Blick deckt das miese Spiel mit Bitcoin und Co. auf
So verdienen Krypto-Influencer ihr Geld

Krypto-Influencer verdienen Geld, auch wenn der Bitcoin-Kurs fällt. Blick hat das Geschäftsmodell mit einem Experten unter die Lupe genommen.
Publiziert: 21.10.2022 um 00:14 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2022 um 15:34 Uhr
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Der Spagat zwischen «verantwortungsvoll» und «influencen» gelingt Christopher Jaszczynski nicht.
Foto: Instagram/chrismmcrypto
Nicola Imfeld

Wer Kryptowährungen handelt, der kann Geld verdienen oder verlieren. Doch es gibt auch jene, die nur gewinnen: Krypto-Influencer. Das sind Menschen mit vielen Fans auf sozialen Netzwerken wie Youtube, Tiktok oder Instagram.

Einer von ihnen ist Christopher Jaszczynski – alias MMCrypto. Der Deutsche war Taxifahrer, bevor er sich Ende 2017 der Kryptowährung Bitcoin zuwandte und seine Ratschläge mit Nachrichtenagenturen von Forbes bis CNBC teilte. Auf seinem Youtube-Kanal folgen ihm mittlerweile über eine halbe Million Menschen. Jaszczynski veröffentlicht beinahe täglich Videos, die zwischen 50'000 und 100'000 Aufrufe erhalten.

Das Vorgehen ist immer dasselbe: ein knackiger Titel in Grossbuchstaben und ein emotionales Bild von sich selbst. «Absoluter Bitcoin-Notfall», «Grösstes Bitcoin-Signal der Geschichte» oder «Gelegenheit, Millionär zu werden!» lauten die Überschriften. In den Videos schreit Jaszczynski in die Selfie-Kamera und überbietet sich täglich aufs Neue mit wilden Prognosen.

«Notfall, Notfall», rief er etwa Ende August in sein Smartphone. Jaszczynski war gerade in Dubai und teilte seinen Fans mit, dass der Bitcoin nicht unter 19'200 Dollar fallen dürfe, ansonsten könnte es «haarig» werden. Drei Tage später wartet er bereits wieder mit «Good News» auf. Diese waren offenbar nicht gut genug, denn im September fiel der Bitcoin um insgesamt fünf Prozent.

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Das Geschäftsmodell der Krypto-Influencer

Doch das hat Jaszczynski genauso wenig zu kümmern wie seine Prognose des vergangenen Jahres, als der Deutsche meinte, der Bitcoin knacke demnächst die 300'000-Dollar-Marke. Die Digitalwährung fiel stattdessen von mehr als 69'000 Dollar auf heute rund 19'000 Dollar. Jaszczynski hat in dieser ganzen Zeit trotzdem fleissig Geld gescheffelt.

Der Krypto-Influencer verdient sein Geld mit Empfehlungslinks für Kryptowährungsbörsen. In seinen Videos macht er auf die Links aufmerksam, die er in der Video-Beschreibung anfügt. Diese führen unter anderem zu Binance, eine der grössten Kryptobörsen der Welt. Aber auch kleinere Handelsplattformen wie Phemex und Bitget finden sich unter den Videos von Jaszczynski.

Folgt ein Nutzer – angespornt durch die Videos – einem dieser Links, registriert und handelt Kryptowährungen, dann verdient Jaszczynski Geld. Ganz egal, ob der Bitcoin-Kurs steigt oder fällt. «Es gibt viele schlechte Beispiele, die mit schamlosen Prognosen und Empfehlungen schnelles Geld auf Kosten ihrer Follower machen wollen», sagt Krypto-Experte Julian Liniger (29). Jaszczynski sei in der Szene bestens bekannt – «und vor allem berüchtigt», sagt Liniger.

«Panikmacherei und völlig übertriebene Prognosen»

«Leute, die etwas Erfahrung haben und sich differenziert mit ihm und dem Thema beschäftigen, kommen schnell darauf, dass er mit Panikmache völlig übertriebenen Prognosen und fragwürdigen Empfehlungen das Vertrauen und die emotionale Instabilität seiner unerfahrenen Follower ausnützt, um sich schnell und im grossen Stil selbst zu bereichern», warnt Liniger. Jaszczynski sei nicht der Einzige, es gebe viele solche Scharlatane. «Ein Markenzeichen dieser Spezies ist das schockierte Gesicht bei den Titelbildern ihrer Videos, womit sie die Aufmerksamkeit ihrer Follower erreichen. Diese Taktiken sind auch bekannt aus Schneeballsystemen.»

Besonders gefährlich ist der Handel mit Bybit. Jaszczynski hat für die Kryptobörse aus Singapur stark geworben. Diese ermöglicht es den Nutzern, mit geliehenen Vermögenswerten zu handeln. Also Geld, das sie gar nicht besitzen. Es winkt eine überdurchschnittlich hohe Rendite. Geht der Bitcoin-Kurs aber in die falsche Richtung, droht das ganze Vermögen flöten zu gehen. «Diese Art von Trading ist definitiv nicht zu empfehlen für unerfahrene Retail-Investoren», sagt Liniger. «Im schlimmsten Fall droht die Überschuldung.»

Krypto-Influencer Jaszczynski will zu den Vorwürfen nichts sagen. Er hat alle Blick-Anfragen ignoriert.

Schweizer Influencer griff Patrizia Laeri an

Auch in der Schweiz gibt es einen Krypto-Influencer mit vielen Followern. Sein Pseudonym ist SunnyDecree. Der richtige Name: unbekannt. Knapp 35'000 Menschen folgen seinem deutschsprachigen Kanal auf Youtube. Den englischsprachigen Channel mit über 150'000 Fans hat er im vergangenen Jahr nach etlichen Eskapaden dichtgemacht.

SunnyDecree geriet in die nationalen Schlagzeilen, nachdem er die Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri (45) in einem Livestream beleidigt hatte. Er legte in vulgärer Sprache nahe, dass Laeri sich ihren Erfolg dank sexueller Gefälligkeiten erarbeitet habe. Der Grund seines Zorns damals: Laeri teilte einen Artikel, in dem der hohe Energieverbrauch von Kryptowährungen thematisiert wurde.

Seither ist es ruhig geworden um den Schweizer. Er verdient sein Geld wie Christopher Jaszczynski mit Empfehlungslinks. Doch stellt SunnyDecree mittlerweile kaum noch steile Prognosen auf wie sein deutscher Influencer-Kollege. «Er ist ein gutes Beispiel für einen Influencer, der primär auf Aufklärung und Bildung setzt und nicht auf Panikmache», sagt Krypto-Experte Liniger.

«Dein Leben wird sich für immer verändern»

Wer Kryptowährungen handeln möchte, sollte sich nicht nur vor grossen Krypto-Influencern wie Christopher Jaszczynski in acht nehmen. Genauso aktiv und irreführend können Leute mit wenigen Hundert Followern auf Plattformen wie Instagram sein. Sie schreiben gezielt Leute an, um ihnen den Handel mit Kryptowährungen schmackhaft zu machen.

Eine davon ist Laura K.* Im Sommer 2021 veröffentlicht sie ein Bild auf Instagram, das sie in Dubai zeigt: «Arbeiten wann und wo du willst? Und dabei richtig viel Geld verdienen? Das kannst auch du! Melde dich und mache deine Träume wahr.» Laura K. sieht, wer das Bild angeschaut hat. Wenige Minuten später folgt bereits die private Nachricht: «Ich sehe, du hast Interesse an einem Leben in Freiheit? Gib mir 15 Minuten von deiner Zeit und dein Leben wird sich für immer verändern.»

Laura K. lädt nach einem kurzen Austausch zu einem Videoanruf ein. Dort öffnet sie eine Powerpoint-Präsentation. Eine der ersten Folien richtet sich gegen die Banken. «Dein Geld ist nicht sicher. In einer Krise haben die Banken die Möglichkeit, dein Geld einzubehalten», sagt sie. Eine Aussage, die nachweislich falsch ist.

Dann geht es ums Business. Sie will ein Programm verkaufen – Online-Videos von «Krypto-Experten». «Nach dieser Schule weisst du alles, um durchstarten zu können», verspricht sie.

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«Klingt nach einem Schneeballsystem»

Das Produkt nennt sich MarketPeak. Eine Schulungs- und Vertriebsplattform mit Sitz in Dubai. «Das Ziel von MarketPeak ist es, die Community in den Bereichen Finanzen und Blockchain auszubilden und zu trainieren. Darüber hinaus bietet MarketPeak der Community einen sehr gut durchdachten und fairen Belohnungsplan», heisst es auf der Website.

Um das Schulungsprogramm zu erwerben, kauft man für 750 Franken die eigens erschaffene Kryptowährung von MarketPeak. «Du darfst sie nicht sofort verkaufen. Aber keine Sorge, die wird auf alle Fälle steigen», ist Laura K. überzeugt. «Du gibst also kein Geld aus, sondern wirst am Schluss locker im Plus sein.»

Der Krypto-Experte Julian Liniger warnt: «Die Beschreibung von MarketPeak klingt definitiv nach einem Schneeballsystem.» Tausende solcher Coins seien mit betrügerischen Absichten herausgegeben und mit Versprechen auf immense Kursgewinne verkauft worden. «Diese lassen sich aber nie materialisieren, weil sie keinen Mehrwert schaffen, sondern nur leere Versprechungen auf Gewinne anpreisen.»

Laura K. verdiente eine Provision

So geschehen bei MarketPeak – dem angepriesenen Produkt von Laura K. Ein Jahr später ist die Kryptowährung nicht einmal mehr einen einzigen Cent wert. Minus 7100 Prozent. «Betrug, während einige grosse Leader sich in Dubai amüsieren, haben Tausende Kleinanleger ihr Geld verloren! Der Peak ist nichts mehr wert! Aber immer noch werben einige Verrückte für diesen Mist!», lautet ein Online-Kommentar.

Ob MarketPeak ein illegales Schneeballsystem war, getarnt als legales Multi-Level-Marketing-Konstrukt, ist ein Streitfall für Rechtsexperten. Klar ist: Laura K. verdiente eine Provision, wenn sie das Schulungsprogramm verkaufte. Und derjenige, der Laura K. angeworben hatte, verdiente ebenfalls daran.

Die Anfragen von Blick bei MarketPeak sind allesamt im Sand von Dubai verlaufen. Wie auch die Beschwerden zahlreicher Nutzerinnen und Nutzer. Auch Laura K. will ein Jahr später nicht mehr sprechen. Sie war wohl genauso ein Opfer wie die Menschen, die sie selbst angeworben hatte.

*Name der Redaktion bekannt

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