Jubeln – das kann er! Wenn der FC Zürich ein Tor schiesst, gerät Urs Birchler (73) aus dem Häuschen. Zusammen mit Blick-Wirtschaftsredaktor Christian Kolbe (57) besucht der Buchautor, emeritierte Bankenprofessor und das langjährige Direktionsmitglied der Schweizerischen Nationalbank das Zürcher Kantonalderby FCZ – Winterthur.
Birchler ist nicht nur ein leidenschaftlicher Fan, er kickt auch heute noch aktiv: jeden Donnerstag über Mittag mit anderen Fussball-Begeisterten. «Ich bin offen für Angebote von Senioren-Mannschaften», meint der Geldexperte verschmitzt.
Zum Glück für ihn: Der Stadtclub geht nach wenigen Minuten in Führung. Es bleibt also Zeit, um über Geld, Goals und Grossbanken zu reden. Und über verpasste Chancen – auf und neben Platz. «Ich hätte eine Verstaatlichung der Credit Suisse gegenüber der Übernahme durch die UBS bevorzugt. So hätte man Zeit gewonnen, die Bank zu stabilisieren.»
Verpasste Chancen
Birchler kümmerte sich bei der Nationalbank um die Finanzstabilität, war an der Ausarbeitung der «Too big to fail»-Regulierung beteiligt, insbesondere an dem Teil, der dann nicht zur Anwendung kam: die geregelte Abwicklung einer internationalen Grossbank. «Ich bin deswegen nicht frustriert. Aber dass die CS nicht durch den Staat gerettet wurde, ist eine verpasste Chance», so Birchler.
Die Winterthurer dagegen nützen ihre Chancen, gleichen vorübergehend aus. «Man darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen», hat Birchler vorausahnend geraunt. Der Untergang der CS habe ihn nicht überrascht. «Nichts ist für die Ewigkeit – das gilt für den Finanzplatz ebenso wie für den Fussball.» Und spielt damit auf den FC Basel an, der sich nach Jahren des Erfolgs im Moment am Tabellenende der Credit-Suisse-Superleague wiederfindet.
Der achte Bundesrat
Beim Geld geht es immer auch um die Wurst. Also beisst der Bankenkenner herzhaft in die Pausenwurst des FCZ, die allerdings im Blick-Ranking nur ein «genügend» bekommt. Dagegen überzeugt die Schweiz in der Geldpolitik. «Hier spielen wir in der Champions League», so Birchler. «Allerdings braucht es jetzt etwas Pressing, um die Bilanz der SNB wieder zu verkleinern.»
Mit seinem Buch will Birchler auch auf die Macht der Notenbanker aufmerksam machen, die mit ihren Entscheidungen unser aller Leben beeinflussen: «Es gab immer wieder sehr mächtige Nationalbankpräsidenten, oft auch als der achte Bundesrat bezeichnet.» Allerdings mit eingeschränktem Handlungsspielraum, wie Birchler relativiert. «Ein SNB-Präsident kann vor allem an der Zinsschraube drehen, da hat ein Bundesrat wesentlich mehr Handlungsspielraum.»
Lob vom Slalom-Crack
Birchler will zur Selbstermächtigung der Stimmbürger und Wählerinnen beitragen: «Die Leute müssen verstehen, worum es beim Geld und bei der Geldpolitik wirklich geht», so der Autor. «Ich will, dass die Menschen den Jordans und Lagardes in die Karten schauen können.»
Das kann mit dem verständlich geschriebenen, mit vielen Anekdoten gespickten Text gelingen. Oder wie es Erstleser, Slalom-Ass Ramon Zenhäusern (31), ausdrückt: «Das Buch liest sich wie ein flüssig gesteckter Slalomlauf.»
Am Ende stehts 3:2 – der FCZ jubelt. Bleibt zu hoffen, dass auch das Spiel der UBS gut ausgeht und die Schweiz nicht in ein paar Jahren die letzte Grossbank retten muss. «Irgendwann kommt ein Ereignis, dass auch die UBS ins Wanken bringen kann», gibt Birchler zu bedenken. «Das hängt wie ein Damoklesschwert über der Schweiz und wird von vielen verdrängt.» Urs Birchlers Sorge: «Die Rettung der UBS würde die Bundesfinanzen über den Haufen werfen. Das schöne Polster, das wir mit der Schuldenbremse aufgebaut haben, wäre auf einen Schlag weg.»
Urs Birchler: «Das Einmaleins des Geldes. Was es ist. Wie es funktioniert. Was daraus wird.», Hep Verlag, 2023, 29 Franken