Beim Auftaktspringen in Oberstdorf ist er allen davongeflogen: Halvor Egner Granerud dreht rechtzeitig für die Vierschanzentournee wieder richtig auf. Auch beim Neujahrsspringen am Sonntag in Garmisch-Partenkirchen gehört der 26-jährige Norweger zu den grossen Favoriten.
Für Aufsehen sorgt der Mann aus Oslo aber nicht bloss, wenn er erfolgreich ist. Auffallend ist er schon immer gewesen. Ein erstes Mal im internationalen Fokus stand er bereits mit 16 – aufgrund eines Youtube-Filmchens. Auf den Sequenzen, die ein Kollege mit einer Helmkamera filmte, ist Granerud zu sehen, wie er splitterfasernackt auf dem Holmenkollen vom Midstubakken springt. Danach verkaufte er das Video, das wenig überraschend durch die Decke ging. Ein paar Jahre danach meinte er, er hätte wohl mehr Geld für die Rechte verlangt, hätte er gewusst, welche Aufmerksamkeit seine Jugend-Eskapade generierte.
Später hatte Granerud seinen Spass am eigenen Youtube-Projekt «Onsdag kveld med GT» («Mittwochabend mit GT»), in dem er mit Teamkollege Daniel Andre Tande regelmässig kleine Zwischenbilanzen zog.
Granerud driftet immer nach rechts
Ähnlich viel Beachtung wie sein einstiger Nacktsprung findet sein spezieller Flugstil. In Oberstdorf hat er ihm zum Sieg verholfen – doch er kann mitunter auch zum Problem werden. Granerud kann einfach nicht gerade springen. Er ist ein Querflieger, buchstäblich ein schräger Vogel. Wenn er abhebt, hat er teilweise einen krassen Rechts-Drive. Experten orten die Ursache für die Schlagseite in einer asymmetrischen Arm- und Beinstellung, die nicht so leicht wegzutrainieren ist. Dazu gilt Granerud als verkopfter Athlet, der sich eher zu viele Gedanken über seine Auftritte macht als zu wenig. Er ist sich bewusst: Eine mühsame Umstellung könnte womöglich seine Weiten gefährden. Und damit den Erfolg.
Auch in Garmisch wird Granerud wohl wieder nach rechts abdriften. Das kann ihn je nach Rahmenbedingung die Tournee-Führung kosten, ihm aber auch einen entscheidenden Vorteil verschaffen. (mpe)