Curling ist ein Sonderfall. Obwohl die Teams bei den grossen Wettkämpfen für die Schweiz starten, sind sie keine Nati im herkömmlichen Sinn. Also keine zusammengestellte Equipe mit den besten Spielern des Landes. Es sind Klub-Teams, die jeweils in Quali-Turnieren ausspielen, wer die Schweiz an der EM, WM oder Olympia vertritt.
Keine Nati mit den besten Athleten des Landes? Tempi passati! An der EM in Schweden (ab Samstag in Östersund) stellt die Schweiz quasi ein Allstar-Team.
Das Team um Skip Yannick Schwaller (27) sowie Benoît Schwarz (31), Sven Michel (34) und Pablo Lachat (22) entstand aus einer im Schweizer Männer-Curling noch nie da gewesenen Fusion der besten Teams.
Das Frauen-Topteam als Fusions-Vorbild
«Wir wollten mit den gewohnten Mustern brechen und haben uns auch von den Frauen inspirieren lassen», sagt Schwaller zu Blick und meint damit, dass auch die Dreifach-Weltmeisterinnen um Silvana Tirinzoni (43) einst ein Zusammenschluss von rivalisierenden Teams war.
Bis letzte Saison haben sich Schwallers CC-Bern-Zähringer-Team und die Genfer um Skip Peter de Cruz (32) jahrelang erbitterte Quali-Duelle geliefert. De Cruz und Co. fuhren letzten Winter an die Olympischen Spiele in Peking, die Berner nach Las Vegas an die WM. Medaillen gabs aber nirgends.
Mit ein Grund für die Super-Fusion. Beide Teams wollen nicht wie bisher weitermachen, man trennte sich. Schwaller: «Nach der WM habe ich mit Sven telefoniert, wir hatten dieselbe Idee.» Ein erstes Treffen findet am Zürcher Flughafen statt. Die grosse Frage: Lässt sich aus den Alphatieren Schwaller, Schwarz und Michel wirklich ein harmonierendes Topteam basteln?
Schwaller holt Rat in seiner Curler-Familie
Schwaller berät sich auch intensiv familienintern. Sein Vater Christof und Onkel Andreas hatten 2002 Olympia-Bronze gewonnen, sein Schwiegervater Patrick Hürlimann 1998 Olympia-Gold. Und seine Frau Briar (29) spielt wie Sven Michels Partnerin Alina Pätz (32) im Tirinzoni-Team.
Dann wird das neue Flaggschiff Realität und holt auf Anhieb den EM-Startplatz. Schwaller sagt: «Es hat gut begonnen, aber wir fühlen uns nicht als Dream-Team.» Von einer Medaille will das Quartett noch nicht reden. Aber Schwaller sagt auch: «Irgendwann wieder einen grossen Herren-Titel in die Schweiz zu holen, ist sicher ein Ziel.»
Ein genug hohes: Der letzte EM-Titel stammt von 2013, der letzte WM-Titel gar von 1993, und das letzte Olympia-Gold hängt beim Schwiegervater.