Airlines im Corona-Sturm
Darum trägt die Swiss ein hohes Risiko

Das Coronavirus raubt den Schweizer Fluggesellschaften ihre Kräfte. Das grösste Risiko in dieser weltweiten Krise trägt die Swiss.
Publiziert: 14.03.2020 um 12:46 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2020 um 13:53 Uhr
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Airlines im Strudel des Coronavirus: Wir gross der Schaden für die drei grössten Schweizer Fluggesellschaften Swiss, Edelweiss und Helvetic ausfallen wird, ist schwer abzuschätzen.
Foto: keystone-sda.ch
Sven Zaugg

Das Coronavirus trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. Insbesondere bei den Fluggesellschaften, die gezwungen sind, fast im Tagesrhythmus Kurz- und Langstreckenflüge aus ihrem Angebot zu kippen, ist ein veritables Desaster zu erwarten. Die ganze Lufthansa-Gruppe streicht wegen des Coronavirus 23'000 Flüge bis zum 24. April. Und es ist mit weiteren Annullierungen zu rechnen, stellt der Konzern klar.

Zudem hat das überraschende Einreiseverbot von US-Präsident Donald Trump (73) für Menschen aus den 26 Staaten des Schengenraums der ohnehin schon gebeutelten Branche einen weiteren Nackenschlag verpasst.

Wie gross der Schaden für die drei grössten Schweizer Airlines Swiss, Edelweiss und Helvetic sein wird, ist schwer abzuschätzen. Sie halten sich bedeckt – noch. Zum Vergleich: Die SBB verliert aufgrund einbrechender Nachfrage im Nah- und Fernverkehr jeden Tag eine halbe Million Franken. Bei den Airlines dürfte mit Milliardenverlusten und Pleiten zu rechnen sein.

Bei Leasing droht doppelter Verlust

Entscheidend für Fluggesellschaften ist, wem die Flotte gehört. Konkret: Wie viele Flugzeuge im Besitz der Airlines selbst oder geleast sind. In Wirklichkeit gehören viele der Flieger bekannten Airlines Leasing-Firmen. «Fluggesellschaften, deren Flotten einen grossen Anteil an geleasten Flugzeugen aufweisen, laufen Gefahr, das Coronavirus nicht zu überleben», sagt der deutsche Luftfahrtprofessor Christoph Brützel (66) zu BLICK.

Diese Airlines fahren quasi einen doppelten Verlust ein. «Für einen Airbus A320 beispielsweise zahlen die Unternehmen eine Leasing-Rate von monatlich ungefähr 300'000 US-Dollar – ob die Maschine nun fliegt oder nicht», sagt Brützel. Neben den Flugausfällen, die sich bereits jetzt stark in den Bilanzen der Fluggesellschaften niederschlagen, belastet das Leasing der Flugzeuge zusätzlich die Liquidität der Unternehmen – bis hin zur Zahlungsunfähigkeit.

Helvetic-Risiko trägt die Swiss

Und je kleiner die Airline ist, desto grösser die Probleme. Neben den grossen wie Swiss und Edelweiss gerät dabei vor allem Helvetic in den Fokus. Die Flotte besteht aus 13 Flugzeugen des brasilianischen Herstellers Embraer – drei sind derzeit in der Wartung. «Davon gehören acht Flugzeuge internationalen Leasinggesellschaften», sagt Sprecher Mehdi Guenin.

Das Leasing geht aber nicht auf Kosten von Helvetic. Die Airline, die dem schwerreichen Financier Martin Ebner (74) gehört, hat das Risiko ausgelagert.

Helvetic fliegt exklusiv für die Swiss. Im sogenannten Wet Lease oder ACMI, das steht für Aircraft, Crew, Maintenance und Insurance. Das heisst: Die Swiss übernimmt die Kosten der Flugzeugmiete inklusive Crew, Wartung und Versicherung. «Ich habe also das Geschäft vom Risiko befreit. Wenn man so will, ist die Swiss unser Risiko. Aber deren Bonität ist über jeden Zweifel erhaben», sagte Ebner kürzlich in einem Interview mit der «Handelszeitung».

Edelweiss stabil – noch

Swiss will auf Anfrage weder bekannt geben, wie sich das Helvetic-Risiko auf das Unternehmen auswirkt, noch wie viele Flugzeuge der eigenen Flotte geleast sind – und wie sich das Coronavirus in den Büchern niederschlägt.

BLICK weiss: Von 90 Swiss-Maschinen sind sieben geleast. Dabei handelt es sich vornehmlich um Kurz- und Mittelstrecken-Jets, die auch nach Italien eingesetzt werden – und nun am Boden stehen.

Die Edelweiss-Flotte besteht aus 16 Jets, vier davon sind geleast. «Edelweiss hat bis zum heutigen Zeitpunkt keine Flüge aufgrund des Coronavirus gestrichen», betont Sprecher Andreas Meier. Die operationelle Lage sei stabil. Edelweiss ist eine Schwestergesellschaft der Swiss und gehört ebenfalls zum Lufthansa-Konzern. Damit dürfte das Leasing-Risiko bei der deutschen Mutter liegen.

Pleiten mit Ansage

«Wir können davon ausgehen, dass Swiss und Lufthansa den Corona-Sturm mit einem blauen Auge überleben werden», sagt Aviatik-Spezialist Tim van Beveren (59). Die meisten Flugzeuge der beiden Airlines seien in deren Besitz. «Lufthansa steht wirtschaftlich im Vergleich mit der Konkurrenz ganz hervorragend da, sie verfügt darüber hinaus über Rückstellungen und Kapital in Milliardenhöhe», so van Beveren.

Trotzdem: «Das Coronavirus wird die Luftfahrtbranche ordentlich durchschütteln. Schwer vorstellbar, dass gerade kleinere Airlines wie beispielsweise Alitalia oder andere, die bereits seit Jahren defizitär operieren, diesen Sturm überleben werden», sagt van Beveren.

Neue Slot-Regeln für Fluglinien

Weltweit dünnen die Airlines ihren Flugplan aus. Wegen der fehlenden Nachfrage dürfte das Streichkonzert in den kommenden Wochen weitergehen. Für die Fluggesellschaften birgt dies ein wirtschaftliches Risiko. Grund sind die internationalen Regeln für Start- und Landezeiten, in der Fachsprache Slots genannt. Fluggesellschaften müssen diese an grossen Verkehrsflughäfen während eines Flugplans zu 80 Prozent tatsächlich nutzen, um sie nicht zu verlieren.

Wird diese Regel nicht entschärft, gehen die wirtschaftlich, aber vor allem ökologisch unsinnigen Flüge mit grösstenteils leeren Maschinen weiter. Angesichts der Nachfrageeinbrüche sähen sich die Airlines ausser Stande, dies über Wochen und Monate durchzuhalten.

Um den Fluggesellschaften in der Corona-Krise entgegenzukommen, hat die EU-Kommission gezielte Rechtsvorschriften angekündigt, um Fluggesellschaften vorübergehend von der verpflichtenden Nutzung von Slots für Starts und Landungen gemäss EU-Recht zu befreien. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (61) diese Woche an. Sven Zaugg

Weltweit dünnen die Airlines ihren Flugplan aus. Wegen der fehlenden Nachfrage dürfte das Streichkonzert in den kommenden Wochen weitergehen. Für die Fluggesellschaften birgt dies ein wirtschaftliches Risiko. Grund sind die internationalen Regeln für Start- und Landezeiten, in der Fachsprache Slots genannt. Fluggesellschaften müssen diese an grossen Verkehrsflughäfen während eines Flugplans zu 80 Prozent tatsächlich nutzen, um sie nicht zu verlieren.

Wird diese Regel nicht entschärft, gehen die wirtschaftlich, aber vor allem ökologisch unsinnigen Flüge mit grösstenteils leeren Maschinen weiter. Angesichts der Nachfrageeinbrüche sähen sich die Airlines ausser Stande, dies über Wochen und Monate durchzuhalten.

Um den Fluggesellschaften in der Corona-Krise entgegenzukommen, hat die EU-Kommission gezielte Rechtsvorschriften angekündigt, um Fluggesellschaften vorübergehend von der verpflichtenden Nutzung von Slots für Starts und Landungen gemäss EU-Recht zu befreien. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (61) diese Woche an. Sven Zaugg

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