Bilder von laufenden Schneekanonen spalten die Gemüter: Wird der Strom im kommenden Winter knapp, zählen die Bergbahnen gemäss Bund zu den Ersten, die ihren Betrieb einstellen müssten. Aktuell aber läuft die Beschneiung überall dort, wo die Temperaturen tief genug sind, auf Hochtouren.
Die Produktion von künstlichem Schnee ist ein Stromfresser. Die Bergbahnen kontern die Kritik an der Beschneiung damit, dass die Branche nur 0,3 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs verantwortet. Für Christina Marchand (53) ist das jedoch eine Ausrede: «Die gesamte Wirtschaft ist dazu angehalten, den Stromverbrauch zu reduzieren. Jede Einsparung hilft, dass eine Strommangellage vermieden werden kann. Deshalb darf sich niemand aus der Verantwortung stehlen», sagt die Energieexpertin.
Wird es ab Februar eng mit dem Strom?
Nach Einschätzung des Bundes ist ein Stromengpass zwar unwahrscheinlich, im Februar und März dürfte es jedoch eng werden. Bei den Bergbahnen erreicht der Stromverbrauch bereits im November und Dezember seinen Höhepunkt. In diese Phase legen die Bergbahnen den Schneeteppich für den Winter. Danach sinkt der Verbrauch wieder deutlich ab. Doch auch das ist für Marchand kein Grund, auf Einsparungen zu verzichten: «Je voller unsere Speicherseen jetzt bleiben, desto grösser sind die Stromreserven im Frühjahr.»
Doch was heisst das für die Bergbahnen? «Sie müssen ganz genau schauen, wo eine Beschneiung wirklich notwendig ist und wo sie reduziert werden kann», sagt Christina Marchand.
Skigebiete brauchen rechtzeitige Beschneiung
Für die Bergbahnen ist die Beschneiung zentral. «Ohne technische Beschneiung hätte man die vergangenen Jahre oft nicht rechtzeitig zu den Weihnachtsferien ein zusammenhängendes Skigebiet öffnen können», sagt Matthias In-Albon (37), CEO der Bergbahnen Destination Gstaad BE. Rund um die Feiertage erwirtschaften die Bahnen in Gstaad ein Viertel des Jahresumsatzes. Dann strömen die meisten Skifahrerinnen und Skifahrer auf die Pisten. Und gerade dann könnte sich «die Destination keine Schneelotterie erlauben», so In-Albon.
Mit der Lotterie stünden nicht nur das Skivergnügen und die Umsätze der Bergbahnen auf dem Spiel. Hotellerie, Vermieter von Ferienwohnungen, Gastgewerbe, Sportgeschäfte, Lebensmittelläden – sie alle sind von den Skigebieten abhängig. Die Menschen in den Wintersportdestinationen haben wenig Verständnis dafür, dass der Wintersport auf ein Freizeitvergnügen reduziert wird, das im Bedarfsfall heruntergefahren werden kann.
Für sie bedeutet der Winter Einnahmen und Arbeitsplätze. «Jeder fünfte Franken im Berggebiet wird direkt oder indirekt durch den Tourismus generiert. Es geht somit um die Existenz der Berggebiete», sagt Marc Lagger, Sprecher der Zermatt Bergbahnen.
In Gstaad haben die Schneekanonen und Schneelanzen in diesen Tagen losgelegt. Die Bergbahnen Gstaad wollen in diesem Jahr als Energiesparmassnahme nur dann beschneien, wenn die Temperaturen dafür ideal sind. Auch in Zermatt wird rege beschneit. «Die Beschneiung ist essenziell, um den Gästen in der Destination Zermatt Matterhorn ein Produkt zu bieten, das den hohen Erwartungen entspricht», betont Lagger.
Bergbahnen setzen Effizienzmassnahmen um
Untätig bleibt die Branche dennoch nicht: Gemäss den Bergbahnen Gstaad konnte der Stromverbrauch in den vergangenen Jahren dank Effizienzmassnahmen um 1,9 Gigawattstunden pro Jahr reduziert werden – das sind 20 Prozent. Und auch die Zermatt Bergbahnen setzen bei Neubauten auf Minergiestandard mit Solaranlagen auf den Dächern. Zudem wird die Geschwindigkeit der Bahnen auf das Gästeaufkommen abgestimmt. Sind weniger Gäste da, wird das Tempo gedrosselt und so Strom gespart.
In die Branche kommt Bewegung: Vielerorts wird eine bessere Nutzung von Abwärme, Fotovoltaik, Geo- und Solarthermie geprüft. «Lawinenverbauungen an Südhängen, auch ohne Pisten, eignen sich hervorragend für ertragsstarke Solarkraftwerke», sagt Matthias In-Albon. Es gebe auch immer mehr Projekte, wie Beschneiungsanlagen, die als Wasserkraftwerke betrieben werden könnten. Die erforderlichen Infrastrukturen wie Speicherseen, Druckleitungen und Pumpstationen wären in den meisten Fällen vorhanden.