Die beiden Unternehmen seien übereingekommen, die Gespräche «vor dem Hintergrund der aktuellen Marktbedingungen» vorübergehend auszusetzen, hiess es am Donnerstag in einem Communiqué von Clariant. Die beiden Parteien hatten vorgesehen, Geschäfte zu einem neuen Bereich «High Performance Materials» zusammenzulegen.
An der Börse kommt die Meldung schlecht an. Zum Börsenstart gings rasant nach unten für die Titel. Um 10 Uhr betrug das Minus schon 10 Prozent. Ein Analyst von Baader Helvea brachte die Situation in seinem Kommentar auf einen kurzen Nenner: «What a mess!».
Laut Verwaltungsratspräsident Hariolf Kottmann gab es unterschiedliche Vorstellungen bei der Ausarbeitung der Transaktion. «Und keine Seite war bereit, Kompromisse einzugehen», sagte der interimistische Konzernchef und Verwaltungsratspräsident im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. «Das ist rein geschäftlich», versicherte Kottmann.
Überraschender Chefabgang
Die Nachricht kommt einen Tag, nachdem der Chef Ernesto Occhiello überraschend seinen Rücktritt per sofort angekündigt hat. Clariant machte in einer Mitteilung persönliche Gründe dafür verantwortlich. Occhiello war vom Grossaktionär aus Saudi-Arabien bei Clariant installiert worden. Vorübergehend übernimmt nun der frühere Chef und derzeitige Verwaltungsratspräsident Hariolf Kottmann das Ruder.
Dass sich Occhiello an seinem Vorgänger und «Clariant-Übervater» aufgerieben haben könnte, stellte Kottmann in Abrede: «Mein Verhältnis mit Ernesto war sehr gut - es gab kein Zerwürfnis.» Die Suche nach einem Nachfolger läuft.
Plant Sabic den Rückzug bei Clariant? Er habe auch keine Signale erhalten, dass sich die Saudis nicht mehr als Ankeraktionär von Clariant sähen, so Kottmann. Die Gespräche mit Sabic liefen entsprechend weiter. Es sei nicht auszuschliessen, dass der Aufbau des gemeinsamen Geschäftsbereichs High Performance Materials (HPC) wieder aufs Tapet komme.
Fokus aufs Kerngeschäft
Clariant will dennoch den früher angekündigten Verkauf des Pigment-Geschäfts durchziehen. Dieser soll nach wie vor bis Ende 2020 abgeschlossen werden. Zudem wolle man neu das gesamte Geschäft mit Masterbatches veräussern. Also nicht nur die Standardprodukte, sondern auch die hochwertigen.
Künftig werde sich Clariant auf seine Kerngeschäftsbereiche Care Chemicals, Catalysis und Natural Resources fokussieren. Mit diesen werde man ein überdurchschnittliches Wachstum, eine höhere Profitabilität und eine stärkere Cashflow-Generierung erzielen.
Und für diese Bereiche nennt Clariant auch die Gewinnzahlen der ersten Halbjahres. Im «fortgeführten Geschäft» stagnierte der Umsatz bei 2,22 Milliarden Franken. Der operative Gewinn EBITDA vor Einmalefffekten sank um 2 Prozent auf 355 Millionen.
Grosser Verlust
Inklusive der noch zu veräussernden Geschäfte schrieb Clariant im ersten Semester einen Verlust von 133 Millionen Franken. Dem steht ein Überschuss von 128 Millionen im Vorjahr gegenüber.
Am Vortag hatte nach nur gut neun Monaten Konzernchef Ernesto Occhiello seinen sofortigen Rücktritt eingereicht. Ihn vertritt jetzt sein Vorgänger Hariolf Kottmann. (SDA/jfr)