Er ist angetreten, um aufzuräumen: António Horta-Osório (57), der neue Präsident der Credit Suisse sollte nach der Ära Tidjane Thiam (59) bei der zweitgrössten Bank der Schweiz einen Wertewandel herbeiführen. Seit gestern ist klar: Diese Mission droht krachend zu scheitern. Blick enthüllt: Der Portugiese hat gegen die Quarantänevorschriften verstossen.
Er kehrt Ende November aus London in die Schweiz zurück. Wegen der Omikron-Variante ist Grossbritannien zu diesem Zeitpunkt ein Risikoland. Wer von dort einreist, muss in Quarantäne. Das gilt für alle, Ausnahmen gibt es keine. Auch für Horta-Osório nicht. Trotzdem fliegt der Banker nur drei Tage später mit dem Privatjet auf die Iberische Halbinsel. Ein klarer Verstoss gegen das Epidemiengesetz, wie der Portugiese auch zugibt: Er reicht Selbstanzeige bei der Polizei ein.
Risiko für Mitmenschen
Die Blick-Enthüllung macht weltweit Schlagzeilen, nicht nur Finanzportale schreiben über den Verstoss von Horta-Osório. «Er hat ein schweres Reputationsrisiko für die gesamte Bank in Kauf genommen», schreibt etwa die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Gleichzeitig habe er seine Mitmenschen potenziell einem Risiko ausgesetzt. Bankintern sei das Entsetzen gross. «So etwas darf nicht passieren», zitiert die Zeitung einen CS-Banker.
«CS-Präsident verletzt Quarantäneregeln», lautet die Schlagzeile bei der «Financial Times». Auch Bloomberg und Reuters berichten prominent über den Quarantänebruch des Topbankers.
Eine verhängnisvolle Entschuldigung
Die Frage ist nun: Übersteht der Portugiese diesen Sturm? Horta-Osório bittet in einem Statement um Verzeihung: «Ich habe unbeabsichtigt gegen die Schweizer Quarantänebestimmungen verstossen, indem ich das Land am 1. Dezember vorzeitig verlassen habe. Ich bedaure diesen Fehler aufrichtig. Ich entschuldige mich und werde dafür sorgen, dass dies nicht wieder vorkommt.»
Ausgerechnet sein Sorry könnte Horta-Osório nun zum Verhängnis werden. Dass der Quarantäneverstoss unbeabsichtigt erfolgte, erscheint zweifelhaft. Denn der CS-Präsident liess durch den früheren FDP-Ständerat und Arzt Felix Gutzwiller (73) bei den Behörden abklären, ob für ihn eine Quarantänebefreiung oder -verkürzung möglich ist. Die glasklare Antwort lautete Nein: Wer aus einem Risikogebiet einreist, der muss zehn Tage zu Hause bleiben. Dass damit auch Auslandreisen ausgeschlossen sind, sollte sich von selbst verstehen. Es ist schwer vorstellbar, dass einem hochintelligenten Banker nach zwei Jahren Pandemie nicht bewusst war, was Quarantäne bedeutet.
Gemäss Blick-Informationen liess die abrupte Abreise des obersten Chefs CS-intern die Alarmglocken bei den verantwortlichen Kontrollinstanzen schrillen. Sie forderten Horta-Osório auf, den Verstoss der Finanzmarktaufsicht Finma zu melden. Hätte er dabei zugeben, dass er wissentlich gegen die Quarantäne verstossen hatte, hätte er die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens riskiert. Um seinen Kopf zu retten, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als Nichtwissen als Grund für den Verstoss anzugeben.
Blick macht die Finma auf den Widerspruch aufmerksam. Sonst in solchen Dingen eher verschlossen, schreibt die Aufsichtsbehörde: «Wir stehen mit der Bank in der Sache in Kontakt.» Dies lässt darauf schliessen, dass sie abklärt, ob der CS-Präsident korrekt über seinen Quarantänebruch informierte.
Aktionäre könnten Präsidenten abberufen
Neben der Finma muss sich der CS-Präsident auch dem Verwaltungsrat stellen. Gestern tagte das Gremium in New York. Dabei dürfte VR-Präsident Horta-Osório mit unangenehmen Fragen von VR-Vize Severin Schwan (54) konfrontiert worden sein. Formell hat das Gremium keine Handhabe, den Präsidenten zu entmachten, das kann nur die Generalversammlung. «Der Verwaltungsrat könnte ihm aber nahe legen, dass er die Konsequenzen zieht», sagt der Aktienrechtler Peter V. Kunz (56). «Wird die Sache von den Medien und der Politik weiter verfolgt, gar hochgeschaukelt, und würde sein Rücktritt gefordert, wird der VR nicht darum herumkommen, diese Möglichkeit zumindest zu diskutieren», sagt Kunz. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, ist derzeit offen.
Für Kunz wie auch für die Compliance-Spezialistin Monika Roth (70) ist klar: «Von sich aus wird Horta-Osório nicht zurücktreten.»