Wenn Hanny Weissmüller (47) den Führerstand einer Lokomotive betritt, strahlt sie wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal vor seiner Modelleisenbahn steht. Als 40-Jährige hat sie in ihrem Berufsleben die Weichen noch einmal komplett neu gestellt – und arbeitet seit sieben Jahren in ihrem Traumberuf, als Lokomotivführerin. Eine der letzten Männerdomänen. Auf 96 Lokführer kommen nur vier Lokführerinnen.
Da fällt eine Frau als neue Präsidentin des Lokomotivpersonals in der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) natürlich auf. Ziel von Weissmüller ist denn auch, den Beruf attraktiver für Frauen zu machen. Das gelinge nur mit einem Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben für alle. So will sie auch den aktuellen Mangel an Lokführern bekämpfen, der dazu führt, dass täglich 200 Züge ausfallen.
«Müssen den Beruf attraktiver machen»
«Unser Beruf muss weiblicher werden!», fordert sie in einer Medienmitteilung des SEV. «Um ein Gleichgewicht in den Teams zu schaffen. Alles ist sehr männlich und von Männern für Männer gedacht. Das führt schon zu Problemen bei Pausen und beim Zugang zu Toiletten. Wir verlangen Massnahmen, die letztlich auch den Männern Verbesserungen bringen. Und so sind auch sie zufrieden!», sagt sie. Letztlich müssten auch die Löhne steigen. «Wir müssen den Beruf attraktiver machen.»
Für Weissmüller war Lokomotivführerin schon immer der Traumberuf. «Schon mein Grossvater stellte Transformatoren für Lokomotiven her. Und mein Vater erzählte mir von seiner Arbeit und seinen Begegnungen mit den Lokführern. Ich wollte unbedingt auf eine Lok, in den Führerstand», erzählt sie. Ihr Vater, Lok-Ingenieur bei Brown Boveri, riet ihr aber davon ab.
Eines Morgens machte es Klick
Weissmüller lernt in Genf Französisch, wird Programmiererin und leitet eine Pensionskasse. Später kommen noch ein Abschluss als Erwachsenenbildnerin und eine Ausbildung als Wirtschaftsmediatorin dazu – und vier Kinder. Mit ihrem Chef, SBB-CEO Vincent Ducrot (58), und seinen fünf Kindern könnte sie fast drei Zugabteile füllen!
Mit 40 Jahren dann macht es plötzlich Klick. «Wieso mache ich nicht das, was ich wirklich schon immer wollte?», fragt sich Weissmüller eines Morgens. Und meldet sich noch am gleichen Tag für die Ausbildung zur Lokführerin an.
«Das männliche Gehabe ist peinlich»
Sieben Jahre später versteht sie sich auch als Gewerkschafterin. «Ich bin empfindlich auf Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen. Das männliche Gehabe ist peinlich, sowohl in der Hierarchie als auch unter Kollegen», sagt sie.
Eisenbahn-Machos nimmt sie den Wind aus den Segeln. «Ich habe mir gesagt, wenn es so viele Männer als Lokführer hat, dann muss das ein einfacher Beruf sein!», sagt sie und lacht.