Es ist so etwas wie das Ungeheuer vom Loch Ness in der Tech-Industrie: die Rede ist vom Geheimprojekt Apples, ein selbstfahrendes Auto zu bauen. «Project Titan» soll die interne Bezeichnung dafür sein. Der US-Tech-Riese selbst hat bis heute die Existenz des Autoprojekts nie bestätigt.
Nun haben die Analystinnen der Schweizer Privatbank Mirabaud zusammengetragen, was es aus ihrer Sicht an verlässlichen Informationen zum sogenannten i-Car gibt. Demnach hat Apple seine Ambitionen deutlich zurückgeschraubt.
Als der Tech-Riese 2014 die Arbeiten am «Project Titan» startete, war die Grundidee, ein komplett selbstfahrendes Auto ohne Lenkrad und Pedale zu bauen. Davon hat sich Apple Ende 2022 verabschiedet, wie Mirabaud in ihrer Studie mit Bezug auf Artikel der Agentur Bloomberg schreibt.
Autonomes Fahren bleibt ein Traum
Nun soll Apples Auto allenfalls teilautonom fahren können. Sprich, die Fahrerin oder der Fahrer darf auf der Autobahn die Hände vom Lenkrad nehmen und ein Buch lesen oder einen Film gucken. In der Stadt oder in Notsituationen muss ein Mensch dann wieder das Steuer übernehmen.
Das würde dem Level drei der fünfstufigen Skala des autonomen Fahrens entsprechen. Und wäre etwas, was es bei Mercedes und BMW schon zu kaufen gibt.
In Sachen E-Autos mögen die deutschen Premiumhersteller vielleicht noch hinterherhinken. Beim autonomen Fahren sind die Deutschen dagegen schon weiter als Branchenprimus Tesla.
Denn BMW und Mercedes haben für ihre Luxusautos wie dem 7er-BMW von den deutschen Behörden die Erlaubnis erhalten, dass der Kunde das Fahren komplett an den Computer delegieren kann, wie das deutsche «Handelsblatt» jüngst meldete. Während der Fahrt können die Kunden dann Filme gucken oder E-Mails beantworten. Bei Unfällen wollen die Hersteller haften, wenn der Computer einen Fehler macht.
Allerdings ist das System bisher nur für Geschwindigkeiten bis Tempo 60 als Staupilot auf der Autobahn und auch nur bei guter Witterung zugelassen. Mercedes und BMW wollen die zugelassene Höchstgeschwindigkeit schrittweise in den kommenden Jahren erhöhen, langfristig auf Tempo 130. Damit wären automatisierte Autoreisen auf der Autobahn möglich.
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Tesla wirbt zwar ebenfalls mit der Fähigkeit, dass die Autos selber beschleunigen und bremsen können. Doch im Falle von Teslas Auto muss der Fahrer oder die Fahrerin stets den Verkehr im Auge behalten und im Notfall eingreifen. Die Lenkerin haftet hier für alle Manöver, auch wenn der Wagen selber fährt. Dieses Niveau wird als Level zwei des autonomen Fahrens bezeichnet.
Leere Versprechen
Wahres autonomes Fahren ist extrem komplex. Die US-Tech-Riesen hatten die Schwierigkeiten dramatisch unterschätzt. So hatte Tesla-Chef Elon Musk schon 2016 versprochen, dass seine Autos in «weniger als zwei Jahren» komplett autonom fahren können. Was bis heute nicht der Fall ist. Und die Fahrserviceanbieter Uber und Lyft haben ihre Ambitionen, ein autonomes Auto zu entwickeln, bereits aufgegeben. Die meisten Autohersteller haben sich von der Ambition verabschiedet, ein komplett autonomes Fahrzeug gemäss Level fünf zu bauen.
Daher scheint nachvollziehbar, dass auch Apple seine Ambitionen den Realitäten anpasst. Apple setzt bei der Steuerung auf Radare, Kameras und sogenannte Lidar-Systeme. Lidar steht für «Light Detection and Ranging» und ist eine optische Fernerkundungstechnik, bei der Laserlicht für ein dichtes Abtasten der Erdoberfläche verwendet wird und hochgenaue X-, Y- und Z-Messwerte ermittelt werden. Tesla dagegen setzt bisher nur auf Kameras.
Apple testet seine Technik bereits in Kalifornien, doch statt futuristischer Apple-Autos kurven damit umgebaute weisse Lexus-SUV über Kaliforniens Strassen.
Technisches Kernstück des Autos aus Cupertino soll ein hochleistungsfähiges Computersystem namens «Denali» sein – benannt nach dem höchsten Berg in Nordamerika. Der neue Superchip soll so leistungsfähig sein wie vier von Apples High-End-Chips für den Mac. Laut dem Bericht stehe der neue Superprozessor schon kurz vor der Produktionsreife.
Neben der Onboard-Hardware soll das Auto von einer KI unterstützt werden, die von Amazon Web Services gehostet wird. Allein das kostet Apple im Jahr 125 Millionen Dollar.
Kolportierte Preise von rund 100’000 Dollar
Unklar ist, wie viel Geld Apple bereits in das Autoprojekt gesteckt hat. Schätzungen gehen von einem Betrag von 10 bis 15 Milliarden Dollar aus. Und um das Design – zweifellos eine der Stärken Apples – ranken sich nur Gerüchte. Die Bilder, die vom i-Car zirkulieren, sind alles Fremdentwürfe.
Ein Hinweis darauf, dass Apples Autoprojekt eher rumpelig läuft, ist auch am Chefverschleiss abzulesen. Derzeit leitet Kevin Lynch das Projekt, er ist schon der fünfte Projektchef in neun Jahren. Lynch ist bei Apple zudem für das Betriebssystem der Apple Watch zuständig. Laut der Mirabaud-Studie soll Lynch das Projekt mit abgespeckten Ambitionen endlich über die Ziellinie bringen – sprich, auf den Markt.
Demnach sei der Marktstart nun für das Jahr 2026 geplant. Der Preis wird um die 100’000 Dollar geschätzt. Damit würde das Auto von Apple gegen Oberklassekonkurrenten wie den Tesla S, den 7er von BMW oder den EQS von Mercedes antreten. Berichten zufolge erwägt Apple, zum Start des eigenen Autos auch eigene Versicherungen dafür anzubieten.
Anders als Tesla dürfte Apple kaum eine eigene Autofertigung hochziehen. Mit so banalen Dingen wie dem Blechbiegen hält man sich bekanntlich in Cupertino nicht lange auf. Als Produktionspartner wurde schon so ziemlich jeder Hersteller einmal herumgereicht: Die Liste erstreckt sich von BMW und Mercedes über Nissan und VW bis zuletzt zu Hyundai.
Daher ist bisher auch unklar, welche Reichweite und Fahrleistungen der i-Car haben könnte. Und am Ende sind es diese Basis-Features, die gerade bei E-Autos über Erfolg oder Pleite entscheiden. Selbst wenn am Heck ein Apfel-Logo prangt.