Der neue argentinische Präsident Javier Milei (53) ist für aufsehenerregende Auftritte bekannt: Er schwenkt die Kettensäge, tritt zu Heavy-Metal-Musik auf oder lässt es Geldscheine regnen.
Auch bei seiner ersten TV-Ansprache seit seinem Amtsantritt vor zehn Tagen sparte Milei am Mittwochabend (Ortszeit) nicht mit Superlativen. «Heute ist ein historischer Tag für unser Land nach Jahrzehnten des Scheiterns», verkündete der ultra-libertäre Präsident bei der Vorstellung eines Massnahmenpakets zur Deregulierung der Wirtschaft Argentiniens.
Das Paket umfasst mehr als 300 Massnahmen, der zugehörige Gesetzeserlass ist 83 Seiten lang. Blick stellt einige der wegweisenden Änderungen vor.
Staatsunternehmen und Fussballclubs als Aktiengesellschaften
Für mehr Effizienz im öffentlichen Sektor sollen sämtliche öffentlichen Unternehmen in Aktiengesellschaften überführt und später privatisiert werden. Die Aktien sollen an die Angestellten verteilt werden.
Betroffen hiervon ist etwa die staatliche argentinische Airline Aerolíneas Argentinas. Im gleichen Atemzug öffnet Milei den argentinischen Luftraum für internationale Konkurrenten: Sie sollen künftig Inlandverbindungen in Argentinien anbieten dürfen.
Ebenfalls privatisiert werden Bahnunternehmen, öffentliche Medienhäuser, Infrastrukturunternehmen im Bereich (Ab-)Wasser sowie Energieunternehmen.
Was in der Fussballnation Argentinien für besonders viele Diskussionen sorgt: Neben der Privatisierung von Staatsunternehmen sieht das Dekret auch vor, dass Fussballclubs neu als Aktiengesellschaften geführt werden dürfen. Bislang sind die Clubs als gemeinnützige Vereine ohne Gewinnorientierung organisiert.
Liberalisierung des Internets
Milei will den US-Tech-Unternehmer Elon Musk (52) und dessen Starlink-Projekt ins Land holen. Mileis Erlass sieht vor, dass die Erbringung von Satelliten-Internetdiensten liberalisiert wird. Musk hatte den Markteintritt in Argentinien schon länger geplant – die Verhandlungen mit dem staatlichen argentinischen Telekomunternehmen hängen aber fest. Starlink soll in den ländlichen Regionen Argentiniens die Internetabdeckung erhöhen.
Ausländer dürfen mehr Boden kaufen
Das geltende Bodengesetz wird aufgehoben. Es schränkte den Kauf argentinischen Bodens durch Ausländer ein. Ausländische Personen und Unternehmen durften bislang höchstens 1000 Hektar argentinischen Boden erwerben. Gesamthaft durften maximal 15 Prozent der sogenannten ländlichen Region Argentiniens in ausländischem Besitz sein. Mit der Aufhebung will Milei ausländische Investoren anlocken.
Gemäss dem argentinischen Medium «Infobae» gehören die Schweizerinnen und Schweizer zu den grössten ausländischen Bodenbesitzern in Argentinien: Ihnen gehören über 850'000 Hektare argentinisches Land. Nur US-Amerikaner, Italiener und Spanier besitzen mehr Landfläche in Argentinien. Auf den Flächen werden unter anderem Wein, Reis und Zitrusfrüchte angebaut.
Vereinfachung von Export und Import
Bisher müssen sich Unternehmen in Argentinien registrieren lassen, wenn sie Import und Export betreiben wollen. Diese Regelung wird aufgehoben, um dem internationalen Handel Schub zu verleihen. Mehr noch: Import- und Exportverbote werden verboten. Will heissen: Gehandelt werden darf theoretisch mit allem. Im Wahlkampf hatte Milei mit Aussagen für Aufsehen gesorgt, wonach Organhandel «auch nur ein Markt» sei.
Schwächung des Arbeitsrechts
Die Probezeit wird von drei auf acht Monate erhöht, Angestellten kann damit länger ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Das Streikrecht wird eingeschränkt und die Pflichten von Arbeitgebern bei der Auslagerung von Arbeitsschritten an Drittunternehmen werden abgebaut. Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Änderungen.
So geht es nun weiter
Mileis Dekret enthält auch umfassende Deregulierungen in den Bereichen des Mietrechts und der Gesundheitspolitik.
Das Dekret unterliegt dem Notrecht – um die Deregulierung schnellstmöglich in Gang zu setzen, erliess Milei für die kommenden zwei Jahre den Notstand in Wirtschafts- und Finanzfragen. Das Parlament kann den Erlass aber kassieren. Da Mileis Partei im Parlament über keine Mehrheit verfügt, wird er sich Verbündete suchen müssen, um die Änderungen durchzubringen.
Auch Rechtsstreitigkeiten sind programmiert. Die Präsentation des Erlasses wurde in der Hauptstadt Buenos Aires von Protesten begleitet.