«Natürlich ist Roger der GOAT»
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Stefanie Vögele:«Natürlich ist Roger der GOAT»

Wettmafia und Namen-Bschiss
«Wer nicht funktioniert, fliegt raus»

Jahr für Jahr kämpfte die ehemalige Tennisspielerin Stefanie Vögele ums finanzielle Überleben. Die Schweizerin erfuhr, wie brutal Spitzensport sein kann.
Publiziert: 17.01.2024 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 06:11 Uhr
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Zwischen den beiden Tennisschlägern liegen 29 Jahre. In der rechten Hand hält Stefanie Vögele ihr erstes Racket, mit dem sie als vierjährige zu spielen begann. In der anderen Hand hält sie ihren heutigen Schläger.
Foto: Philippe Rossier
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Nicola AbtReporter Sport

Stefanie Vögele (33) steht in der Tennishalle in Leuggern AG. In den Händen hält sie ihren ersten Tennisschläger. «Unglaublich, wie winzig der Griff ist», sagt sie schmunzelnd. Zwischenzeitlich gehörte sie zu den 50 besten Tennisspielerinnen auf der Welt, nahm auch an den Australien Opens teil, die gerade stattfinden. Ein Schicksalsschlag veränderte ihr Leben für immer.  

Frau Vögele, wie ist das Leben als Millionärin?
Stefanie Vögele:
Dieses Gespräch fängt ja gut an (lacht). Leider weiss ich es nicht. Wie kommen Sie auf diese Frage?

Sie haben in Ihrer Karriere rund drei Millionen Franken Preisgeld gewonnen.
Stimmt. Aber: Das Geld kam gar nicht alles zu mir! Ich musste zwischen 20 und 30 Prozent des Preisgelds in jenem Land, wo das Turnier stattfand, versteuern. Dazu kamen Kosten für die Reisen, den Trainerstab. Und noch etwas. Mein erstes Preisgeld verdiente ich als 14-Jährige. Letztes Jahr beendete ich meine Karriere im Alter von 32 Jahren. Die Einnahmen verteilten sich also über fast zwei Jahrzehnte. So toll wie die drei Millionen auch aussehen, in Tat und Wahrheit kämpfte ich jedes Jahr um das finanzielle Überleben.

Ein gewaltiger Druck.
Absolut. Ich war wie der Chef eines KMU mit bis zu fünf Mitarbeitern. Um alles zu bezahlen, musste ich pro Jahr rund 200'000 Franken einnehmen. Das Schlimmste war, dass ich Anfang Jahr nie wusste, wie viel Geld ich verdienen werde. Diese ständige Ungewissheit, ob und wie es weitergeht, beeinflusste mich in jungen Jahren auch auf dem Platz.

Inwiefern?
Vor einem Spiel kam mir manchmal der Gedanke, dass ich bei einer Niederlage meinen Trainer nicht mehr lange bezahlen kann. Danach verkrampfte ich mich, und es ging gar nichts mehr.

Das ist Stefanie Vögele

Als Vierjährige hatte Stefanie Vögele zum ersten Mal einen Tennisschläger in der Hand. Ein paar Meter von ihrem Elternhaus entfernt in Leuggern AG trainierte sie. Ihr grosses Talent erkannte man früh. Mit acht Jahren wurde sie ins Kantonalkader einberufen, im Alter von zehn Jahren ins Nationalkader. Mit 14 Jahren gab sie ihr WTA-Debüt. Drei Jahre später wurde sie Juniorinnen-Europameisterin. Ihren grössten Erfolg feierte Vögele an den French Open 2013. Die Aargauerin zog in die dritte Runde ein. Nach einer hartnäckigen Covid-Erkrankung beendete sie Ende 2022 ihre Tenniskarriere. Aktuell gibt sie mehrmals in der Woche Tennisstunden. Anfang Jahr wurden sie und ihr Mann erstmals Eltern. Die Tochter heisst Nala.

Als Vierjährige hatte Stefanie Vögele zum ersten Mal einen Tennisschläger in der Hand. Ein paar Meter von ihrem Elternhaus entfernt in Leuggern AG trainierte sie. Ihr grosses Talent erkannte man früh. Mit acht Jahren wurde sie ins Kantonalkader einberufen, im Alter von zehn Jahren ins Nationalkader. Mit 14 Jahren gab sie ihr WTA-Debüt. Drei Jahre später wurde sie Juniorinnen-Europameisterin. Ihren grössten Erfolg feierte Vögele an den French Open 2013. Die Aargauerin zog in die dritte Runde ein. Nach einer hartnäckigen Covid-Erkrankung beendete sie Ende 2022 ihre Tenniskarriere. Aktuell gibt sie mehrmals in der Woche Tennisstunden. Anfang Jahr wurden sie und ihr Mann erstmals Eltern. Die Tochter heisst Nala.

War der finanzielle Kampf die grösste Herausforderung während Ihrer Tenniskarriere?
Nein. Was mich am meisten belastete, war die fehlende Zeit, um sich richtig zu erholen. Ich spielte 25 bis 30 Turniere im Jahr. Da fliegst du teilweise wochenlang um die ganze Erde. Jeder Punkt war entscheidend, um sich den Top 100 in der Weltrangliste zu nähern oder dort zu halten. Dann bist du direkt für die Grand-Slam-Turniere qualifiziert. Verlierst du da in der ersten Runde, kassiert man trotzdem Tausende von Franken.

Was machten Sie an freien Tagen?
Ich nutzte sie für Trainings, die im Turnier-Rhythmus zu kurz kommen. Den Kopf richtig abzuschalten, fiel mir schwer. Die Gedanken kreisten immer ums Tennis.

Tönt ungesund.
Das war es teilweise auch. Ich lebte zu selten im Moment. Insbesondere in den kurzen Ferien. Dann liegst du am Strand und studierst bereits wieder am nächsten Trainingsblock herum. Das kostet alles Energie. Auf der anderen Seite zeigen diese Episoden, wie sehr ich diesen Sport liebe.

Mit 13 Jahren sind Sie von Leuggern ins Leistungszentrum nach Biel gezogen.Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?
Es war grossartig! Ich trainierte gemeinsam mit 12 bis 15 Jugendlichen. Wir gingen zusammen in die Schule und wohnten alle in einem Haus. Am Abend kochte eine Frau für uns. Sie kontrollierte jeweils, ob wir rechtzeitig im Bett liegen.

Was geschah nach der Kontrolle?
Dann sind wir eingeschlafen.

Das glaube ich Ihnen nicht.
(Lacht.) Gut, manchmal schlichen wir zu den Jungs in den ersten Stock. Aber ich ging selten mit.

Gibt es Freundschaften in einer Einzelsportart wie Tennis?
Ja, aber nur ganz wenige. Jede schaut für sich. Als Tennisspielerin musst du egoistisch sein.

Wird geschummelt?
Definitiv! Vor allem bei kleineren Turnieren. Oftmals gibt es nur sehr wenige Trainingsplätze. Damit trotzdem alle trainieren können, muss sich jede Spielerin für eine bestimmte Zeit einschreiben. Nicht selten haben gewisse Konkurrentinnen Namen erfunden und diese eingetragen. So blockierten sie die Trainingsplätze und konnten selber länger trainieren.

Wie haben Sie reagiert, als Sie das herausfanden?
Ich war richtig wütend. Ein paar Mal konfrontierte ich die Athletinnen auf dem Trainingsplatz mit ihren Spielchen. Da konnte ich laut werden. Meistens packten sie dann ihre Taschen und gingen. Einmal kam es zu einem Zwischenfall während eines Seitenwechsels in einem Spiel.

Was geschah?
Meine Gegnerin lief absichtlich in mich hinein. Keine Ahnung, was ihre Mission war. Das sind Psychospielchen, die du aushalten musst. Am Anfang bereiteten mir solche Dinge Mühe. Irgendwann lernte ich, damit umzugehen.

Trotzdem fehlt Ihnen ein Turniersieg auf höchster Stufe. Weshalb?
Mein Vater erkrankte 2013 an Krebs. Damals war ich in der Form meines Lebens, erreichte an den French Open die dritte Runde. Nach der Diagnose ging es mir schlecht. Ich weinte, hatte Angst vor seinem Tod. Das Tennisspielen wurde zur Nebensache. Auch, weil sich sein Zustand rasant verschlechterte. 2014 verstarb er. Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Als ich nach dem Tod das erste Mal wieder in der Schweiz spielte, kamen mir die Tränen. Normalerweise war er immer dabei. Auf einmal ist sein Stuhl auf der Tribüne leer.

Sie spielten in dieser Zeit weiter Tennis. Wäre eine Pause nicht sinnvoll gewesen?
Vielleicht. Aber ich entschied mich dagegen, brauchte die Punkte, um mich in den Top 100 zu halten. Was mir leider nicht gelang. Sentimentalitäten haben im Profisport keinen Platz. Das Geschäft ist knallhart. Wer nicht funktioniert, fliegt raus. Immerhin gab mir das Tennis eine Möglichkeit, mich abzulenken.

Wie präsent ist Ihr Vater heute noch?
Ich denke oft an ihn. Mittlerweile erinnere ich mich gerne an unsere gemeinsame Zeit zurück. Er fuhr mich immer an die Turniere in der Schweiz. Da kommt mir eine lustige Geschichte in den Sinn. Wir beide liebten die kleinen Dextro-Energy-Tabletten. Eine Packung nahm ich immer für den Match mit. Da wir nicht widerstehen konnten, leerten wir die Packung jeweils bereits auf der Fahrt an das Turnier.

Während der Reisen hatten Sie auch Zeit, Medien zu konsumieren. Haben Sie die Zeitungsberichte über sich gelesen?
Ja, einen grossen Teil. Auch jene im Blick, obwohl die manchmal schmerzten (lacht).

Welche Schlagzeile ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
«Stefanie Vögele muss schon wieder die Koffer packen» – die sah ich leider viel zu oft. Ich nahm mir dann jeweils vor, nichts mehr zu lesen. Erfolglos. Du willst dann trotzdem wissen, was die Leute über dich schreiben.

Nirgends stand etwas von einer Liebesbeziehung zwischen Ihnen und einem Tennisspieler. Haben meine Berufskollegen schlecht recherchiert?
Nein! (Lacht.) Ich stellte mir das Liebesleben auf der Tour spektakulärer vor. Vielleicht lag es auch an mir, aber irgendwie ergab sich nie etwas.

Mittlerweile hat sie ihren Traummann gefunden. Anfang Jahr wurden die beiden erstmals Eltern. Ihre Tochter heisst Nala.

Kommen wir zurück zu den Finanzen: Nebst dem Tennis, was für andere Einnahmequellen gab es?
Private Sponsoren verschafften mir etwas Luft. Aber es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben.

Welche?
Einmal erhielt ich ein Angebot der Wettmafia.

Wie bitte?
Ich war auch überrascht. Am Anfang meiner Karriere kontaktierte mich jemand über Facebook. Er bot mir Geld an, wenn ich den Match manipulieren würde. An die genauen Anweisungen kann ich mich nicht mehr erinnern. Natürlich bin ich nicht auf die Anfrage eingegangen und habe den Chat gelöscht.

Noch heute ist Manipulation im Tennis ein grosses Thema. Weshalb?
Weil es schwer nachzuweisen ist, ob jemand einen Ball extra ins Netz gespielt hat oder nicht. Schummeln ist deutlich einfacher als zum Beispiel im Fussball. Ich weiss, wie kräftezehrend der Kampf ausserhalb der Top 100 ist. Wenn dir jemand ein paar Tausend Franken anbietet für einige Doppelfehler, kommen viele ins Grübeln. Aber etwas stört mich.

Was?
Wem Wettbetrug nachgewiesen wird, der kassiert eine lebenslängliche Sperre. Wer dopt, kann nach einigen Jahren zurückkehren. Wieso wird hier ein Unterschied gemacht? Für mich gehört auch ein Dopingsünder lebenslänglich gesperrt!

Mittlerweile sind Sie zurückgetreten. Wie steht es um Ihren Sixpack?
Der ist Geschichte. Mittlerweile ist es ein Onepack (lacht). Damit habe ich schon ein wenig Mühe. Es ist nicht mehr alles derart straff wie zu meiner Aktivzeit. Auch beim Essen muss ich aufpassen, sonst nehme ich noch mehr zu. Um das zu verhindern, gebe ich jetzt regelmässig Tennisstunden.

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