Wenn Unternehmen nun auch bei unqualifizierten Personen Stellen nicht mehr besetzen können, herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) war das Arbeitskräfteangebot in der Schweiz sogar seit Jahrzehnten nicht mehr so knapp wie im vergangenen Jahr.
Die Arbeitslosenzahl für 2022 betrug im Jahresschnitt 99'577 Personen. Daraus resultiert eine Arbeitslosenquote von 2,2 Prozent. Dabei handelt es sich um die tiefste Quote seit über 20 Jahren.
Was sind die Gründe für die extrem gute Verfassung des Schweizer Arbeitsmarkts? Marco Salvi (53), Arbeitsmarktexperte beim liberalen Thinktank Avenir Suisse, ortet sie beim intakten Wirtschaftswachstum und Aufholpotenzial der Unternehmen: «Der Hauptgrund ist sicherlich die unerwartet schnelle Erholung nach dem Ende der Pandemie.»
Fachkräfte sind in besserer Position als Firmen
Ausserdem helfe die dezentrale Organisation der Arbeitslosenvermittlung. «Dadurch werden Jobs dort vermittelt, wo sie gerade benötigt werden», sagt Salvi. Den akuten Fachkräftemangel löst das allerdings nicht. Laut Daten des Bundesamts für Statistik bekunden 30 Prozent der Firmen Mühe damit, Arbeitskräfte mit höherer Berufsausbildung zu rekrutieren. Ähnlich schwierig ist es, Personen mit Hochschulabschluss oder abgeschlossener Berufslehre zu finden.
Dies spielt den gesuchten Fachkräften in die Hände. Im Job haben sie mehr Spielraum bei Gehaltsforderungen oder sie profitieren von Sonderleistungen wie mehr Ferien. Und statt zu entlassen, versuchen Unternehmen lieber – wenn nötig – an anderen Stellen die Kostenschrauben anzuziehen.