Engelberg, das war in den letzten Jahrzehnten der sichere (Flug-)Hafen der Schweizer Skispringer. Hier gabs grosse Heimsiege, umjubelte Podestplätze, regelmässige Exploits. Die einheimischen Fans kamen an der Titlis-Schanze bislang verlässlich auf ihre Kosten. Zumindest, was Weltcuppunkte anbelangte.
Seit Übernahme des FIS-Punktesystems in der Wintersaison 1993/94 – mit Zählern für die Top 30 – hat es in jedem Jahr, in dem in Obwalden Weltcup-Springen stattfanden, mindestens einmal einem Schweizer für die Punkteränge gereicht.
Im Vorjahr sprang Killian Peier zweimal auf den vierten Platz, schaffte in Engelberg so sein zweitbestes Weltcupresultat überhaupt – nach Rang zwei in Nizhny Tagil (Rus) 2019.
Magere drei Pünktchen auf dem Konto
Obs 2022 einen ähnlichen Schweizer Exploit gibt, ist mehr als fraglich. Die Ausbeute der Swiss-Ski-Athleten in diesem Winter ist «nicht erfreulich», wie es Trainer Ronny Hornschuh kurz und knapp zusammenfasst. Oder: «Enttäuschend», wie Nordisch-Direktorin Guri Knotten und Disziplinenchef Berni Schödler unisono meinen.
Auf dem Schweizer Gesamtkonto nach den sechs bisherigen Weltcup-Springen, verteilt auf Wisla (Pol), Kuusamo (Fin) und Titisee-Neustadt (De), liegen magere drei Pünktchen – eingeflogen von Gregor Deschwanden am letzten Wochenende.
Fairerweise muss gesagt sein: Die Schweizer Equipe war zu Beginn des Weltcup-Winters arg dezimiert. Erst gingen nur Deschwanden sowie Dominik Peter und Sandro Hauswirth, die beide noch keine Punkteanwärter sind, an den Start. In Deutschland gab dann Peier nach einer Knieverletzung endlich sein Comeback. Der WM-Dritte von 2019 scheiterte aber bereits in der Quali.
Und hinter der Personalie Simon Ammann gabs lange grosse Fragezeichen: Wann würde der dreifache Engelberg-Sieger, dessen Priorität in dieser Saison auf seinem Wirtschaftsstudium liegt, zurückkehren? Und wie stark?
Ammann noch unsicher
In Engelberg könnte es auch auf letztere Frage eine Antwort geben. Im Training vom Donnerstag war Ammann dabei. Er will es im Weltcup versuchen, schliesst aber eine Meinungsänderung bis Freitagnachmittag nicht aus. Denn dann müsste er erst einmal die Qualifikation überstehen, was die Schweizer Ausgangslage in Engelberg nicht einfacher macht.
Dem Heimspringen droht der Flop. Klappt wieder gar nix, könnte es den ersten Heim-Nuller nach 29 Jahren in besagtem FIS-Punktesystem geben. Knotten hofft, dass «nur Kleinigkeiten fehlen», um aus Schweizer Sicht den Turnaround in dieser Saison zu schaffen. Dasselbe tut auch Deschwanden, der eigentlich eine vielversprechende Vorbereitung hinter sich hat. «Das war der beste Sommer meiner Karriere», meint der 31-Jährige sogar. Ein zweiter Platz in Courchevel im Sommer-Grand-Prix hat ihn und seine Chefs auf einen Top-Winterauftakt hoffen lassen.
Gekommen ist es anders. Engelberg könnte nun im schlimmsten Fall zum Schweizer Fiasko werden. Im besten Fall aber auch zu einem Wendepunkt.