Auf einen Blick
- Javier Milei reformiert Argentiniens Mietmarkt, Mieten sinken drastisch
- Mietpreisbremse abgeschafft, Mietzinsanpassung frei verhandelbar
- Die Massnahmen wären in der Schweiz wohl nicht erfolgreich
Im Wahlkampf machte er noch mit einer Kettensäge auf sich aufmerksam, jetzt versucht der argentinische Präsident, die Wirtschaft umzukrempeln. Eine der grössten Baustellen von Javier Milei (53) ist der Wohnungsmarkt.
Auf dieser Baustelle hat er schon an einigen Schrauben gedreht. Die Massnahmen zeigen langsam Wirkung. Denn der Mietmarkt boomt: Seit letztem Oktober sind die Mieten inflationsbereinigt um 40 Prozent gesunken. Gemäss einer Erhebung des argentinischen Verbandes der Immobilienwirtschaft hat sich die Zahl der zur Vermietung angebotenen Immobilien seit diesem Jahr fast verdoppelt.
Die Inflation als Problem
Doch wie kam es zu diesem Mietwunder? Dazu müssen wir die Vorgeschichte kennen. Argentinien leidet schon seit Jahrzehnten immer wieder unter Phasen extremer wirtschaftlicher Schwäche – so auch in den Jahren vor der Corona-Pandemie. Die linke Vorgängerregierung versuchte dann im Jahr 2020, ärmeren Menschen mit einem neuen Mietgesetz bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Mietverträge mussten eine Mindestlaufzeit von drei Jahren haben. Und zwar einseitig: Vermieter dürfen Mieterinnen drei Jahre lang nicht kündigen. Zudem führte die Regierung eine Mietzinsbremse ein, wobei die Miete nur alle zwölf Monate an die laufende Inflation angepasst werden durfte.
Die Teuerung schoss aber in die Höhe. Im Juni 2023 lag die Inflationsrate bei 115,6 Prozent. Neuvermieter setzten ihre Anfangsmiete bei Vertragsbeginn so hoch an, dass die neuen Mietpreise unglaublich stiegen – ähnlich wie in der Schweiz. Da Vermieter mit einem vorhandenen Mietvertrag ihren Mietzins aber nur einmal pro Jahr anheben durften, war das Vermieten einer Wohnung praktisch nicht mehr rentabel. Vor allem in Grossstädten hielten dann viele ihre Wohnung vom Markt fern oder boten sie als Ferienziel für Touristen an. Die Folge: Mitte 2023 war ein Siebtel aller Wohnungen in Buenos Aires unbewohnt.
Was machte der Kettensägen-Präsident?
Javier Milei musste handeln. Seine Massnahmen? Typisch liberal. Er deregulierte das Mietrecht und schaffte unter anderem die Mietpreisbremse ab. Es gibt heute keine Mindestlaufzeiten mehr, und die Mietzinsanpassung an die Inflation kann frei verhandelt werden.
Diese Korrekturen machen das Vermieten wieder attraktiver. Viele Wohnungen, welche zuvor leer standen, kamen wieder auf den Markt. Darum hat sich die Zahl der zur Vermietung angebotenen Immobilien seit diesem Jahr fast verdoppelt. Aufgrund des hohen Wettbewerbs konnten Vermieter ihre Mieten dann nicht so stark erhöhen, wie die Inflation zulegte.
Die Lage ist heute immer noch prekär. Die Inflation sinkt zwar wieder, doch liegt immer noch bei 237 Prozent. Die Mieten sind also im Vergleich zum Vorjahr um 197 Prozent gestiegen. Das ist immer noch eine Verdreifachung. Trotzdem: Die Lage ist nicht mehr so schlimm, wie sie einmal war – dank der Massnahmen des Präsidenten.
Die Schweiz hat ein anderes Problem
Könnten solche Massnahmen in der Schweiz helfen? Denn auch hierzulande kämpfen wir mit hohen Mieten bei Neuvermietungen. «In der Schweiz zeigt sich, dass staatliche Markteingriffe in Form von Mietpreisbremsen negative Nebenwirkungen haben», erklärt Robert Weinert, Immobilienexperte bei Wüest Partner. Das sei beispielsweise im Kanton Genf zu sehen. «Das könnte dafür sprechen, diese zu lockern – wie in Argentinien.»
Die konkrete Massnahme von Milei wäre aber wohl nicht so erfolgreich. Denn das Problem ist weniger eine hohe Inflation – die ist heute gerade auf 0,8 Prozent gesunken – sondern eher der fehlende Platz. «In der Schweiz fehlen die Baulandreserven an Orten, an denen die Nachfrage hoch ist, sowie die Möglichkeiten in die Höhe zu bauen», meint Weinert weiter.
Immobilienexperte und EVP-Kantonsrat in Zürich Donato Scognamiglio (54) sieht vor allem den schwierigen politischen Aspekt: «Der Ansatz ist schon spannend. Das Mietrecht wird in der Schweiz aber auf Bundesebene geregelt. Eine Hauruck-Lösung wie in Argentinien ist also gar nicht möglich, da bei uns das Volk mitentscheiden kann.» Problematisch sieht er das allerdings nicht. «Die Stärke des Schweizer Systems ist genau, dass wir eine Lösung aushandeln. Kettensäger-Entscheidungen sind bei uns nicht erfolgreich.»