«Hätte man Massnahmen eingehalten, würde sie noch leben!»
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Martina trauert um Tante:«Hätte man Massnahmen eingehalten, würde sie noch leben»

Angehörige klagt Giswiler Altersheim an
«Tante Emmi hätte noch Jahre leben können»

In einem Altersheim in Giswil im Kanton Obwalden sind neun Seniorinnen und Senioren innerhalb von drei Wochen an Corona gestorben. Im Blick sprechen Heim-Leitung und Angehörige von Todesopfern.
Publiziert: 28.10.2021 um 08:27 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2021 um 10:31 Uhr
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Martina Müller (35) aus dem Kanton Zug trauert um ihre Tante Emma «Emmi» Abächerli (†92).
Karin Frautschi, Gina Sergi und Michael Sahli

Martina Müller (35) aus dem Kanton Zug trauert um ihre «Tante Emmi» (†92). Zwar hat Emma Abächerli aus Giswil OW ein stolzes Alter erreicht – aber die Umstände des Todes lassen ihre Grossnichte trotzdem nicht los. Denn Abächerli starb am Sonntag im Altersheim «dr Heimä», nachdem sie positiv auf Corona getestet worden war. Das Heim hat sich um die Maskenpflicht foutiert. Und musste in den letzten drei Wochen gleich neun Todesfälle beklagen.

«Wenn man an etwas sterben muss, das eigentlich vermeidbar gewesen wäre, ist das immer ein Verlust», sagt Martina Müller und blättert im Familien-Fotoalbum. «Sie hätte vielleicht nur noch Tage, vielleicht aber auch Monate oder sogar Jahre leben können. Wenn man die Schutzmassnahmen eingehalten hätte.»

«Wir haben den Spielraum in punkto Masken genutzt!»
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Altersheim Giswil wehrt sich:«Wir haben den Spielraum in punkto Masken genutzt!»

Zivilschützer mussten Maske ablegen

Vom Altersheim hatte Müller bisher eigentlich einen guten Eindruck: «Bei meinen Besuchen habe ich die Leute im Heim als sehr kompetent kennengelernt. Sie machten ihren Job sehr gut. Umso überraschter bin ich jetzt.»

Die Vorwürfe gegen das Pflegeheim wiegen schwer: Wie die «Luzerner Zeitung» berichtet, ist systematisch die Maskenpflicht missachtet worden. Im Sommer haben die Angestellten keinen Mundschutz getragen – und seien dazu von der Geschäftsleitung auch aufgefordert worden. Zivilschutzleistende, die noch im September im Alterszentrum im Einsatz waren, haben die klare Anweisung erhalten, die Maske abzulegen.

Mittlerweile ist die Todesserie im Altersheim sogar ein Fall für die Polizei. «Aufgrund der Berichterstattung wurde ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, das den Vorwürfen auf den Grund geht», heisst es von der Staatsanwaltschaft. Im Raum stehe ein Offizialdelikt.

Maskenpflicht als «Empfehlung» verstanden

Am Mittwoch stellte sich die Leitung des betroffenen Heimes an einer Pressekonferenz den Fragen der Öffentlichkeit. Stiftungsratspräsident Albert Sigrist sagte: «Die letzten zehn Tage gab es sehr viele Todesfälle, menschlich ist das sehr tragisch. Das ist unglaublich belastend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bewohner.»

Die Maskenpflicht habe man jedoch als «Empfehlung aufgenommen», sagte Heim-Geschäftsführer Daniel Kiefer den anwesenden Medien. Und: Diesen vermeintlichen «Spielraum» hätten auch andere Pflegeheime in der Region wahrgenommen. Nur: Im Kanton Obwalden war die Maskenpflicht in den Heimen zu keinem Zeitpunkt aufgehoben.

Auch ist es so, dass positiv getestete Heim-Mitarbeiter unter Umständen weitergearbeitet haben. Das sei «möglich, für Mitarbeiter, die keine Symptome haben», so Kiefer. Und: Diese hätten dann nur Kontakt mit positiven oder genesenen Bewohnern gehabt.

Trotz der schweren Vorwürfe: Fehler, für die man sich entschuldigen müsste, sieht Stiftungsratspräsident und SVP-Kantonsrat Sigrist beim Heim keine. «Wir sehen nicht unbedingt einen zwingenden Zusammenhang zwischen Maske und Ausbrüchen. Darum gibt es auch nichts zu bereuen. Sobald wir merkten, dass es kritisch wird, haben wir die Masken sofort wieder angelegt.»

«Sie war eine ganz herzliche, bescheidene Person»

Mehr noch: Sigrist wittert eine Verschwörung im Hinblick auf das Covid-Referendum, das am 28. November vors Volk kommt. «Wenn man sieht, was jetzt für eine Abstimmung kommt, sind wir ein gefundenes Beispiel, wo man sagen kann: ‹Jetzt haben wir einen, den wir packen können.› Ich will, dass das aufhört, ich will Ruhe. Und ich will, dass alle wieder gesund sind.»

Martina Müller, die ihre Grosstante verlor, helfen all die Diskussionen nicht weiter. Sie versucht stattdessen, die schönen Zeiten mit «Tante Emmi» in Erinnerung zu behalten: «Sie war eine ganz herzliche, bescheidene Person. In den letzten Jahren hat sie sehr gerne gestrickt. Ich bewundere sie.»

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