Mit 14 Jahren verliess Giulia Steingruber ihr Elternhaus in Gossau. Die Ostschweizerin zog zu einer Gastfamilie in Biel, am Fusse des Nationalen Leistungszentrums in Magglingen. Dort startete sie ihre Weltkarriere, die sie mit zwei Bronzemedaillen bei Grossanlässen krönte – bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 und bei der WM 2017 in Montréal.
Heute ist Steingruber 27 Jahre alt – und seit einem Monat nicht mehr Spitzensportlerin. Aber: Sie ist trotzdem weiterhin fast jeden Tag in Magglingen! Kurz nach ihrem Rücktritt nahm Steingruber den Job als Trainerin im Nationalkader der Frauen an. Interimistisch, zusammen mit den beiden US-Coaches Anthony Retrosi und Wendy Martin – bis das neue Trainer-Team des Schweizerischen Kunstturnverbands (STV) steht.
Vorerst wird Giulia ihren ehemaligen Kolleginnen nur bis Ende 2021 zur Seite stehen. «Es ist speziell und schwierig zu realisieren, dass ich nicht mehr Turnerin bin, weil ich trotzdem immer noch in Magglingen bin», gibt sie zu. Sie brauche noch etwas Zeit, um alles sacken zu lassen. «Wenn ich dann etwas Abstand habe, werde ich es sicher besser verstehen.»
Krafttraining und Velo statt Turngeräte
Steingruber betont, dass ihr der neue Job sehr gut gefalle. «Körperlich habe ich nicht mehr die Belastung von früher. Ich bin nun mitten im Arbeitsleben, das die meisten haben – da ist man am Ende des Tages anders müde. Aber es ist sehr spannend, ich kann extrem viel lernen und es macht mir viel Spass.»
Fest steht: Im Kopf denkt Steingruber noch immer wie eine Turnerin. Genau davon profitieren ihre Athletinnen. «Ich bin etwas am abtrainieren, aber ich merke schon, dass mein Körper das Verlangen nach Bewegung hat», sagt sie. Dieses Verlangen stille sie meistens in der Mittagspause. Wo? Natürlich in der Turnhalle, die sie so gut kennt. «Aber ich bin nicht an den Geräten», so Giulia, «ich mache Krafttraining und gehe aufs Velo.»
Bleibt die Frage: Kann sie sich vorstellen, eines Tages Cheftrainerin zu werden? «Jetzt noch nicht», sagt sie. Sie müsse zuerst die nötigen Ausbildungen machen und wolle nichts überstürzen. «Aber», kündigt Steingruber an, «das ist mein Ziel!»