Auf einen Blick
- Norwegischer Skisprung-Skandal: Betreuer manipulierten Anzüge bei Heim-WM in Trondheim
- Cheftrainer Magnus Brevig auf Video neben einer Nähmaschine zu erkennen, Sportdirektor gesteht Betrug erst am Sonntag
- Marius Lindvik verliert Silbermedaille von der Grossschanze, behält Gold von Normalschanze
Die Geschichte liest sich wie ein Krimi: In einem Hinterzimmerchen manipulieren norwegische Betreuer an der Heim-WM in Trondheim die Anzüge ihrer Skispringer. Die Athleten sind in den Betrug nicht eingeweiht. Das alles ist nur aufgeflogen, weil ein polnischer Journalist durch ein Fenster den Bschiss auf Video festhielt und dann via X verbreitete.
Brisant: Auf den Aufnahmen ist auch Cheftrainer Magnus Brevig neben einer Nähmaschine zu sehen. Noch am Samstag stritten die Norweger die Betrugsvorwürfe ab. Erst am Sonntag gestand Sportdirektor Jan Erik Aalbu an einer denkwürdigen Pressekonferenz den Betrug.
Schwarzer Tag für Norwegens Sport
Der Skandal am letzten WM-Tag wirft einen riesigen Schatten auf die Nordisch-Festtage von Trondheim. «Dies ist ein schwarzer Tag für das norwegische Skispringen», sagt der norwegische Ex-Springer und heutige TV-Experte Johan Remen Evensen der Zeitung «Dagbladet». «Das ist ein Riesenskandal. Ein Erdbeben für den norwegischen Sport», kommentiert die norwegische Journalistin Mina Finstad Berg bei TV2. «Wenn jemand glauben sollte, dass der norwegische Sport immun gegen Betrug und Niedertracht sei, ist diese Illusion jetzt in tausend Teile zerschlagen. Ein ganzes Fest wurde ruiniert.»
Die Konsequenzen des Skandals sind noch unklar: Den überführten Cheftrainer Brevig dürfte er den Job kosten. Sportdirektor Aalbu spielt den Unwissenden. Sein Auftritt am Sonntag fliegt ihm nun um die Ohren. «Das ist einer der grössten Skandale in der norwegischen Sportgeschichte, und der Sportchef stellt das als Kavaliersdelikt dar. Der Auftritt von Aalbu ist fast noch schlimmer als der Skandal selbst», findet die Zeitung «VG» und fordert den Rücktritt. «Diese Arroganz gehört abgestraft. Wenn jemand seine Disziplin nicht im Griff hat, dann ist er rücktrittsreif», meint auch Christian Scherer, Geschäftsführer beim Österreichischen Skiverband.
Erster Sponsor zieht Konsequenzen
Auch bei den Sponsoren hat der Eklat Folgen – mit der Versicherung Help zieht sich ein erster Geldgeber zurück. «Es versteht sich von selbst, dass unser Logo nicht auf den Trikots eines Teams zu finden ist, das betrügt», schreibt das Unternehmen. Allerdings war schon vor der WM bekannt, dass der auslaufende Sponsoring-Vertrag nicht verlängert wird.
Die Springer selbst werden bis jetzt mehr als Opfer denn als Täter dargestellt. «Wir entschuldigen uns dafür, dass wir nach den gestrigen Ereignissen nicht mit den Medien sprechen konnten», schreiben Marius Lindvik (26) und Johann Andre Forfang (29) am Sonntag in einem gemeinsamen Statement. «Wir sind beide absolut am Boden zerstört. Keiner von uns wäre mit diesen Anzügen gesprungen, wenn wir gewusst hätten, dass sie manipuliert sind. Nie und nimmer.»
Norweger darf Gold behalten
Lindvik wurde die Silbermedaille von der Grossschanze aberkannt, Forfang verlor Platz fünf. Sein WM-Gold von der Normalschanze dürfte Lindvik behalten können. Neue Strafen sind gemäss FIS-Rennleiter Sandro Pertile nicht möglich: «Im Prinzip nicht. Wir haben ein System – wenn die Kontrolle fertig ist, ist sie fertig.» Die österreichischen Forderungen, den Norwegern alle Medaillen wegzunehmen, werden damit ins Leere laufen.
Wie genau die Norweger nach der Materialkontrolle ihre Anzüge manipuliert haben, erklärt Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl im ORF: «Sie haben anscheinend vom Knie weg bis zum Schritt rauf auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht. Das ist nicht erlaubt und bewirkt, dass es steifer wird und dass du, wenn du die Füsse auseinanderziehst, den Schritt runterziehst. Das ist zwar clever, aber nicht im Reglement drin.» Ex-Weltmeister Widhölzl sieht im Skandal von Trondheim eine Chance für die Verschärfung der Kontrollen: «Ich finde es gut, weil jetzt was passiert.»