Der Westen greift in der Ukraine nicht aktiv in die kriegerische Auseinandersetzung ein. Er erlässt aber harte Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland, so wie der Ausschluss des internationalen Finanznetzwerks Swift. Ergreife die EU aber weiter solch scharfe Massnahmen, müsse der Bundesrat das sorgfältig analysieren, sagt Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) der «Schweiz am Wochenende». Er rate besonders beim Rohstoffhandel «zur Vorsicht».
«Denn es geht hier nicht nur um Öl und Gas, es geht auch um Nahrungsmittel», erklärt Parmelin. Länder wie Jordanien, Tunesien und Ägypten würden 50 bis 90 Prozent ihres Bedarfs an Getreide aus der Ukraine oder Russland beziehen. «Sind wegen eines Embargos die Schiffe blockiert, sind viele Länder im Nahen Osten von Hunger und einer Destabilisierung bedroht», sagt der Wirtschaftsminister.
«Ich kenne die Zukunft nicht, aber ...»
Falls die EU entscheiden sollte, dass die Mitgliedsstaaten einen gewissen Prozentsatz von knappen Gütern aus ihren Reserven für Drittstaaten reservieren, könne die Schweiz prüfen, sich anzuschliessen, sagte der SVP-Politiker Parmelin weiter.
In der Schweiz schlägt sich der Krieg unter anderem in hohen Benzinpreisen nieder. Derzeit kostet der Liter Bleifrei vielerorts deutlich über 2.20 Franken. Bundesrat Parmelin glaubt nicht, dass das Ende der Fahnenstange schon erreicht ist. «Ich kenne die Zukunft nicht, aber ein Preis von 4 Franken kann ein Szenario sein», sagt er.
Die Preissteigerung dürfte noch eine Weile anhalten. Es sieht nicht danach aus, als würden die ständig steigenden Preise plötzlich ins Stocken kommen. Im Gegenteil. Die Preise für Rohöl auf dem Weltmarkt steigen weiter stark an. Seit Anfang Jahr sind sie bereits um über 60 Prozent gestiegen. Das Fass Rohöl gabs gestern für 133 Dollar. Anfang Januar kostete es noch 77 Dollar. Das hat natürlich direkte Folgen auf den Preis an der Zapfsäule.
Schwerwiegende Folgen für weltweite Getreideversorgung
Wirtschaftsminister Parmelin forderte einen möglichst raschen Waffenstillstand in der Ukraine. «Nicht nur wegen der Kriegsopfer. Sondern auch, weil wir sonst Gefahr laufen, dass die Saat in der Ukraine nicht rechtzeitig ausgebracht werden kann. Ein Ernteausfall in diesem Jahr hätte schwerwiegende Folgen für die weltweite Getreideversorgung.»
Der Schweiz kommt im russischen Rohstoffhandel eine wichtige Rolle zu. Ungefähr achtzig Prozent des Rohstoffhandels Russlands erfolgen laut Angaben der Schweizer Botschaft in Moskau über die Schweiz. Über den Rohstoffhandel, namentlich von Öl und Gas, fliessen dem russischen Staat jeden Tag Millionengelder zu. (SDA/gif)