Art-Basel-Direktor Marc Spiegler im exklusiven Interview
«Murdoch hat sich von seinem Vater emanzipiert»

James Murdoch, Sohn des Medien-Moguls Rupert, soll mit seinen Millionen die angeschlagene Messebetreiberin MCH Group retten. Warum dies ein Glücksfall ist, sagt Direktor Marc Spiegler.
Publiziert: 26.07.2020 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2020 um 14:46 Uhr
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Der 1968 in Chicago 
ge­borene Marc Spiegler ist seit 2012 Direktor der Art Basel und gilt 
als eine der 25 einflussreichsten Personen in 
der Kunstszene.
Foto: Keystone
Interview: Sven Zaugg

Erst die Absage der Kunstmesse in Hongkong und Basel, dann die Ankündigung, dass James Murdoch im grossen Stil bei der MCH Group einsteigt. Wie haben Sie das erste Halbjahr erlebt?
Marc Spiegler: Wir mussten sehr schnell lernen, auf völlig andere Art und ­Weise, mit ganz anderen Zeit­rahmen und Annahmen zu arbeiten als je zuvor. Es war aber auch eine Zeit, in der sowohl wir bei der Art Basel als auch unsere Kunden, die Galeristen, an der digitalen Front wirklich vorwärtsmachen konnten und mussten.

Die Aussicht auf Millionen von Murdoch muss Sie etwas auf­geheitert haben.
Klar, die Nachricht von der geplanten Kapital­erhöhung, die von James Murdoch und seiner Lupa Systems unterstützt wird, ist eine sehr positive Entwicklung in dieser Zeit enormer Unsicherheit.

Warum soll James Murdoch nebst dem Geld ein Gewinn für die Art Basel sein?
Eines der Grundprinzipien der Wirtschaft ist, dass man bei der Suche nach Finanzierungen nicht nur «Money», sondern auch «Smart Money» will. Ich bin davon überzeugt, dass Lupa Systems neben dem finanziellen Beitrag auch eine starke Mischung aus Netzwerk und Wissen in die Waagschale werfen kann, die der Art Basel zugutekommen wird: internationale Ausrichtung und Erfahrungen in Branchen wie Technologie, Unterhaltung, Nachhaltigkeit und Online. Dies sind Kompetenzen, die für das Wachstum der Kunstmesse unerlässlich sind.

Die Pandemie hat der ­Digitalisierung der Wirtschaft in fast jedem Sektor ordentlich Schub verliehen. Was bedeutet dies für Kunstmessen wie die Art Basel?
Ich glaube nicht, dass man den wichtigsten Teil der Kunstmesse wirklich digitalisieren kann – nämlich die Zehntausenden von Inter­aktionen in einer einzigen Woche, die persönliche Beziehungen zwischen Gale­rien und ihren Kunden schaffen, erneuern und vertiefen. Aber die letzten sechs Mo­nate haben gezeigt, dass Galerien viel mehr im Bereich der digitalen Promotion tun können, wenn sie nicht physisch bei ihren Kunden sind. Ich sehe also ein hybrides Modell für die Zukunft.

Zum Beispiel?
Es wird immer grosse Sammler geben, die aus verschiedenen persönlichen beruflichen Gründen nicht an jeder Ausstellung teilnehmen können. Wir waren sehr ­erfolgreich mit einem Programm, bei dem unser VIP-Team die Sammler ihres ­jeweiligen Landes durch virtuelle Stände begleiteten und die Galeristen anwesend waren, um die Werke zu erklären und Fragen zu beantworten.

Murdoch wird die Kommerzialisierung der Messe weiter forcieren. Freut Sie das?
Basierend nicht nur auf meinen Gesprächen mit James Murdoch und seinem Team, sondern auch auf der Beobachtung, wie sie die Geschäfte führen, kann ich sagen, dass die Strategie die gleiche bleiben wird wie bisher – die Art Basel weiter konsequent in einer Art und ­Weise entwickeln, aber mit Nachhaltigkeit im Visier. Das letzte Jahr war ein Rekordjahr für uns, und dieses Jahr wäre wieder eines ­geworden, wenn Corona nicht gewesen wäre. Wir werden die Art Basel also nicht in einem industriellen Tempo vorantreiben, das die Marke und die Beziehungen zu den Galeristen gefährden würde.

Murdoch war bis 2013 CEO bei der News Cor­poration, zu der auch das britische Boulevardblatt «News of the World» gehörte, bei dem damals ein Abhörskandal für Schlagzeilen sorgte. Sein Vater Rupert, der grösste Medienmogul dieser Tage, manipulierte Fakten. Ist der Sohn des «ge­fährlichsten Mannes der Welt», wie ihn das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» nannte, nicht ein Reputationsrisiko für die Art Basel?
Mit dem Namen Murdoch mögen bestimmte Vorstellungen verbunden sein. Aber James Murdoch ist heute eine selbständige Persönlichkeit und ein unabhängiger Unternehmer. Er hat sich vor einigen ­Jahren vom Familienunter­nehmen getrennt. Die Meldung, dass James Murdoch sich substanziell an der MCH Group beteiligen will, mag in Teilen der Kunstwelt anfänglich Fragen ausgelöst haben. Aber diese haben rasch nachgelassen.

Woher kommt dieser Sinneswandel?
Weil die Leute erkannt ­haben, dass er nicht nur ­un­abhängig vom Geschäft ­seines Vaters operiert, sondern mit seinen Engagements in Start-ups und nachhaltigen Projekten oder mit seiner Tätigkeit als Verwaltungsrat in kunst­nahen Gesellschaften eigene kulturelle und politische Überzeugungen verfolgt. James hat sich von seinem Vater emanzipiert.

Sie kennen James Murdoch persönlich. Wie tickt er?
Ich empfand ihn als einen sehr ruhigen, nachdenk­lichen und ernsthaften Menschen mit einer langen Sichtweise, der Erfahrungen aus seiner Zeit im Vorstand der Sotheby's- und Dia-Stiftung in die Kunstwelt einbringt. Nachdem wir Lupa Systems als unseren potenziellen ­Ankeraktionär angekündigt hatten, berichteten viele Leute in meinem ­Netzwerk spontan, dass sie positive­ ­Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ihm gemacht hätten.

Marc Spiegler

Der 1968 in Chicago (USA) ge­borene Marc Spiegler ist seit 2012 Direktor der Art Basel und gilt als eine der 25 einflussreichsten Personen in der Kunstszene. Bevor er 2007 zunächst als Co-Direktor bei der Art Basel fungierte, schrieb er als freier Journalist für ­bedeutende Magazine wie «The Art News­paper», «Monopol» und das «New York Magazine».

Der 1968 in Chicago (USA) ge­borene Marc Spiegler ist seit 2012 Direktor der Art Basel und gilt als eine der 25 einflussreichsten Personen in der Kunstszene. Bevor er 2007 zunächst als Co-Direktor bei der Art Basel fungierte, schrieb er als freier Journalist für ­bedeutende Magazine wie «The Art News­paper», «Monopol» und das «New York Magazine».

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