Milchbauer sein heisst Kämpfer sein. Zwar zahlen einzelne Verarbeiter den Richtpreis für Milch. Insgesamt bekommen die Milchbauern aber immer noch deutlich zu wenig Geld, um profitabel zu wirtschaften. Für sogenannte A-Milch – also Milch der höchsten Wertschöpfungsstufe – beträgt dieser Richtpreis derzeit 65 Rappen pro Kilogramm.
Doch dieser Betrag macht allein die Fremdkosten aus, wie eine Vollkostenrechnung der landwirtschaftlichen Schule Hohenrain bei 158 Milchwirtschaftsbetrieben im Talgebiet zeigt. Die Arbeit der Bauern ist damit noch nicht bezahlt.
Bauern vermarkten Regio-Milch selbst
Im Frühsommer eskalierte der Milchpreis-Streit. Die Branchenorganisation Milch (BOM) entschied, den Milchpreis erneut nicht zu erhöhen. Coop und Emmi hatten öffentlich gemacht, dass sie in der BOM für einen höheren Milchpreis gestimmt hätten, aber am Widerstand der Migros gescheitert seien. Darauf hatten Bauern zum Boykott der Migros aufgerufen. Die Migros verliess den Branchenverband daraufhin.
Auf das Wohlwollen und das Geplänkel der Verarbeiter und Händler wollen sich viele nicht mehr verlassen. Nun haben Säuliämtler Bauern das Heft selbst in die Hand genommen und die «Genossenschaft Faire Milch Säuliamt» gegründet. Unter der Marke «Di fair Milch Säuliamt» vermarkten die Milchbauern ab sofort ihre eigene, regional hergestellte und verarbeitete Milch.
23 Rappen mehr
Ab Samstag gibt es die Milch in sämtlichen Volg-Läden im Bezirk Affoltern ZH und verschiedenen Hofläden zu kaufen. Die Milch, auf der eine rote Kuh mit Schweizerkreuz zu sehen ist, kostet mit 1.90 Franken zwar etwas weniger als eine Bio-Milch, aber rund 25 Rappen mehr als eine normale Milch.
«Den Gewinn, den wir mit der teureren Milch im Handel erzielen, zahlen wir dann zu gleichen Teilen an alle Genossenschafter aus», sagt Martin Haab, Präsident des Landwirtschaftlichen Bezirksvereins Affoltern (55). Nach Abzügen durch Werbung und andere Kosten bleibe den Bauern ein Mehr von bis zu 23 Rappen.
Hieb gegen Aldi
Haab hatte gemeinsam mit Werner Locher (63) von der Bauernorganisation Big-M die Idee für «di fair Milch» ausgeheckt. Aber, was heisst genau fair? «Das ist ein Buchhaltungsergebnis», so Bauer Locher zu BLICK. Es gehe um Kostendeckung.
Ein Seitenhieb gegen Aldi Suisse. Der Händler hatte im Sommer die «Fairmilk» für 1.49 Franken lanciert. Laut Big-M ist die aber überhaupt nicht fair. Zwar zahle Aldi mit 70 Rappen pro Liter mehr als den Richtpreis. Big-M sagte damals aber, dass man erst ab 80 Rappen von Fairness sprechen könne.
Kein Gen-Futter
Mit dem Konzept lehnt sich die neue Genossenschaft an Projekte von Bauern in anderen Ländern wie Luxemburg oder Belgien an. Künftig sollen aber nicht nur Säuliämtler Genossen profitieren. «Wenn jemand aus dem Zürcher Oberland mitmachen möchte, darf er das natürlich», sagt Locher. Wer Genosse werden will, muss allerdings nachweisen, dass er kein gentechnisch verändertes Futter verfüttert und dass er an einem von zwei Tierwohlprogrammen teilnimmt.
Nicht alle Bauern im Säuliamt hätten diese Anforderung erfüllt, erklärt Martin Haab. «Manche waren auch skeptisch.» Deshalb machen von 110 Milchbauern nur 40 mit. Haab aber findet das eine gute Zahl.