«Es gibt für mich keinen Winter mehr», sagt Iouri Podladtchikov im Interview mit der «SonntagsZeitung». «iPod» kehrt nicht mehr in die Halfpipe zurück, er habe bereits seine Sachen entrümpelt und viele Pokale weggeworfen, weil sie ihm nichts mehr bedeuten.
Der Olympiasieger von Sotschi 2014 tritt mitten im Sommer zurück. Er sagt: «Jeden Tag begegne ich Leuten, die mich fragen: ‹Und, fit für den Winter?› Es ist mir unangenehm, ihnen allen ins Gesicht zu sagen, dass es für mich keinen nächsten Winter gibt. Darum tue ich es auf diesem Weg.»
Der Rücktritt sei zwar für seinen Körper «komplett unlogisch. Er ist darauf programmiert, jeden Tag Höchstleistung zu bringen, er hat keine Lust, sich auf Neues einzustellen». Er habe sich daher gegen den Willen seines Körpers entscheiden müssen.
«War den Tränen schon so nahe»
Noch im Januar in Laax sprach Iouri davon, 2022 nochmals bei Olympia zu starten. Aber: «Tief in mir drin spürte ich vielleicht, dass Laax der Abschied sein könnte. Aber in mein Bewusstsein war es noch nicht vorgedrungen. Und selbst wenn ich es gewusst hätte: Ich glaube nicht, dass ich jemandem etwas verraten hätte.»
In Laax abzutreten, wäre für ihn «zu emotional gewesen». Podladtchikov: «Ich war den Tränen schon so nahe. Ich wurde Fünfter, war viel besser, als ich nach dem Achillessehnenriss erwartet hatte. Ich hatte noch einmal eine perfekte Zeit auf dem Berg.»
Fotografieren, schreiben, tanzen
Dass er sich nicht an einem öffentlichen Anlass verabschiedet, sei «ungewöhnlich», gibt er zu. «Aber», fragt er: «Ist es so nicht vielleicht ehrlicher? Kaum weiss ich, dass ich aufhören will, tue ich es auch. Ich ziehe die Karriere nicht künstlich in die Länge, nur um im vollen Bewusstsein einen letzten Contest bestreiten zu können. Ich mache einen klaren Schnitt. Im Ballett habe ich gelernt, dass die Schlussbewegung das A und O ist: Man macht eine Bewegung auf, aber auch wieder zu. Ohne ein sauberes Ende ist alles für nichts.»
Und nun? Quo vadis, Iouri Podladtchikov? «Diese Frage stelle ich mir gerade täglich», so der Snowboard-Champion. Und weiter: «Ich will fotografieren, aber auch schreiben. Ich habe Kurse in Creative Writing besucht, und nach der Rückkehr aus New York, wo ich am International Center for Photography bis zum Frühling Fotografie studierte, habe ich mich auch wieder an der Uni Zürich immatrikuliert: Kunstgeschichte und Philosophie. Ich will Künstler sein. Und noch lieber Tänzer.» (wst)