Auf einen Blick
Erst kamen die Jungen, meist ältere Teenies. Dann stieg der Altersdurchschnitt. Jugendliche, Firmenkunden, Grosseltern – sie alle kaufen, was Simon und Elias Müller in ihrer kleinen Manufaktur in Näfels GL herstellen: Dubai-Schokolade. Das Saisongold der Schoggi-Branche.
«Als wir damit anfingen, hatten wir sie selbst noch nie probiert», erzählt Simon Müller am Telefon. Der 37-jährige Unternehmer war skeptisch. Er kannte die 200-Gramm-Tafel von Fotos und Videos aus dem Internet, doch sie erschien ihm zu mächtig und zu überfüllt. Sein Bruder Elias aber erkannte das Potenzial. Er tüftelte und schraubte an einer Rezeptur, bis das Verhältnis beide Schoko-Gourmets überzeugte.
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Als eines der Ersten in der Schweiz bot das Brüderpaar die Schokolade mit Pistaziencreme und Kadayif (auf Deutsch «Engelshaar», ein traditionelles arabisches Dessert) an, eine Variante mit Milchschoggi und eine mit Zartbitter. Der Erfolg kam postwendend: Rund 2000 Stück verkauften sie seit Mitte Oktober im eigenen Café in Näfels. Nochmal die gleiche Menge ging an den Partner Felchlin, der selbst die Schokolade fürs Original in Dubai liefert, sowie an Online- und Firmenkunden.
So wie Simon Müller geht es kleinen Schoggi-Herstellern in der ganzen Schweiz: Wer den Trend rechtzeitig erkannte, feiert seit Wochen Geschäftserfolge.
Aeschbach kam kaum hinterher, Bachmann feierte Rekorde
«Die Nachfrage ist am Anfang förmlich explodiert, sodass wir als eher kleiner Betrieb bei diesem sehr handwerklichen Produkt an unsere Grenzen gestossen sind», sagt Ramona Odermatt von Aeschbach Chocolatier, welche am 15. November eine 50-Gramm-Tafel lancierte. Schon 6000 Stück haben die Manufaktur in Root LU seither verlassen. Wegen der starken Nachfrage musste die Confiserie anfangs schrittweise nachliefern. Mittlerweile sei man aber wieder à jour und könne «täglich alle Standardbestellungen abdecken».
«Der Abverkauf hat sämtliche bisherigen Rekorde in unserer über 125-jährigen Geschichte in den Schatten gestellt. Wir waren nach wenigen Stunden ausverkauft und produzieren seither mit Sondereinsätzen», sagt Marketingchefin Elyne Hager von der Confiserie Bachmann aus Luzern.
Der Erfolg basiere ihrer Meinung nach auf «der Tatsache, dass wir den hiesigen Geschmack besser treffen». Bachmann hat darum statt dicker Schoggi-Tafeln «Schutzengeli Dubai-Style» im Angebot, gefüllte Knuspertruffes. Nach der erfolgreichen Lancierung im November in den eigenen Fachgeschäften werden die Dubai-Schutzengeli seit dem 10. Dezember auch schweizweit in der Migros angeboten.
Wie die Schutzengeli haben viele weitere Produkte mit dem Original der britisch-ägyptischen Unternehmerin Sarah Hamouda aus Dubai nur noch die Grundzutaten (Schokolade, Pistazien, Engelshaar) gemein.
Bei der Manufaktur Taucherli aus Adliswil ZH etwa gibts «Dubai Cubes», 148 Gramm gefüllte Schoggi-Würfel, für knapp 30 Franken. Nah am Original sind Läderach, das vor wenigen Tagen eine limitierte Edition «Dubai» seiner typischen FrischSchoggi lancierte, und Kunz Swiss Premium aus dem Kanton Zug: Das Unternehmen verkauft online und in Delikatessenläden eine 2 Zentimeter dicke 200-Gramm-Tafel mit 60 Prozent Pistazienanteil, die Milchschokolade stammt vom mehrfach ausgezeichneten Berner Chocolatier Casa Nobile. Täglich würden rund 400 Tafeln verkauft, an einzelnen Tagen habe man bis zu 600 Tafeln abgesetzt. Den stolzen Preis von 26 Franken rechtfertigt Geschäftsführer Thomas Kunz mit der für die Herstellung nötigen Handarbeit und den Zutaten.
Auch Simon und Elias Müller stellten Zutaten und Herstellungsaufwand vor die grösste Herausforderung. «Statt zwei bis drei Kilo Pistazien bestellen wir jetzt wöchentlich bis zu zwanzig Kilo», erzählen sie. Beim Engelshaar konnte ihm sein lokaler Gemüsehändler mit Kontakten helfen. In der Schokoladenmanufaktur der Müllers haben sich die Arbeitszeiten verlängert, ein Händepaar packt zusätzlich mit an, die Produktion läuft von Dienstag bis Sonntag auf Hochtouren. Weil die Schokoladenformen allerdings nicht perfekt auf die ungewöhnlich dicke Füllung ausgerichtet sind, muss das Duo langsamer produzieren – mehr als 180 Tafeln pro Tag sind nicht drin. Entsprechend sei die Marge trotz der vergleichsweise hohen Preise niedriger als bei einer Grossproduktion.
Schoggi-Riesen schaffen Produktion nicht
Beim Tempo der kleinen Manufakturen kommen die grossen Hersteller dennoch nicht hinterher. Von den drei Schweizer Schoggi-Riesen Cailler, Lindt & Sprüngli und der zur Delica AG gehörenden Frey gelang es bislang nur Lindt, auf den Zug aufzuspringen. Das Unternehmen muss allerdings auch in Handarbeit in Deutschland produzieren lassen.
Auf die Frage, ob man sich ärgere, den Trend verpasst zu haben, verweist Cailler selbstbewusst auf andere kürzlich lancierte gefüllte Schokoladentafeln. Eine Migros-Sprecherin hingegen gibt ehrlich zu, dass man mit einer starken Eigenmarke schlicht noch nicht auf den Markt könne: «Die spezielle Textur ist zweifellos faszinierend, stellt jedoch eine Herausforderung in der industriellen Produktion dar, wie unsere ersten Tests bei Delica gezeigt haben.» Darum weiche die Migros auf die Kooperation mit der Confiserie Bachmann aus.
Aber auch jene Schokoladenhersteller, die den Trend bisher verpasst haben, könnten vom Rummel um die Dubai-Schokolade profitieren. Nachdem der Schoggi-Verkauf noch im Frühjahr stagniert hatte, belebte der Hype das Weihnachtsgeschäft frühzeitig und hat der Schoko-Industrie eine Extraportion Beliebtheit beschert. «Wir sind der Überzeugung, dass die Aufmerksamkeit, die die Schokolade momentan dank der Dubai-Schokolade erfährt, auch den klassischen Schweizer Schokoladen zugutekommen wird», sagt Roger Wehrli vom Branchenverband Chocosuisse. Noch gibt es zwar keine Zahlen dazu, weil die Verkaufszahlen in der Schweiz vom Verband nur halbjährlich erhoben werden, es wäre aber überraschend, wenn in der nächsten Statistik kein pistaziengrüner Ausschlag zu sehen wäre.
Wie lange der Hype anhält, lässt sich schwer voraussagen. «Sicher bis Weihnachten und allenfalls kommt er um Ostern nochmals auf», vermutet Simon Müller. Trotz der Unsicherheit hat er mit seinem Bruder bereits eine Dubai-Saisonpraline kreiert und könnte sich für die Schokolade auch einen festen Platz im Sortiment vorstellen: Nach seiner ersten Skepsis sei er mittlerweile selbst begeistert.