Darum gehts
Die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen unaufhörlich. Dazu tragen auch immer mehr Ärztinnen und Ärzte bei, die alle von etwas leben müssen. Um eine Überversorgung zu verhindern, beschloss das Parlament vor vier Jahren Zulassungsbeschränkungen für ausländische Ärzte, die nicht in einem Spital arbeiten.
Inzwischen gilt: Wer nicht über eine Medizinausbildung in der Schweiz verfügt oder mindestens drei Jahre in der Schweiz an einer anerkannten Weiterbildungsstätte tätig war, erhält keine Zulassung mehr und kann nicht zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abrechnen. Die Kantone können zudem generelle Höchstzahlen für ambulant tätige Ärzte in einem bestimmten Fachgebiet oder in einer bestimmten Region festlegen.
Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch
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Auffallend viele ausländische Augenärzte
Recherchen des Beobachters zeigen aber, wie im Kanton Aargau, wo für die Augenheilkunde Höchstzahlen erlassen wurden, trotzdem laufend weitere ausländische Augenärzte ambulant tätig werden können. Auch wenn diese Ärzte zuvor noch nie in der Schweiz gearbeitet haben und die Voraussetzungen für eine Berufsausübungsbewilligung nicht erfüllen.
Möglich machen das die Pallas-Kliniken. Die Gruppe gehört schweizweit zu den grössten Leistungserbringern im Bereich Augenheilkunde, Schönheitsmedizin und Dermatologie und führt im Aargau gleich an mehreren Standorten ambulante Kliniken. Auffallend viele junge ausländische Ärztinnen und Ärzte sind in den letzten Jahren zur Gruppe gestossen.
Kanton Aargau eröffnet Aufsichtsverfahren
Jetzt hat die kantonale Aufsichtsbehörde eine Untersuchung gegen die Klinikgruppe eröffnet. Das bestätigt Christian Prochaska, Leiter Sektion Bewilligungen und Aufsicht im Aargauer Gesundheitsdepartement, dem Beobachter: «Nach einer Aufsichtsanzeige Anfang 2025 hat die Abteilung Gesundheit ein Aufsichtsverfahren eingeleitet.» Geprüft werde, ob die Pallas-Kliniken gegen Bundesrecht oder kantonale Vorschriften verstiessen.
Die Pallas-Kliniken haben aber wohl wenig zu befürchten. Denn die geltenden Regelungen von Bund und Kanton geben medizinischen Einrichtungen bei der Anstellung ausländischer Ärzte viele Freiheiten.
Die Krux mit der Berufserfahrung in der Schweiz
Kemal Tasdemir, General Counsel der Pallas-Kliniken, betont: «Selbstverständlich respektieren wir sämtliche Vorgaben und halten uns konsequent an die kantonalen Regelungen.»
Die Ärzte stammen aus Ländern Osteuropas, haben im Ausland ihr Medizinstudium abgeschlossen und teils auch bereits den Facharzttitel in Augenheilkunde erlangt. Aber über eine Berufsausübungsbewilligung verfügen sie oft nicht. Dazu fehlt ihnen die nötige dreijährige Berufserfahrung in der Schweiz.
Regelung greift nicht
Allerdings ist die Regelung, wonach ein ausländischer Arzt zuerst drei Jahre in der Schweiz arbeiten muss, bevor er als ambulanter Facharzt tätig sein kann, wenig griffig. Gemäss einem Informationsschreiben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) vom März 2023 kann ein ausländischer Facharzt auch ohne diese Auflage tätig sein.
Er tut dies dann einfach nicht in «eigener fachlicher Verantwortung», weil er seine Leistungen nicht selber über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen kann. Solche Ärzte, das bestätigt auch das Aargauer Gesundheitsdepartement, können ihre Behandlungen im Bereich der Grundversicherung aber über den vorgesetzten Arzt abrechnen, der über eine Berufsausübungsbewilligung verfügt.
Einzige Auflage: Ein ausländischer Augenarzt muss «unter Aufsicht und Verantwortung in räumlicher Nähe» des zugelassenen Leistungserbringers, dem er unterstellt ist und über den er abrechnet, arbeiten.
Umgehung der Zulassungsbeschränkung?
Vor diesem Hintergrund kommt dem Aufsichtsverfahren gegen die Pallas-Kliniken im Kanton Aargau eine bedeutende Rolle zu. Denn das BAG will verhindern, dass medizinische Einrichtungen mit solchen Anstellungskonstrukten die Zulassungsbeschränkungen unterlaufen. Das Bundesamt fordert in seinen Erläuterungen, die Kantone müssten sicherstellen, «dass die Anstellung solcher Personen nicht zur Umgehung der Zulassungsvoraussetzungen führt».
Christian Prochaska, im Aargauer Gesundheitsdepartement für die Aufsicht verantwortlich, sagt dazu: «Dies lässt sich aus Sicht der Abteilung Gesundheit nicht vollständig ausschliessen.» Kemal Tasdemir von den Pallas-Kliniken versichert hingegen: «Die Pallas-Kliniken unternehmen keinerlei Schritte zur Umgehung kantonaler Zulassungsregelungen.»
Fakt ist: Die Zahl der ausländischen Ärzte im Kanton Aargau nimmt durch die Einstellungen der Pallas-Kliniken zu, obwohl die Gesetzgebung das verhindern will.
Zum laufenden Verfahren will sich der Kanton Aargau nicht äussern. Dabei ist klar, dass die Aufsichtsbehörden einen schweren Stand haben. Sie müssten einer medizinischen Einrichtung nachweisen, dass ein vorgesetzter Arzt, über den ein junger ausländischer Kollege seine Leistungen abrechnet, im Zeitraum der Behandlung gar nicht anwesend war.
Standort Aarau mit Spitalbewilligung
Weil die Pallas-Gruppe mit ihrer Klinik in Aarau über eine Spitalbewilligung verfügt, können junge ausländische Ärzte ausserdem auch dort ohne Berufsausübungsbewilligung arbeiten – völlig legal. Sie sind dann nicht im ambulanten, sondern im stationären Bereich tätig.
Und in dieser stationären Einrichtung können Ärztinnen und Ärzte gemäss dem Gesundheitsgesetz ihre berufliche Tätigkeit bis auf die Stufe eines Oberarztes ohne Berufsausübungsbewilligung ausüben.
Dazu kommt: An den ambulanten Standorten der Pallas-Kliniken können ausländische Augenärzte, denen die drei Jahre Berufserfahrung in der Schweiz noch fehlen, zwar selber keine Leistungen über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen. Aber sie können Patientinnen und Patienten im Bereich der Zusatzversicherung behandeln.
Darunter fallen beispielsweise Operationen des grauen Stars mittels Laser. Diese Behandlungsmethode ist von der Grundversicherung nicht abgedeckt, die Krankenkassen bezahlen den Eingriff nicht, weil er gegenüber der herkömmlichen Ultraschallmethode grundsätzlich keine Vorteile bringt. Die Lasereingriffe sind aber für Arztpraxen ein lukratives Geschäft und werden entsprechend propagiert, wie der Beobachter publik machte.