Burn-out, sexuelle Belästigung, fehlende Lohnerhöhung
Bei der Unia sind immer die andern schuld

Die Unia tut sich schwer mit Selbstkritik. Bei internen Skandalen schiebt die grösste Gewerkschaft des Landes regelmässig Medien und illoyalen Mitarbeitern die Schuld in die Schuhe.
Publiziert: 09.06.2017 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:05 Uhr
In einem Mail wettert die Gewerkschaft gegen Journalisten und deren vermeintliche Kampagne gegen die Gewerkschaft.
Foto: Screenshot
Vinzenz Greiner

Selbstkritik gehört nicht zu den Stärken der Unia-Führung. «Den Skandal, wie Sie ihn gerne hätten, gibt es so nicht», antwortet Unia-Geschäftsleitungsmitglied Corrado Pardini (52), als BLICK ihn mit einem haarsträubenden Fall von Überarbeitung konfrontiert: Es geht um einen Unia-Mitarbeiter der Region Biel-Seeland/Solothurn, der nach über 800 Überstunden ins Burn-out fiel.

«Mitarbeiter müssen vor ihrer eigenen Übermotivation geschützt werden»

Pardini, der in der nationalen Geschäftsleitung der Unia für die Region zuständig ist, sieht keine Verfehlung seinerseits. Als er von der Situation erfahren habe, habe er sofort für eine strikte Einhaltung der Arbeitszeitregelung gesorgt. Und: Er habe neue Kontrollmechanismen eingeführt und eine Lösung für den betroffenen Mitarbeiter organisiert. Pardini schaltet von Verteidigung auf Angriff: «Schön, wenn das alle Unternehmen und Organisationen täten.»

Der oben genannte Fall zeigt laut Pardini, warum die Unia auf einer genauen Arbeitszeitkontrolle beharrte. «Überzeit ist eine Gefahr für die Gesundheit. Die Mitarbeiter müssen geschützt werden. Notfalls vor ihrer eigenen Übermotivation.» Damit gibt er die Verantwortung elegant an die Mitarbeiter ab und nimmt sich aus der Schusslinie. 

Die Unia mag Verschwörungstheorien

Auf andere verweisen, Skandale kleinreden – es ist ein Muster, wie die Unia mit Problemen umgeht. Selbstkritik weicht Verschwörungstheorien, Einsicht Fremdbeschuldigungen.

Die Gewerkschaft Unia verunglimpft einen Unia-kritischen Beitrag der SRF-«Tagesschau» als «Schmierenkomödie».
Foto: Screenshot Unia-Präsentation

Ein Beispiel: die Forderung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), pauschal die Löhne in der Schweiz um 1,5 Prozent zu erhöhen. Doch weder die Gewerkschaft Syna noch die Unia folgten den Forderungen. «Bei uns gab es keine allgemeine Lohnerhöhung», sagte Unia-Sprecher Pepo Hofstetter gegenüber BLICK. Der Grossteil der rund 1000 Angestellten komme monatlich jedoch auf einen höheren Lohn, weil sie in eine höhere Erfahrungsstufe aufgestiegen seien.

Der BLICK schrieb, die Unia predigte Champagner und schenke Wasser aus. Die Unia-Zeitung «Work» schaltete prompt auf Angriff und schrieb, der BLICK «dreckelt gegen Unia mit Falschmeldung». Später krebste die «Work»-Führung zurück. 

Ein anderes Beispiel: die Affäre Burger. Roman Burger (40) hatte als Leiter der Unia-Region Zürich-Schaffhausen eine Mitarbeiterin sexuell belästigt und wurde dafür von der Unia-Spitze ermahnt – also äusserst schwach bestraft. Erst als der BLICK und danach andere Medien ab Anfang September 2016 darüber berichteten, wurde Burger freigestellt.

Unia wittert Kampagne, die die Organisation schwächt

Als Sündenböcke für Missstände in der Gewerkschaft sucht sich die Unia-Spitze am liebsten Medien und eigene Mitarbeiter aus. Laut einem internen Mail von Ende September 2016 schob Unia-Präsidentin Vania Alleva (47) der Personalkommission (Peko) die Schuld für eine «Medienkampagne» gegen die Unia in die Schuhe. Journalisten beriefen sich auf anonyme Aussagen von Peko-Mitgliedern und hätten ein offensichtliches Ziel: «eine neue Unia-Skandal-Geschichte schreiben zu können».

Alleva urteilt zur Berichterstattung, «dass diese Kampagne gegen die Unia unsere Organisation schwächt». Die Unia-Erzählung lautet also: Nicht Verfehlungen von Unia-Mitarbeitern schaden der Gewerkschaft, sondern Journalisten.

Unia tut kritische Berichte als «wilde Vorwürfe» ab

Im Oktober verschickt dann das Präsidialsekretariat eine Präsentation. Darin werden die anonymen Hinweise von Unia-Mitarbeitern an Journalisten als «Räubergeschichten» abgetan und Anfragen von Journalisten samt deren E-Mail-Adressen veröffentlicht – etwa jene von «Rundschau»-Moderator Sandro Brotz (47).

Kritische Berichte über die Unia werden in der Präsentation etwa als «wilde Vorwürfe» oder «Pauschalvorwürfe» verunglimpft. Ein Beitrag der «Tagesschau», in dem Unia-Mitarbeiter anonym die Kritikfähigkeit in der Gewerkschaft beanstanden und den Umgang der Geschäftsleitung mit der Affäre Burger kritisieren, wird in der Präsentation als «Schmierenkomödie im TV» geschmäht.

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