Bundesratein Viola Amherd aeussert sich an einer Medienkonferenz zur Umsetzung von Ethikgrundsaetzen im Sport, am Dienstag, 16. November 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
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Bundesrätin Viola Amherd:«Wir werden die Strukturen weiterentwickeln»

So schlimm wars wirklich
Das steht im Amherd-Report zu den Quäl-Vorwürfen im Turnen

Nach den Berichten über Quäl-Methoden in der Rhythmischen Gymnastik und im Kunstturnen kommt nun ein 800 Seiten dicker VBS-Report. Darin steht, wie übel die Zustände im Turnen wirklich sind – und was nun passieren muss.
Publiziert: 16.11.2021 um 11:12 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2021 um 22:02 Uhr
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Kunstturnerinnen litten in den letzten Jahren unter den Zuständen im STV.
Foto: keystone-sda.ch
Emanuel Gisi

Ungeschoren kommt niemand davon. Die Untersuchung, die Bundesrätin Viola Amherd nach Berichten über schwerwiegende Ethik-Verstösse in der Rhythmischen Gymnastik und im Frauen-Kunstturnen angeordnet hatte, zeigt: Die Stellen, die Sportlerinnen vor Übergriffen durch ihre Trainerinnen hätten schützen müssen, haben versagt. Bei den Sport-Bossen auf jeder Ebene. Statt Mobbing, Psychospiele und Druckversuche zu stoppen, rutschte zu vieles durch.

«Bedenklich, dass so lange nichts gemacht wurde»
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Die Folgen: Angst- und Essstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen bei jungen Frauen, die teilweise bis heute leiden. Manche, wie die ehemalige Kunstturnerin Lynn Genhart (19), sprachen im «Magazin» des «Tages-Anzeiger» gar von Suizidgedanken. «Eine Weile mussten mich meine Eltern überallhin begleiten, weil sie Angst hatten, dass ich sonst nicht mehr heimkomme.»

Die Berichte, wie jener von Lynn Genhart, erschütterten auch Sportministerin Viola Amherd (59). «Für mich war klar, dass wir diese Vorfälle nicht tolerieren dürfen», sagte sie am Dienstag vor den Medien. «Wir müssen alles daran setzen, dass so etwas nicht mehr vorkommt.» Aber wer hat alles Fehler gemacht?

Warnsignale ignoriert – aber eine Excel-Liste geführt

Da ist der Schweizerische Turnverband (STV). «Warnsignale von aussen wurden ignoriert, die Ethikverstösse nicht als solche wahrgenommen – selbst nicht als das Bundesamt für Sport den Dienstleistungsentzug (Verlust des Gastrechts in Magglingen, d. Red.) mit Ethikverstössen begründete», schreiben die Ermittler der Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni im rund 800 Seiten dicken Bericht fürs VBS zu den Fällen in der Rhythmischen Gymnastik. Ein vernichtendes Urteil. Entweder verschlossen Zentralvorstand und Geschäftsführung die Augen vor der Situation – oder sie wollten davon nichts wissen. Auch im Kunstturnen ging an den Chefs vorbei, dass Athletinnen unter ihren Trainern litten.

Da ist der Dachverband Swiss Olympic. Es klingt wie ein schlechter Witz: Laut dem Report führte Swiss Olympic eine Excel-Liste über die Ethik-Massnahmen der Verbände. Viel mehr sei nicht unternommen worden, um zu überprüfen, ob sich Verbände wie der STV an die Ethik-Charta ihres Dachverbandes halten. Oder wie es im Bericht in spröder Juristensprache heisst: «Es fehlt das Controlling über die Umsetzung in der Praxis.»

Sorgloser Umgang mit öffentlichen Geldern?

Da ist das Bundesamt für Sport. Die Beamten hätten früher und entschiedener eingreifen müssen, als sie feststellten, dass Swiss Olympic seine Ethik-Kontrollen auf ein Excel-Sheet beschränkte. «Daraus stellt sich die Folgefrage, ob das Baspo mit den öffentlichen Geldern genügend sorgsam umging», heisst es in der Zusammenfassung des Reports.

Ausserdem habe man den STV nicht streng genug kontrolliert. «Wenn man auf der operativen Ebene des STV die Notwendigkeit von Änderungen nicht erkannte, wären Gespräche mit dem Zentralvorstand des STV angezeigt gewesen, Druck auf Swiss Olympic, dem STV die Mittel zu kürzen und als letzte Massnahme, die direkte Mittelkürzung zu Gunsten Swiss Olympic», heisst es. «Hätte Swiss Olympic diesen Weg nicht mitgetragen, hätte das Baspo direkt Druck auf Swiss Olympic ausüben und dem Dachverband Fördergelder streichen müssen.» Das sitzt.

Baspo-Direktor Matthias Remund (58) gab sich am Dienstag denn auch selbstkritisch: «Was ich mir persönlich vorwerfe ist vielleicht, dass wir das System als solches nicht auch grundsätzlich infrage gestellt haben.»

Das sind die Amherd-Massnahmen

Die schweren Vorwürfe von ehemaligen Kunstturnerinnen und Rhythmischen Gymnastinnen in Blick, NZZ am Sonntag und Tamedia-«Magazin» riefen vor einem Jahr auch Sportministerin Viola Amherd auf den Plan. Die Mitte-Magistratin ordnete eine Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Rudin Cantieni an. Deren Ergebnisse wurden am Dienstag präsentiert und dazu ein Massnahmenpaket vorgestellt. Was nun passieren soll: Die Ethik-Charta soll auf eine rechtliche Basis gestellt werden, damit bei Verstössen künftig echte Konsequenzen folgen. Das VBS unterbreitet dem Bundesrat dafür eine Teilrevision der Sportförderverordnung. Sie legt unter anderem fest, welche Mindestanforderungen im Bereich sicherer und fairer Sport die Verbände erfüllen müssen, wenn sie Subventionen des Bundes beanspruchen.Zudem soll die Good Governance in der Sportförderung verbessert werden, eine unabhängige Sport-Meldestelle kommt, dazu soll es Kinder- und jugendgerechte Nachwuchsfördermodelle und der Einbezug der Erziehungsberechtigten gefördert werden.

Die schweren Vorwürfe von ehemaligen Kunstturnerinnen und Rhythmischen Gymnastinnen in Blick, NZZ am Sonntag und Tamedia-«Magazin» riefen vor einem Jahr auch Sportministerin Viola Amherd auf den Plan. Die Mitte-Magistratin ordnete eine Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Rudin Cantieni an. Deren Ergebnisse wurden am Dienstag präsentiert und dazu ein Massnahmenpaket vorgestellt. Was nun passieren soll: Die Ethik-Charta soll auf eine rechtliche Basis gestellt werden, damit bei Verstössen künftig echte Konsequenzen folgen. Das VBS unterbreitet dem Bundesrat dafür eine Teilrevision der Sportförderverordnung. Sie legt unter anderem fest, welche Mindestanforderungen im Bereich sicherer und fairer Sport die Verbände erfüllen müssen, wenn sie Subventionen des Bundes beanspruchen.Zudem soll die Good Governance in der Sportförderung verbessert werden, eine unabhängige Sport-Meldestelle kommt, dazu soll es Kinder- und jugendgerechte Nachwuchsfördermodelle und der Einbezug der Erziehungsberechtigten gefördert werden.

Der Report ist dicke Post. Ob die neuen Massnahmen, die Sportministerin Amherd angekündigt hat, etwas nützen? Das muss sich zeigen. Sicher ist: In Zukunft gibt es noch weniger Ausreden für die Sport-Bosse, nicht richtig hinzuschauen.

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