NGO B4Ukraine zahlte JTI «mindestens 193 Millionen Dollar Steuern» an den russischen Fiskus.
Russland-Geschäft in der Kritik
Manche Konzerne zögern, sich aus Russland zurückzuziehen, weil Putins Vasallen sich dort alles unter den Nagel reissen und das Geschäft nahezu nahtlos weitergeht. Nowikow will dieses Argument nicht gelten lassen: «Wenn sich ein Unternehmen zurückzieht, dann verliert Russland Wissen, Technologien und Unternehmensstandards. So wird die russische Zivilgesellschaft wachgerüttelt.»
Als Beispiel nennt Nowikow den Rückzug von McDonald’s aus Russland. Zwar gebe es nun die russische Fast-Food-Kette namens «Vkusno i tochka», diese sei aber nicht mit dem US-Original vergleichbar: «Die Russen haben sofort eine Verschlechterung gemerkt. Sie haben sich über die unhygienischen Bedingungen und die stark reduzierte Speisekarte beschwert», behauptet Nowikow. Der Ukrainer ist überzeugt: «Schweizer Unternehmen dulden durch ihr Russland-Geschäft Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Schweiz, die für ihre humanitäre Tradition bekannt ist, sollte nicht ihre eigenen Werte verletzen.»