17.6 Millionen grüne Zettel
Horror-Rekord für die Schweizer Wirtschaft

Noch nie liessen sich so viele Schweizer die Mehrwertsteuer zurückerstatten wie im letzten Jahr. Das zeigen Zahlen, die das Bundesministerium für Finanzen in Deutschland BLICK zur Verfügung stellte.
Publiziert: 15.04.2016 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 14:32 Uhr
Die deutschen Zollbehörden beim Abstempeln Schweizer Ausfuhren.
Foto: MARTIN RUETSCHI
Ulrich Rotzinger

Grossverteiler wie Migros und Coop klagten in den letzten Wochen laut über den Einkaufs-Boom im grenznahen Deutschland. Der Grund: 2015 liessen Schweizer 17,6 Millionen Ausfuhrscheine abstempeln – mehr als je zuvor. Das ist mehr als doppelt soviel wie im 2010; zum 2014 beträgt der Zuwachs 12 Prozent (siehe Grafik).

IMAGE-ERRORDas Bundesministerium für Finanzen hat für BLICK die Zahlen deutscher Zollbehörden entlang der Grenze ausgewertet. Diese zeigen auch: Mit einem Plus von 21.4 Prozent auf 6,3 Millionen grüner Zettel stiegen die Abstempelungen des Hauptzollamts Lörrach deutlich stärker als jene von Singen (11,3 Mio, Plus 8,2%). «Wir haben im letzten Jahr vergleichsweise extrem viele Ausfuhren am Sonntag über das Zollamt Weil am Rhein-Autobahn festgestellt», so Anja Bendel vom Hauptzollamt Lörrach. Zudem habe man mehr Einkaufstouristen aus der Innerschweiz registriert.

Rückerstattung sogar für einen Papiersack

Von Lörrach bis Konstanz entlang der Grenze sind über 150 Zollbeamte alleine nur mit dem Stempeln der grünen Ausfuhrscheine beschäftigt. Damit können Schweizer die deutsche Mehrwertsteuer von 19 Prozent (7% auf Lebensmittel und Bücher) beim nächsten Einkauf im Laden zurückfordern. Bitter: der geringste Betrag lag bei einem Euro-Cent Rückerstattung für den Kauf einer Einkaufssacks (zehn Cent), heisst es beim Hauptzollamt Singen.

An den Grenzübergängen häufen sich ruppige Szenen: An den Schaltern komme es zu «wüsten verbalen Entgleisungen von Schweizern, die Schlange stehen, um sich ihre Stempel abzuholen», sagt Dieter Dewes, Chef der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft in der «Badischen Zeitung». Die Arbeitsbelastung seiner Zollkollegen in Baden-Württemberg sei «unerträglich» geworden. Mit dem Aus des Euro-Mindestkurses hat sich die Lage weiter verschärft.

Im letzten Jahr flossen bereits 11 Milliarden Franken durch Einkaufstouristen ins Ausland ab.
Foto: Ringier Infographics

Das bestätigen die Ökonomen der Credit Suisse. Laut dieser betrug der Kaufkraftabfluss ins Ausland gegen 11 Milliarden Franken im letzten Jahr (siehe Grafik links). Das ist ein Zehntel des Gesamtumsatzes des Schweizer Detailhandels, das folglich in hiesigen Kassen fehlt.

Besserung ist nicht in Sicht. Zwar sind die Abstempelungen im ersten Quartal 2016 leicht zurückgegangen. Fürs ganze Jahr jedoch rechnen die deutschen Behörden mit einem weiteren Horror-Rekord für die Schweizer Wirtschaft.

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