Eigentlich befindet sich die Konsumentenstimmung in der Schweiz seit längerem auf relativ tiefem Niveau. Die unsichere politische und wirtschaftliche Lage drückt auf den Konsum. Die hiesigen Einkaufszentren spüren davon aber wenig – im Gegenteil. So verzeichnet ein Grossteil der Schweizer Konsumtempel fürs letzte Jahr einen deutlichen Anstieg bei Umsatz und Besucherfrequenz, wie aus einer am Donnerstag publizierten Studie hervorgeht. Konkret handelt es sich um den Swiss Council Marktreport 2024 der Branchen-Vereinigung Swiss Council of Shopping Places. Es ist also ein Papier aus der eigenen Szene.
Die Zahlen aus der Befragung von total 27 Schweizer Shoppingcentern deuten auf eine klare Tendenz hin. Die auch schon als veraltet verschrienen Einkaufszentren erleben gerade den zweiten Frühling. Fast zwei Drittel von ihnen konnten 2023 ihren Umsatz und das Besucherniveau gegenüber dem Vorjahr steigern. Nur 15 Prozent setzten hingegen weniger um. Und bloss 7 Prozent erlebten einen Rückgang bei der Kundenfrequenz. Besonders gut läuft es laut dem Report bei den klassischen Nahversorgungszentren mit einer Verkaufsfläche zwischen 5000 und 10'000 Quadratmetern.
«Spendertainment» sorgt für Konsumtempel-Comeback
Zum neuen Glanz hat einerseits beigetragen, dass sich die Lage nach der Pandemie wieder normalisiert und der stationäre Handel wieder an Beliebtheit gewonnen hat. Andererseits haben auch die Einkaufszentren selbst ihr Comeback lanciert, wie der Studienautor Marcel Stoffel (60) sagt: «Viele Shoppingcenter haben massiv in die Aufenthaltsqualität und den Angebotsmix investiert.» Die Konsumtempel haben am Einkaufserlebnis gearbeitet. Die Erfolgsformel: ein auf die Kundenbedürfnisse abgestimmtes Angebot an Läden, vermengt mit einer angenehmen Atmosphäre vor Ort.
«Das oberste Ziel muss es sein, die Besucher in eine positive Stimmung zu versetzen», so der Detailhandelsexperte. Als «Spendertainment» bezeichnet er den Erfolgsmix aus Konsumieren und Geldausgeben (spend) sowie Unterhaltung (entertainment). Das sieht zum Beispiel so aus: Während Mama im Sportgeschäft nach neuen Jogginghosen stöbert und Papa die Zutaten für den Znacht einkauft, hören die Kinder im Einkaufszentrum dem engagierten Liedermacher zu. Ein Rundumpaket für alle Bedürfnisse. «Die Kunden müssen einen Mehrwert erkennen, damit sie in ein Einkaufszentrum gehen», betont Stoffel.
Shoppingcenter-Sterben ist nicht zu erwarten
Insgesamt gibt es hierzulande 195 Einkaufszentren. Dazu zählen auch das Airport Shopping am Flughafen Zürich sowie die fünf grossen Einkaufsmeilen in den Bahnhöfen von Basel, Bern, Genf, Luzern und am Hauptbahnhof in Zürich. Damit weist die Schweiz gemäss Report eine vergleichsweise hohe Dichte auf. Grosse Schwankungen in der Anzahl Konsumtempel erwartet Stoffel in nächster Zeit nicht: «Ich sehe keine Tendenz, die auf ein Sterben der Einkaufszentren hindeutet. Aber neu entstehende Center erwarte ich auch nicht.»
Laut Schätzungen tragen die knapp 200 Shoppingcenter rund 19 Prozent zum Schweizer Detailhandelsumsatz bei. Für 2023 weist der Report einen Gesamtumsatz von 103,5 Milliarden Franken aus. Die Einkaufszentren erwirtschafteten gemeinsam also rund 20 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Der Online-Handel kam letztes Jahr auf «nur» 12,2 Milliarden Franken.