Auf einen Blick
2024 geht zu Ende. Es wird in Erinnerung bleiben als ein Jahr voller Konflikte und politischer Krisen – und mit Donald Trump als grossem Sieger. Für die Wirtschaft war es ein zweischneidiges Jahr. Der Post-Corona-Boom ist definitiv Geschichte, vielerorts harzt es mit der Konjunktur, und die Arbeitslosenquoten sind gestiegen, dafür hat die Inflation nachgelassen. Fallende Zinsen sind die logische Konsequenz.
Das Jahr der Zinswende
Drehte sich bei den Notenbanken in den Jahren zuvor alles um Inflation und eine straffe Geldpolitik, stand 2024 ganz im Zeichen von Zinssenkungen. In den meisten Industrieländern und auch in etlichen Schwellenländern haben die Zentralbanken die Zügel gelockert. Prominente Ausnahme ist die Bank of Japan, die die Leitzinsen als letzte grosse Notenbank angehoben hat.
Besonders eindrücklich war die Zinswende in der Schweiz. Die meisten Expertinnen und Ökonomen – auch wir von der «Handelszeitung» – haben vor einem Jahr mit einer oder zwei SNB-Zinssenkungen gerechnet. Dass der Leitzins aber gleich um insgesamt 1,25 Prozentpunkt auf 0,5 Prozent gesenkt würde, das hat kaum jemand so kommen sehen.
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Das Jahr des US-Dollars
Eine Folge des Zinssenkungswettlaufs ist die Aufwertung der US-Valuta. Da die US-Zentralbank Fed wegen der anhaltend starken Konjunktur und der höheren Inflationsgefahr im Land die Zinsen nur zögerlich senkt, ist das Zinsniveau in den USA viel höher als in Europa und China – und wird es auch noch lange bleiben. Das macht den Dollar und Dollar-Wertpapiere zur attraktiven Anlage.
Er ist gemessen am Index der wichtigsten Handelswährungen auf den höchsten Stand seit November 2022 gestiegen. Auch der Franken sieht gegenüber dem Greenback alt aus. Der Preis des Dollars in Franken ist im Jahresverlauf von 0.84 auf 0.90 Franken gestiegen.
Keine andere grosse Währung hat sich gegenüber dem Franken so stark aufgewertet.
KI-Börseneuphorie und Kryptomanie
Die Zinswende nach unten und der starke Dollar waren auch für die Finanzmärkte tonangebend. Denn mit tieferen Zinsen steigt der Gegenwartswert zukünftiger Cashflows, was sich in höheren Bewertungen von Obligationen, Aktien und Immobilien manifestiert. Auch der Goldpreis hat vom Zinsrückgang profitiert, weil dadurch der Nachteil verschwindet, dass das Edelmetall keine Zinsen abwirft. In Franken ist Gold um mehr als einen Drittel gestiegen – es ist damit das beste Goldjahr seit 1979.
Angefacht von den hohen Erwartungen an die Tech-Branche und von den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz haben US-Aktien die grössten Kursgewinne zu verzeichnen. Beigetragen haben auch die massiven Aktienrückkäufe der Unternehmen. Laut Goldman Sachs haben US-Unternehmen 930 Milliarden Dollar eigene Aktien zurückgekauft – so viel wie noch nie.
Schweizer Aktien hatten dieses Jahr das Nachsehen, weil die Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis allesamt enttäuschten.
Überflügelt wurden US-Aktien und Gold nur von den Kryptowährungen. Bitcoin und Co. hatten ihre zwei Momente: im Frühling, als sich die Zulassung des Spot-ETF in den USA abzeichnete, und im Herbst, als der Kryptobefürworter Donald Trump die US-Wahlen für sich entschied.
Lonza deklassiert Kühne
Die schwache Performance des gesamten Markts in der Schweiz verdeckt die vielen Perlen, die den Anlegerinnen und Anlegern starke Renditen gebracht haben. Dazu gehören allen voran die Titel des Pharmaherstellers Lonza und des Rückversicherers Swiss Re. Sie haben rund 50 Prozent zugelegt. Dahinter folgen die Industriefirma ABB und der Zementkonzern Holcim.
Enttäuschend verlief das Jahr dagegen für die Aktionärinnen und Aktionäre von Sika, Nestlé und Kühne + Nagel.
Die Schweiz mischt bei grossen IPOs mit
Der Zinsanstieg von 2022 hinterliess an den Kapitalmärkten tiefe Spuren. Börsenpläne wurden auf Eis gelegt oder gestrichen. Letztes Jahr hat eine Erholung eingesetzt, aber die Zahl der Börsengänge und die dadurch eingebrachten Geldsummen bleiben weit unter dem Niveau von 2020 und 2021 zurück.
2024 wurden weltweit über 1200 Unternehmen an die Börsen gebracht. Insgesamt wurden damit 121,2 Milliarden Dollar eingenommen. Damit liegt das IPO-Jahr 2024 sowohl anzahl- als auch volumenmässig jedoch leicht unter dem Vorjahr. Das hängt in erster Linie mit dem Rückgang der Kapitalmarktaktivitäten in China zusammen. In den USA, in Europa und vor allem in Indien wurde hingegen mehr Kapital über die Börse beschafft als 2023.
Das grösste IPO war jenes des US-Logistikunternehmens Lineage. Mit dem Börsengang des auf Dermatologie spezialisierten Pharmaunternehmens Galderma ist auch ein Schweizer Unternehmen unter den Top fünf vertreten. Ein Kapitalgrossereignis aus Schweizer Sicht war auch die Abspaltung des Telekom-Anbieters Sunrise vom Mutterhaus Liberty Global. Der Neuzugang an der Schweizer Börse bringt einen Marktwert von 2,9 Milliarden Franken auf die Waage.
Und nächstes Jahr? Die Belebung des IPO-Geschäfts geht weiter, da sind sich die Analystinnen und Kommentatoren einig. Die fallenden Zinsen beleben das Geschäft, und Trumps unternehmensfreundliche Steuerpolitik sorgt bei Corporate America für gute Stimmung.
Bereit für den Börsengang steht zum Beispiel der schwedische Zahlungsanbieter Klarna. Ebenfalls immer wieder als Börsenkandidaten genannt werden der US-Tech-Dienstleister Stripe und der chinesische Modehändler Shein.