Das Lädelisterben ist in der Schweiz in vollem Gange. Auch die klassischen Papeterien gehören zu den Leidtragenden der Corona-Nachwehen und des Online-Handels. Jetzt geht einem weiteren Bürofachgeschäft der Schnauf aus: Die Papeterie Gartmann in Zürich schliesst per Ende Jahr ihre Türen – «aus wirtschaftlichen Gründen». So steht es auf den Zetteln im Schaufenster des Ladens im Kreis 4.
Für Inhaber Andrea Müller (69) ist das Ende nach 23 Jahren keine Überraschung. «Wir hatten bereits seit Jahren einen schweren Stand», sagt er beim Besuch. In seinem Laden hängen überall Rabattschilder. Die Total-Liquidation ist bereits in vollem Gange.
Pandemie und Digitalisierung setzen Müller zu
Ein bedeutender Faktor für die Schliessung sei die Pandemie, sagt Müller. Durch die Digitalisierung sowie neue Arbeitsmodelle nehme die Büromaterial-Nachfrage in den Zürcher Unternehmen weiter ab. Schreibmappen und Papier weichen Laptops und Ablagen in der Cloud. Auch Biella, der Schweizer Traditionshersteller für Bürobedarf, musste dies bereits spüren. Mitte September kündigte das Unternehmen an, wegen der sinkenden Nachfrage die Produktion des legendären Bundesordners von Brügg BE ins Ausland zu verlagern.
Zudem arbeiten die Angestellten oft von zu Hause aus. Das sei meist ausserhalb der Stadt, sagt Müller. «Die Laufkundschaft nahm also ab.» Der Umsatz brach in den letzten drei Jahren um 35 Prozent ein. Immerhin: Mit der Quartier-Post, die seit sechs Jahren in seinen Laden integriert ist, konnte Müller einen Teil der wegbrechenden Einnahmen kompensieren.
Müller ist bereits der dritte – und nun letzte – Inhaber des Ladens, der bereits seit den 1960er-Jahren an der Molkenstrasse steht. «Die Weiterführung durch eine Papeterie-Kette scheiterte am Mietvertrag», erzählt er.
Wer sich nicht anpasst, geht ein
Übernehmen wollte ausgerechnet Thomas Köhler (61). Er ist Präsident des Verbands Schweizer Papeterien (VSP) und Inhaber einer grossen Regionalkette. Das Aus der Papeterie Gartmann sei zwar schade, jedoch nicht Ausdruck eines schweizweiten Papeteriesterbens, sagt er. «Uns hat man schon oft abgeschrieben.» Etwa wegen des Gross- und Online-Handels oder dem Einmarsch grosser, internationaler Ketten. «Die meisten unserer Mitglieder sind aber weiterhin Einzelgeschäfte.» Köhler schätzt, dass in den vergangenen drei bis vier Jahren nur rund zehn Papeterie-Geschäfte schliessen mussten.
Vielmehr würden die eingehen, die sich nicht anpassen. Die Traditionalisten also. Auch Müller bezeichnet sich als solcher. Andere Ketten erweiterten über die Jahre ihr Sortiment mit Spielzeugen, Wohnaccessoires oder Schreibwaren im gehobenen Segment. «Für reine Bürofachgeschäfte wie die Papeterie Gartmann wird es zunehmend schwierig», sagt Köhler.
Für Müller ist die Liquidation ein vorgezogener Ruhestand. «Eigentlich wollte ich erst Ende nächstes Jahr einen Schlussstrich ziehen», sagt er. Seine drei verbleibenden Angestellten – zwei davon Lehrlinge – müssen sich gezwungenermassen neu orientieren. Zwei von ihnen hätten bereits eine neue Bleibe. «Nur der Dritte wartet noch auf Zusage», sagt Müller. Möglichkeiten gebe es jedoch genug, versichert er. Das zeigt: Die Branche ist noch nicht tot.