Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Und schon gar nicht vor dem Zmittag. Denn am heutigen Dienstag um 12.54 Uhr fiel die Aktie der Credit Suisse (CS) auf einen Tiefstand und konnte sich zeitweise mit 10,00 Franken gerade noch über der Einstelligkeit halten.
Die Marke ist historisch – und magisch.
Die Grenze von zehn Franken sei keine ökonomische, sondern eine «psychologische Grenze», sagt Andreas Venditti, Analyst bei der Bank Vontobel. Dass der Kurs just bei zehn Franken wieder nach oben ging, könne Zufall sein. «Es ist aber durchaus möglich, dass automatisierte Kauf-Aufträge für den Aktienwert von 10,00 Franken eingegeben wurden», so Venditti gegenüber BLICK. Dies sei auch für andere Kursniveaus üblich.
Credit Suisse nur noch 21 Milliarden wert
Der Kurs wirkt sich auf die Gesamtkapitalisierung aus: So billig wie heute war die CS in ihrer ganzen Börsengeschichte noch nicht. Die Bank war insgesamt nur noch gut 21 Milliarden Franken wert. Vor knapp einem Jahr waren es noch 60 Prozent mehr.
Dabei hatte der Tag für CS-Chef Tidjane Thiam (53) gar nicht so schlecht begonnen. Heute Morgen, am Tag, nachdem die Aktie der Bank auf einen historischen Tiefstwert von 10.26 Franken gesunken war, schien die Talsohle erreicht. Schnell zeigte der Kurs wieder nach oben. Ein Hoch von 10.62 Franken war drin. Doch jetzt zeigte neben der CS-Aktie nur noch der UBS-Titel als einziger zeitweise nach unten.
Kritik an Tidjane Thiam
Die Kursbewegung bei der CS heute nahm schon vorher ihren Anlauf, wurde aber noch durch den Brexit beschleunigt, der vor allem Aktien der Finanzwirtschaft in Mitleidenschaft zieht.
Die CS-Aktie unter CEO Thiam hatte bereits Mitte Juni einen historischen Tiefstwert erlangt. Die Bank war an der Börse gerade noch rund 23 Milliarden Franken wert – zum Vergleich: Im Jahr zuvor war die Bank es noch doppelt so viel wert. Die US-Investmentgesellschaft Harris Associates, die mit 8,5 Prozent die zweitgrösste Eigentümerin der CS ist, äussert bereits Kritik an Thiams Führungsstil.
Ob Thiam schon bald selbst bei dem Druck zum alten Management, zu den ehemaligen gehört? Schliesslich gilt die Zehn-Franken-Grenze Beobachtern als Punkt, an dem der Verwaltungsrat der CS womöglich intervenieren und in der Chefetage auswechseln könnte. «Der Markt würde es nicht gut aufnehmen, sollte Thiam die CS bereits wieder verlassen», erklärt Venditti.
Fehlspekulation von Grossinvestoren?
Ohnehin sei die Frage, «ob der gesamte Wertzerfall der Aktie wirklich Tidjane Thiam anzulasten ist», so Analyst Venditti. Thiam könne ja begründen, dass einiges den Ursprung in der Zeit unter dem alten Management habe.
Ausserdem hat offenbar eine Fehlspekulation grosser angelsächsischer Investoren grossen Anteil am jetzigen rapiden Kursverfall. Dies schreibt der «Tages-Anzeiger» unter Berufung auf einen Banker, der enge Beziehungen in die Londoner City haben soll. (grv)