Olympiasiegerin Frieden blickt auf schmerzhafte Wochen zurück
«War die dunkelste Zeit meines Lebens»

Weinend und auf allen vieren kroch Olympiasiegerin Tanja Frieden in eine Klinik in Deutschland hinein. Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Die ehemalige Snowboarderin spricht erstmals über ihre gesundheitlichen Probleme.
Publiziert: 00:21 Uhr
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Aktualisiert: 10:21 Uhr
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Tanja Frieden musste sich in letzter Zeit intensiv mit sich selbst befassen. Eine Frage beschäftigte die Bernerin ganz besonders: «Was will mir der Körper sagen?»
Foto: Zamir Loshi

Auf einen Blick

  • Tanja Frieden kämpft mit Rückenschmerzen und wählt unkonventionelle Behandlung
  • Olympiasiegerin setzt auf Biokinematik statt starker Medikamente
  • Frieden arbeitet als Energy- und Transformationscoach
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicola AbtReporter Sport

Tanja Frieden (48) liegt in der Hirslandenklinik Zürich, als sie eine bemerkenswerte Entscheidung trifft. Die Snowboard-Olympiasiegerin wählt den Schmerz anstelle von starken Medikamenten. Zwei Tage später beginnt sie eine mehrwöchige Behandlung in Deutschland. «Ich kam heulend und auf allen vieren in die Klinik hinein», erinnert sich die Bernerin.

Seither ist knapp ein Monat vergangen. Tanja Frieden sitzt im Deltapark Vitalresort in Thun BE und überkreuzt erstmals wieder ihre Beine. Angesprochen auf die letzten Wochen, sagt sie: «Das war die dunkelste Zeit meines Lebens.» Ende Oktober wurde Frieden notfallmässig ins Krankenhaus eingeliefert. Seit Wochen plagten sie Rückenschmerzen mit «höllischen Ausstrahlungen ins Bein. Es fühlte sich an wie Zahnschmerzen im ganzen Körper». Während rund fünf Tagen konnte sie kaum schlafen.

Promis setzen auf die Hilfe von Frieden

Die Ärzte entdeckten Symptome eines Bandscheibenvorfalls. Für Frieden war klar, dass ihr der Körper ein Signal sendete. «Neben dem strukturellen Problem gibt es noch etwas Tieferes.» Genau auf den Körper zu hören, lehrt sie ihren Kundinnen und Kunden. Zu ihnen zählt auch Sängerin Stefanie Heinzmann. Frieden bezeichnet sich als Energy- und Transformationscoach. Sie gründete die FriedensAcademy und beschäftigt zwölf Mitarbeiter. «Für viele bin ich leider immer noch nur die Olympiasiegerin. Dieser Stempel ist oft limitierend.» Die Goldmedaille bezeichnete sie damals als «Plämpu», was bis heute unvergessen ist.

Dass Frieden bei sich selber wieder genauer hinschauen muss, lernte sie in den vergangenen Wochen. Nach drei Tagen im Spital realisierte Frieden: «Nur Medikamente zu nehmen, zu hoffen, dass es besser wird – das bin nicht ich.» Sie reiste nach Deutschland in eine Klinik, die mit Biokinematik therapiert.

«Um in diesem Bereich auf tiefster Ebene mit dem Körper zu arbeiten, darfst du keine morphinhaltige Medikamente nehmen», erklärt Frieden. Weshalb sie unter grossen Schmerzen dort ankam. «Nach einer Woche konnte ich wieder laufen und brauchte bereits viel weniger Medikamente.»

Die Biokinematik beruht darauf, dass die Funktionsstörungen der Muskulatur der wahre Schmerz-Auslöser seien, nicht Gelenke oder Nerven. Deshalb setzt sie bei Rückenprobleme auf die Mobilisierung der Wirbelsäule. Die Übungen sind ausgerichtet auf die maximale Rückwärtsbeugung des Oberkörpers.

Drei entscheidende Faktoren

In der ersten Woche des Klinikaufenthalts kämpfte Frieden mit der Einsamkeit. «Ich vermisste meine Familie.» Gleichzeitig nutzte sie die Zeit, um sich mit den Signalen ihres Körpers zu beschäftigen. Für Frieden haben drei Faktoren zu ihren Rückenschmerzen geführt. Ein Punkt seien Altlasten von vierzehn Jahren Spitzensport und mehreren heftigen Stürzen. «Zudem machte ich zuletzt zu wenig Sport. Ich sass zu viel. Und dann haben sich noch darunterliegende Themen gemeldet.»

Eines davon trägt sie seit Jahrzehnten mit sich herum. «Ich erwarte von mir grundsätzlich Bestleistungen.» Gleichzeitig fiel es ihr schwer, Verantwortung abzugeben. Gemeinsam mit ihrem Coach hat sie daran gearbeitet. Denn wer Menschen begleite, soll auch an sich selbst arbeiten. «Ich durfte noch mehr lernen, gewisse Dinge lockerer zu sehen und Aufgaben anderen zu überlassen. Mit jedem Thema, das ich lösen konnte, machte ich einen grossen Sprung in meinem Heilungsprozess.»

Nach rund vierzig Minuten ist Frieden erleichtert, als sie wieder aufstehen kann. Sitzen bereitet ihr aktuell noch am meisten Probleme. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was sie in den letzten Wochen durchmachen musste. «Trotz der heftigen Schmerzen bin ich dankbar für diese Erfahrung. Denn auch in den tiefsten Tälern können wir wachsen.»

Olympiasiegerin und Coach

Tanja Frieden (geboren 1976) wuchs in Thun auf, ihre Mutter stammt aus Norwegen. Deshalb fuhr die Snowboarderin zunächst für das skandinavische Land. Bevor sie ganz ins Profi-Lager wechselte, arbeitete sie als Lehrerin. Ihr erstes Weltcuprennen bestritt sie im Jahr 1997. Seit dem Gewinn der Silbermedaille bei den EM 2000 gehört sie zur Weltspitze.

Ihren grössten Erfolg feierte sie bei den Olympischen Winterspielen 2006, als sie am 17. Februar in Bardonecchia die Goldmedaille in der erstmals ausgetragenen Disziplin Snowboardcross gewann. Nur einen Tag zuvor war der US-Amerikaner Seth Wescott, mit dem Frieden seit längerer Zeit liiert war, auch Olympiasieger im Boardercross geworden.

Sie wurde als Schweizer Sportlerin des Jahres 2006 geehrt. Nach einem Sturz mit schweren Verletzungen gab Frieden am 26. Januar 2010 den Rücktritt vom Wettkampfsport bekannt. Heute arbeitet sie als Coach für ihre eigene Academy und gibt Motivations-Seminare. Sie lebt mit ihrem Partner in Thun und ist Mutter eines Sohnes.

Tanja Frieden (geboren 1976) wuchs in Thun auf, ihre Mutter stammt aus Norwegen. Deshalb fuhr die Snowboarderin zunächst für das skandinavische Land. Bevor sie ganz ins Profi-Lager wechselte, arbeitete sie als Lehrerin. Ihr erstes Weltcuprennen bestritt sie im Jahr 1997. Seit dem Gewinn der Silbermedaille bei den EM 2000 gehört sie zur Weltspitze.

Ihren grössten Erfolg feierte sie bei den Olympischen Winterspielen 2006, als sie am 17. Februar in Bardonecchia die Goldmedaille in der erstmals ausgetragenen Disziplin Snowboardcross gewann. Nur einen Tag zuvor war der US-Amerikaner Seth Wescott, mit dem Frieden seit längerer Zeit liiert war, auch Olympiasieger im Boardercross geworden.

Sie wurde als Schweizer Sportlerin des Jahres 2006 geehrt. Nach einem Sturz mit schweren Verletzungen gab Frieden am 26. Januar 2010 den Rücktritt vom Wettkampfsport bekannt. Heute arbeitet sie als Coach für ihre eigene Academy und gibt Motivations-Seminare. Sie lebt mit ihrem Partner in Thun und ist Mutter eines Sohnes.

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Drama an Olympia 2006 in Turin:Jacobellis stürzt nach Showeinlage – Frieden gewinnt Gold
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