Auf einen Blick
Es sind stürmische Zeiten für das junge Unternehmerehepaar Madeleine und Alexander Hübner. Von einem Tag auf den anderen konnten die beiden nicht mehr über ihre Geschäftskonten verfügen. Auch ihre Privatkonten wurden gesperrt. Für das Ehepaar, das mit kleinen Kindern im Tessin lebt, bedeutet das einen massiven Eingriff.
Verhängt hat die Sperren die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) beziehungsweise ein von ihr eingesetzter «Untersuchungsbeauftragter». Dem Zürcher Anwalt Thomas Leder, so der Name des Mannes, eile der Ruf eines «Killer of Finma» voraus, schrieb das Branchenportal Inside Paradeplatz.
Die Hübners beschäftigen sich seit 2017 als Quereinsteiger mit Vermietungen. Unter dem Label Le Bijou betreiben sie eine Art Luxus-Airbnb mit Dutzenden Wohnungen in Schweizer Städten. Später bauten sie das Investorennetzwerk Moonshot mit auf, einen Klub vermögender Privatpersonen, die gemeinsam in Start-ups investieren. Mittels sogenannter Tracker-Zertifikate können qualifizierte Anleger in SpaceX von Elon Musk oder in die revolutionäre Schweizer Solarbrennstofffirma Synhelion investieren.
Heikles Firmengeflecht
Im Lauf der Jahre entstanden so insgesamt zehn Unternehmen, die miteinander verbunden sind. Für den Aufbau waren die Hübners auf Finanzierung von aussen angewiesen. Dabei gingen sie zweigleisig vor: Zum einen verkauften sie Anteile an den Gesellschaften, welche die Luxusappartements betrieben. Zum anderen nahmen sie Schulden über Anleihen auf.
Wer auf diese Weise Geld einsammelt, muss aufpassen, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Eine Herausforderung ist, nur Gelder von qualifizierten Anlegern entgegenzunehmen und nicht von Kleinanlegern, die besser durch das Gesetz geschützt sind. Das müssen auch Madeleine und Alexander Hübner gewusst haben. Das Ehepaar darf sich nicht dazu äussern, denn die Finma hat ihnen und allen anderen Angestellten des Firmengeflechts einen Maulkorb verpasst.
Klar ist: Sie liessen sich von der Zürcher Topwirtschaftskanzlei MLL (Meyerlustenberger Lachenal Froriep) beraten. Anwalt Mark Montanari baute die nötigen Strukturen auf und nahm Kontakt mit der Finma auf. Dies zeigen Dokumente und Korrespondenzen, die Blick vorliegen. Eines der Schreiben datiert vom 1. November 2018. Es handelt sich um ein sogenanntes Nichtunterstellungsgesuch an die Finma im Zusammenhang mit einer Le-Bijou-Gesellschaft.
Das achtseitige Dokument beschreibt die Geschäftsidee der Wohnungsvermietung sowie die Finanzierung durch den Verkauf von Aktien an Investoren im Detail. Am Schluss wird die Finma gebeten, zu prüfen, ob dieses Vorhaben dem Kollektivanlagengesetz (KAG) oder anderen Finanzmarktgesetzen unterstellt sei.
Am 8. Mai 2019 teilte die Aufsichtsbehörde mit, dass die beschriebene Tätigkeit nicht in den Geltungsbereich des KAG falle. Auch seien «keine sonstigen finanzmarktrechtlichen Anknüpfungspunkte ersichtlich». Für ihre rechtskräftige Verfügung stellte die Finma 3000 Franken in Rechnung.
Eklat fünf Jahre nach Finma-Plazet
Fünf Jahre später kam es zum Eklat. Nach einer kurzen Voruntersuchung liess die Aufsichtsbehörde ihren «Killer of Finma» los. Er blockierte sofort sämtliche Geschäftstätigkeiten, strich den Angestellten die Löhne, stoppte die Zahlungen an die Lieferanten, schaltete die Buchungsplattform ab und sperrte das Log-in der Anleger.
Nun scheint die Finma aber doch einen Rückzieher zu machen. Der Appartementbetrieb von Le Bijou läuft wieder. Am Freitag hat der Untersuchungsbeauftragte erstmals seit Wochen wieder operative Geschäfte bewilligt. Unter anderem konnten Rechnungen einer Reinigungsfirma beglichen werden; Buchungen von Appartements sind wieder möglich.
Die Lockerung kommt nur wenige Tage, nachdem die Finma bestätigt hat, bei Moonshot und Le Bijou interveniert zu haben, weil der «dringende Verdacht» bestehe, dass die in das Verfahren involvierten Personen als Gruppe mehrere finanzmarktrechtlich unerlaubte Tätigkeiten ausgeübt hätten – ohne die erforderlichen Bewilligungen.
Ob die Geschäfte der Hübners jemanden geschädigt haben, ist bis heute unklar. Weder sagt die Finma in ihrer Mitteilung etwas dazu, noch gibt es entsprechende Hinweise aus Anlegerkreisen. Umgekehrt hat die Intervention bei Anlegern, mit denen der Blick in Kontakt steht, zu grosser Verunsicherung geführt. Die plötzliche Schliessung der Geschäfte widerspreche ihren Interessen, so der Tenor.
Warum hat die Finma die Sperre aufgehoben? Eine Sprecherin erklärte am Freitagabend auf Anfrage, die Behörde kommentiere den Fall nicht weiter. Unabhängig vom Einzelfall und generell, so die Sprecherin weiter, «müssen die Untersuchungsbeauftragten der Finma stets verhältnismässig vorgehen, wobei der Schutz der Gläubiger- und Anlegerinteressen im Zentrum steht». Was verhältnismässig sei, hänge wiederum «von der konkreten Sachlage ab, die sich – aus Sicht der Betroffenen erleichternd oder erschwerend – verändern kann».
Aus dem Zurückrudern der Behörde kann mit ziemlicher Sicherheit abgeleitet werden, dass der eingesetzte Beamte zum Schluss gekommen ist, dass keine Gelder aus dem Firmengeflecht abfliessen. Vielleicht hat er auch erkannt, dass den Interessen der Investoren besser gedient ist, wenn der Betrieb weiterläuft und damit Erträge erwirtschaftet werden können.
Das Berner Restaurant Supernova bleibt dennoch weiterhin geschlossen. Das Projekt hätte Anfang November an der Schauplatzgasse als Pop-up-Betrieb eröffnen sollen. Der Untersuchungsbeauftragte hat auch diesen Betrieb geschlossen. Er hatte der Gastro-Unternehmerin Juliette Bülowius unter massivem Druck die Schlüssel abgenommen. Diese wehrt sich gegen die Schliessung.