In Corona-Zeiten kurbelt frisches Geld die Not leidende Wirtschaft an – auch in der Schweiz. Aber woher kommen eigentlich die Millionen, die uns Politiker so grosszügig bereitstellen? Und wer muss dafür zahlen? Bei der Antwort sind sich die Ökonomen einig: unsere Kinder.
«Eine solche Krise ist wie ein Krieg. Man muss die Schulden strecken, damit alle Generationen gleichmässig betroffen sind», sagt Professor Christian Keuschnigg (61) von der Universität St. Gallen, der auf Wirtschaftspolitik spezialisiert ist. «Wir können nicht vermeiden, zukünftige Generationen zu belasten.»
Wie hoch ist der Schaden?
Die Corona-Pandemie verursacht ein finanzielles Desaster. Experten vergleichen sie mit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Die Politiker reagieren: Weltweit haben sie Tausende Milliarden Dollar an Nothilfen für die Wirtschaft bereitgestellt.
Auch die Schweiz bewilligte 57 Milliarden Franken an Notkrediten.
Aber ist das überhaupt verantwortlich? Und woher kommt das Geld?
Das Geld wird hauptsächlich durch Schulden und Ersparnisse aufgebracht.
Ersparnisse: Der Bund schloss letztes Jahr noch mit einem ordentlichen Finanzierungsüberschuss von 3,1 Milliarden ab. Doch das finanzielle Polster reicht bei weitem nicht, um das Land aus der Krise zu bringen. Neue Schulden sollen das alte System retten.
Schulden: Alle Regierungen verkaufen Staatsanleihen am Kapitalmarkt und nehmen so Geld ein. Für Investoren, die langfristig ihr Geld anlegen wollen, sind Schweizer Staatsschuldentitel eine interessante Sache. Und das, obwohl Gläubiger dabei draufzahlen: Wegen der Negativzinsen leihen Investoren der Schweiz Geld und bezahlen auch noch Zinsen dafür. Eigentlich sollte es umgekehrt sein. Der Schuldner zahlt für seine Schulden Zinsen. Aber weil die Schweiz als so sicher und zuverlässig gilt, bringen die Leute ihr Geld trotzdem hier unter.
Wie hoch ist die Verschuldung?
Laut Finanzminister Ueli Maurer dürfte der Bund wegen Corona bis Ende Jahr ein Defizit von bis zu 50 Milliarden Franken angehäuft haben. Wie hoch der Schaden dann insgesamt mit Neuverschuldung und Steuerausfällen sein wird, will der Bund jetzt noch nicht angeben.
Experten aber beruhigen. Die Schweiz ist gut aufgestellt. Selbst wenn sie den Schuldenberg verdoppeln würde, wäre das nicht so schlimm. Man liege dann immer noch unter der Verschuldungsgrenze der Maastricht-Kriterien. Die gelten zwar nur in der Europäischen Union, aber die Schweiz orientiert sich trotzdem daran.
«Wenn wir jetzt die Staatsverschuldung von etwa 30 Prozent auf 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts hochschrauben, ist das okay», so Ökonom Keuschnigg. «Davon können viele europäische Länder nur träumen.»
Schweiz ist abhängig von anderen Ländern
Derzeit liegt die Verschuldung der Schweiz bei 54,8 Milliarden Franken Nettoschulden. Nettoschulden sind definiert als Bruttoschulden abzüglich Finanzvermögen. Die Schweizer Staatsschuld entspricht so knapp 26,9 Prozent des BIP. Jene der 28 EU-Staaten liegt durchschnittlich bei über 86,7 Prozent.
Trotzdem: Wenn es rundum kracht und der Wohlstand zurückgeht, schwappt das auch auf die Schweiz über. «Nur weil die Schweiz gut wirtschaftet, heisst es nicht, dass es rund läuft», so Reto Föllmi (44), Professor für internationale Ökonomie an der Universität St. Gallen. Die Schweiz sei stark vom internationalen Markt abhängig. «Eine Erholung und somit der schnellere und leichtere Abbau der Schulden hängt auch von der internationalen Situation ab.»
Wie wird das Geld zurückbezahlt?
Die Schulden und die Massnahmen für die Kurzarbeit müssen wieder zurückbezahlt werden. Es gibt zwei Wege, Schulden abzubauen. Bei beiden Wegen lastet die Schuld langfristig auf den Jüngeren.
Bei einem ersten Weg setzt der Staat auf die Entwertung des Geldes. So sinkt zwar der Schuldenberg, aber auch das Ersparte von Herrn und Frau Schweizer. Das nennt man dann Inflation. Inflation wird meist durch eine expansive Geldpolitik eingeleitet. Sprich, man druckt einfach neues Geld.
Der zweite Weg ist eine Erhöhung der Steuern. «Hier muss man aufpassen, dass man Unternehmen und Bürger nicht zu stark belastet und so den wirtschaftlichen Aufschwung abbremst», so Föllmi.
Was kostet der Lockdown?
Nach dem Lockdown muss es nun schnell wieder bergauf gehen, damit bald wieder Geld in die Staatskasse kommt. «Ohne Wirtschaftswachstum ist unser System gefährdet», sagt Keuschnigg. «Jeder Tag kostet Unsummen.»
Uneinigkeit besteht unter Experten, ob der Lockdown so lange hätte dauern müssen. «Ende März war bereits zu beobachten, dass die Infektionsrate stark zurückgegangen ist», so Tobias Straumann (53), Wirtschaftshistoriker an der Uni Zürich. «Spätestens am 20. April hätte man öffnen können. Wir haben drei Wochen verloren, die sehr kostspielig waren.»
Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) wird dieses Jahr ein sehr starker Rückgang des Bruttoinlandprodukts erwartet. Auch 2021 dürfte sich die Wirtschaft nur langsam erholen. Ein Tag im Lockdown war teuer: Laut Seco beliefen sich die Kosten auf 500 Millionen Franken pro Tag. Viel Geld, das später zurückgezahlt werden muss.