«Beobachter»-Leser Lukas Z.* fand vor einigen Wochen dicke Post im Briefkasten. Eine Betreibungsandrohung der FDM Inkasso. Angeblich hatte er die Nachforderung einer Parkplatzgebühr für den Park & Ride Lyssach nicht fristgerecht bezahlt. Nur: «Eine solche Rechnung habe ich nie erhalten», sagt Z., der anders heisst, sich aber vor weiteren Schikanen des Parkplatzbetreibers fürchtet.
Z. bestreitet nicht, dass er im März vor einem Jahr auf dem privaten Parkplatz sein Auto ohne zu zahlen abgestellt hatte. «Ich suchte eine Parkuhr, konnte aber keine finden», erklärt er. «Nach einer Viertelstunde bin ich wieder weggefahren.» Was ihm zum Verhängnis wurde: Bereits acht Minuten nach seiner Ankunft machte ein Wachmann ein Bild von seinem Auto – ein Sensor hatte registriert, dass nicht bezahlt wurde, wie der «Beobachter» schreibt.
Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch.
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Parkplatz ist schlecht ausgeschildert
Dahinter steckt System: Mit einer ungenügenden Signalisation nutzt der Parkplatzbetreiber die Unwissenheit ortsfremder Kunden aus. Für sie ist kaum ersichtlich, dass es sich beim Park & Ride Lyssach um einen privat betriebenen Parkplatz direkt neben den Parkfeldern der umliegenden Geschäfte handelt.
Immer wieder verschickt der Betreiber deshalb Nachforderungen für die Parkgebühr von 40 Franken. Dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, zeigt ein Bericht vom letzten Oktober im «Kassensturz». Darin verteidigt sich der Betreiber, dass die Signalisation klar und die zwei Parkautomaten «gut sichtbar» seien. Ein Blick in die Google-Bewertungen offenbart ein anderes Bild: Über 440 Mal wurde lediglich ein Stern vergeben, nur zwei Mal gab es eine bessere Note. In den Kommentaren liest man häufig «Abzocke».
Horrende Umtriebsentschädigung fürs Falschparkieren
«Ich hatte davon ebenfalls gehört und wusste, dass ich dort auch einmal parkiert hatte, ohne zahlen zu können», sagt Lukas Z. «Als dann über ein Jahr später dieser Brief im Briefkasten lag, dachte ich: Schau, jetzt hat es dich auch erwischt.» Neu ist jedoch, was Z. sonst noch in seinem Brief fand: In der Betreibungsandrohung fordert der Parkplatzbetreiber mehr als 300 Franken von Z., die er innerhalb von 14 Tagen zu überweisen habe. So könne er sich die Kosten einer Betreibung oder einer Gerichtsverhandlung ersparen.
Doch eine Inkassofirma FDM Inkasso existiert laut Handelsregister nicht. An der gleichen Adresse gibt es lediglich die FDM Gastro des Parkplatzbetreibers, die angeblich mit Getränken handelt. Darüber hinaus werden im Brief eine ganze Reihe Gebühren aufgelistet: Fahrspesen, Anwaltskosten, über zwei Stunden Zeitaufwand und Diverses. Alles zusammen 415 Franken, die «bei einem Rechtsstreit geltend gemacht» würden.
Der Parkplatzbetreiber gibt sich im Schreiben kulant und verlangt pauschal 280 Franken plus Mehrwertsteuer. Zahle Lukas Z. nicht, würden weitere Kosten in Rechnung gestellt und der Fall im nächsten Schritt vor Gericht landen, kündigt er im Brief an. «Auch in diesem Falle werden wir weitere Kosten geltend machen», steht im Brief. Und zwar zwischen 1000 und 3000 Franken.
Viele Betroffene geben angesichts solcher Ankündigungen wohl klein bei. «Da werden irgendwelche Fantasiepreise verrechnet und mit dem Gang vor Gericht gedroht», sagt Z. «Wer nicht weiss, wie man sich wehrt, zahlt einfach.» Das bestätigt auch ein Blick in die Google-Bewertungen. Viele User geben an, den gleichen Brief wie Z. erhalten zu haben. Manche sogar noch Jahre, nachdem sie in Lyssach parkiert hatten. Und bei einigen flatterte – zusammen mit der Rechnung über 280 Franken – sogar direkt ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ins Haus: eine Busse von 140 Franken wegen Parkieren auf privatem Grund.
Schindluder mit Strafbefehl
Solche Strafbefehle nutzte der Parkplatzbetreiber offenbar, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Im Brief, den Lukas Z. und andere in den letzten Wochen erhalten haben, findet sich auch ein «Muster» eines Strafbefehls. Es soll den Betroffenen offenbar verdeutlichen: So könnte es aussehen, wenn sie nicht spuren.
Doch damit geht der Betreiber zu weit. Denn der «Muster»-Strafbefehl ist echt. Er stammt von Adrien F.*, der vor Jahren auf dem Parkplatz parkiert hat. F. heisst ebenfalls anders, weil er nicht will, dass alle über seinen Strafbefehl Bescheid wissen. Gegenüber dem «Beobachter» erklärt er, seine Nachforderung von 40 Franken damals am Postschalter bezahlt zu haben. Trotzdem erhielt F. im Januar 2023 eine Betreibung und einen Strafbefehl. «Ich konnte nicht beweisen, dass ich die ursprüngliche Forderung, die an meiner Windschutzscheibe lag, bezahlt hatte», erklärt er.
Die Sache liegt lange zurück. Trotzdem erhält Adrien F. seit einigen Wochen Anrufe der Polizei. «Immer wieder melden sich Betroffene bei der Polizei, um sie auf die Verletzung meiner Privatsphäre durch diese Betreibungsandrohung aufmerksam zu machen.» Sein Name und andere persönliche Daten sind auf dem «Muster», das der Parkplatzbetreiber verschickt, nur schlampig geschwärzt. Sie lassen sich problemlos entziffern. «Offenbar betreibt der Betreiber mit meinem Strafbefehl Schindluder», sagt F.
Seit Ostern hat Adrien F. deshalb ein halbes Dutzend Strafanzeigen gegen den Betreiber gestellt – der Ausgang ist noch offen. «Irgendwann merkte ich: Das ist eine Firma, die mit dubiosen Mitteln Geld macht», sagt er. «Die meisten Menschen zahlen vielleicht einfach, weil sie Angst haben oder die rechtliche Lage nicht genau kennen.»
Der Parkplatzbetreiber verteidigt sich
Der «Beobachter» konfrontiert den Betreiber mit den Vorwürfen. Dieser verteidigt sich. Es stimme nicht, dass Betreibungsandrohungen verschickt würden, ohne zuvor auch Rechnung und Mahnung zu verschicken. Die sich deckenden Berichte der Betroffenen sprechen jedoch eine andere Sprache – viele erfahren mit der einschüchternden Betreibungsandrohung zum ersten Mal von ihrem Unglück.
Auch die Sache mit der fingierten Inkassofirma sieht der Parkplatzbetreiber nicht ein und stellt dem «Beobachter» ein neues Briefpapier zu, auf welchem die Verbindung zur FDM Gastro besser sichtbar sein soll. Neu gibt es dort eine «Abteilung Inkasso» und rechts im Briefkopf prangt die Silhouette von Justitia. Die verrechneten Aufwände seien zudem «eher tief angesetzt» – aber im Endeffekt müsse ein Gericht entscheiden, «ob die Kosten gerechtfertigt sind», sagt der Parkplatzbetreiber.
Nur beim ungenügend anonymisierten Strafbefehl zeigt sich der Parkplatzbetreiber einsichtig. Das sei «der einzige Vorwurf, der stimmt». Es handle sich um einen Fehler, und er bedauere den Vorfall. «In Zukunft werden wir diese Kopie so nicht mehr versenden.»
«Beobachter»-Leser Lukas Z. hat nicht im Sinn, die in seinen Augen ungerechtfertigte Betreibungsandrohung zu zahlen. Die 40 Franken Nachforderung hingegen hat er überwiesen, obwohl er keine gültige Rechnung hatte. «Für mich ist das Ganze damit abgeschlossen», sagt er.
*Namen geändert