Wenn sich gestandene Migros-Manager an das Thema Depot erinnern, geht das nicht ohne Emotionen. Zwei Gefühlsregungen überwiegen dabei: Erleichterung und Erschrecken.
Erleichterung darüber, dass Depot nicht mehr Teil des orangen Riesen ist. In den zehn Jahren nach dem Einstieg im Jahr 2009 fuhr die deutsche Einrichtungs- und Dekorationsspezialistin hohe Verluste ein. Beim Verkauf 2019 kam es dann zum finalen Erschrecken. Damit Depot und die ganze Firmengruppe namens Gries Deco Gruppe (GDC) mit Zuversicht in die Zukunft gehen konnte, verzichtete die Migros beim Abstoss weitgehend auf Rückforderungen von Darlehen, die sie der GDC seit 2009 gewährt hatte.
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Kostenpunkt damals: 400 Millionen Franken. Der Blick kam in seiner Berechnung auf einen Verlust von insgesamt 800 Millionen Franken über zehn Jahre. Was auch für den orangen Riesen eine riesige Menge Geld war und ist.
Depot nach Corona erneut in der Krise
Aber auch diese Schweizer Gabe reichte nicht, um die Gruppe und ihre wichtigste Ladenkette Depot nachhaltig auf Erfolgskurs zu bringen. Corona hat Depot hart zugesetzt. Zuerst mit sinkenden Umsätzen, danach mit hohen Frachtkosten für die Sendungen aus Fernost. Das Unternehmen – hauptsächlich aktiv in Deutschland, Österreich und der Schweiz – kämpft ums Überleben.
Firmeninhaber und Chef Christian Gries, Enkel des Firmengründers, will das Unternehmen mit harten Einschnitten retten, wie das deutsche «Handelsblatt» schreibt. Eine der angepeilten Massnahmen: die Reduktion von Filialen. Von den etwas mehr als 300 Läden in Deutschland stünden 90 auf dem Prüfstand, heisst es. «Wir hoffen, mindestens die Hälfte der gefährdeten Filialen halten zu können», sagte Gries zum «Handelsblatt». Was bedeutet: Selbst im besten Fall würden in Deutschland immer noch mehr als zehn Prozent der Depot-Läden verschwinden.
Depot Schweiz ist nicht Depot Deutschland
Seitens Depot heisst es zum Schweizer Geschäft, wo aktuell 35 Filialen im Markt stehen: «Insgesamt erlebt der gesamte Handel eine Zurückhaltung bei der Kundenfrequenz sowie auch bei der allgemeinen Kundenstimmung. Das erleben wir ebenso wie andere Marktteilnehmer.» Dennoch sei man insgesamt mit dem Geschäft in der Schweiz zufrieden und auch profitabel unterwegs.
Mehr zu kriselnden Unternehmen
Um bei den Kunden weiterhin attraktiv zu bleiben, setze man auch zukünftig Preissenkungen um. Wert legt das Unternehmen offenbar darauf, die Geschäftstätigkeit in der Schweiz sauber abzutrennen von jener in Deutschland: «Da Depot Schweiz als unabhängige Gesellschaft aufgestellt ist, dient Depot Deutschland hier als Lieferant. So ist es untereinander möglich, günstigere Konditionen zu verhandeln.» Diese preislichen Vorteile gebe man entsprechend gern an die Schweizer Kundschaft weiter.
Chinesische Shopping-App Temu als Feind
So lautet die offizielle Botschaft von Depot. Doch Fachleute zeigen sich bezüglich der schwächelnden Kundenfrequenzen etwas erstaunt. Nach der lähmenden Corona-Zeit berichtet der Detailhandel hierzulande eher davon, dass das stationäre Geschäft wieder attraktiver geworden sei, dass Kundinnen und Kunden das haptische Erlebnis neu schätzten, was auch den hiesigen Einkaufszentren ein Comeback ermöglicht habe.
Was eine Deko-Kette wie Depot schon viel eher treffen könnte, sind chinesische Tiefpreisversender wie Temu. Das jedenfalls meldet die Winterthurer E-Commerce-Beratungsfirma Carpathia, die jüngst vier Schweizer Retailsektoren identifizierte, die ganz besonders unter dem aggressiven Vorpreschen von Temu leiden. Dazu gehören neben Werkzeug- und Handwerkersortimenten sowie dem Heimelektronikzubehör vor allem die Sparten «Deko und Accessoires» und «Home und Living».
In den letzten beiden Sparten bewegt sich Depot – und ist deshalb besonders gefährdet, wie Carpathia-Chefin Alexandra Scherrer erklärt: «Weil hier Markenartikel eine kleine Rolle spielen, hebt sich das Sortiment nicht stark von der Masse ab und funktioniert deshalb stark über den Preis.» Oft ist das, was Kundinnen und Kunden in Depot-Läden finden, ebenso made in China wie die Tiefpreissortimente von Temu. Scherrer erläutert: «Bei Heimelektronik-Bestellungen ist man darauf angewiesen, dass Geräte funktionieren und hiesige Standards eingehalten werden.» Bei Kleinmöbeln und Wohnaccessoires wie Vasen, Duftlichtern, Blumentöpfen oder Outdoor-Textilien ist das nicht der Fall – und hier seien die preislichen Differenzen teils massiv.
Aggressive Räumungsverkäufe hüben und drüben
Wie sich die Depot-Rettungsaktion auf das Schweizer Filialnetz von Depot auswirken wird, ist noch nicht bekannt. Seitens des Unternehmens heisst es aktuell, dass man «bei drei Standorten in Gesprächen» sei. Welche das sind, will das Unternehmen nicht sagen.
In vielen der Schweizer Läden wie auch in solchen in Deutschland laufen aktuell «totale Räumungsverkäufe». Das aber habe, heisst es vor Ort, nur mit dem Abbau alter Bestände zu tun. Ob sich das Unternehmen damit auch seiner chronischen Probleme entledigen kann, muss es nun beweisen.