Darum gehts
Bei der aufstrebenden Triathletin Cathia Schär (23) fährt im Training definitiv ein Schutzengel mit. Es ist verdammt knapp bei der Waadtländerin, als sie bei ihrem Crash in die Heckscheibe eines schnell bremsenden Autos kracht.
Alles passiert am Sonntag vor einer Woche innert Sekundenbruchteilen. Die Weltcupathletin liegt plötzlich mit blutüberströmtem Gesicht neben ihrem Zeitfahrvelo auf dem Asphalt. Und dann bei einer 3,5-stündigen OP im Spital. Ein paar Tage später schildert Schär gegenüber Blick, wie es ihr geht – und wie das alles passieren konnte.
Schär ist froh, überhaupt noch am Leben zu sein
Bei Schärs Ausführungen vom anderen Ende der Telefonleitung aus dem Spital Lausanne wird schnell klar: Die junge Athletin hatte sehr viel Glück im Unglück. Sie spricht bereits erstaunlich locker davon, wie schade es sei, einen Teil der Saison zu verpassen, obwohl sie doch so gut in Form war. Oder dass es komisch sei mit dieser Ruhe im Spital, normalerweise mache sie tausend Dinge im Leben. Aber dann gesteht sie eben auch: «Ich bin froh, dass ich am Leben bin.»
Sie hat keine Probleme, ins Detail zu gehen. Es schmerzt schon beim Zuhören. «Beim Aufprall in die Autoscheibe habe ich alles ins Gesicht bekommen. Die Lippen waren komplett durchgeschnitten, und es steckten Glassplitter in meinem Hals.» Doch sie fügt an: «Zum Glück sind die Splitter nicht bis zur Halsschlagader gelangt.» Durchatmen.
«Es war tief und hat einen Halsmuskel getroffen»
«Als ich nach dem Unfall am Boden lag, hatte ich Angst, dass mein Gesicht entstellt sein könnte. Ich habe die Glassplitter gespürt und noch nie so viel Blut von mir selber gesehen. Aber ich war immer bei Bewusstsein, und im Schockzustand tat es gar nicht so weh.»
Dann erzählt sie weiter: «Zuerst ärgerte ich mich sogar, dass ich das Training nicht zu Ende fahren konnte. Dann machte ich mir einfach Sorgen, dass die Wunden tief sein könnten. Zum Glück war gerade eine Krankenpflegerin am Unfallort. Ihr gab ich die Telefonnummer meiner Eltern. Auch sie waren schnell da. Es passierte nur etwa zehn Kilometer von meinem Zuhause entfernt.» Es war in Forel VD, etwas oberhalb von Lausanne.
Sofort ging es mit der Ambulanz ins Spital. «Bei der OP haben sie dann gemerkt, dass die Wunden tiefer gingen als zuerst angenommen. Es hatte einen Halsmuskel getroffen, und so brauchte es entsprechend viel Zeit, die Glassplitter zu entfernen und alles wieder zusammenzuflicken.»
Dann durften die Ärzte endlich mitteilen, dass alles mehrheitlich wieder gut kommen sollte. «Im Gesicht hat es einen Nerv erwischt, und es könnte sein, dass ich da etwas weniger Gefühl haben werde. Oder dass ich den Kopf nicht mehr so fest drehen kann.» Aber Schär wirkt positiv.
Besonders ein Gedanke zum Unfall macht nachdenklich
Und wie konnte es überhaupt zum Sturz kommen?
«Es war im Dorf. Ich fuhr in normaler Position, hielt den Lenker unten, war nicht mal auf dem Aero-Lenker aufgestützt. Die Strasse führte abwärts, deshalb war ich schnell. Auf der Gegenseite fuhren andere Velofahrer nach oben. Ich habe ganz kurz nach links zu ihnen geguckt und dann sofort wieder zurück. Der Autofahrer vor mir hat vor einem Fussgängerstreifen schnell gebremst. Ich dachte, dass ich es dahinter noch gut schaffe, zu stoppen. Bis zuletzt dachte ich, dass es aufgeht.» Und dann knallte es.
Es sind wohl nicht die körperlichen Verletzungen, die Schär am meisten zu denken geben. Sondern die Unberechenbarkeit: «Ich habe kein grosses Risiko genommen, hatte keine Kopfhörer in den Ohren, habe nicht auf den Velocomputer geschaut und nicht das Gefühl, dass ich zu nahe hinter dem Auto gefahren bin.» Sie habe in ihrem Leben schon sehr oft sehr viel mehr Risiko genommen. «Jetzt realisiere ich, wie schnell es gehen kann.» Und sicher auch, wie gut ihr Schutzengel aufgepasst hat.