Am Anfang war die Angst. Wenn Mary Pierce an die Anfänge ihrer Karriere zurückdenkt, ist da vor allem Angst. Dieser immer drohende Schatten ihres Vaters.
Im Blog «Behind the Racquet» lässt die 2006 zurückgetretene Spietzenspielerin tief blicken, wie gross der Druck auf sie schon als Kind war. «Als ich 13 Jahre alt war, war mein Vater mein Vollzeit-Coach und meine Mutter meine Vollzeit-Mutter. Es gab kein Einkommen und wir lebten manchmal im Auto. Mein Vater zeigte mir einen Sack Geld und sagte: „Das ist alles, war wir haben“», erinnert sich die mittlerweile 45-Jährige. «Und dann sagte er zu mir: „Du beginnst besser, zu gewinnen. Denn wir brauchen Geld.“ Das war viel Druck für ein junges Kind.»
Eigentlich wollte Pierce Kinderärztin werden. Doch schnell erkennt sie ihr Talent. «Ich fühlte mich, als ob Gott mir die Gabe zum Tennisspielen gegeben hätte.» Sie beginnt mit 10 Jahren, zu spielen. Und mit 14 wird Pierce schon Profi.
«Angst war das treibende Gefühl»
Während der ganzen Zeit leidet sie unter ihrem Vater. Er nahm sie mit 12 aus der Schule, verkaufte Haus und Schmuckgeschäft und beginnt, sie zum Star zu schleifen. «Er war mein Trainer, bis ich 18 war. Während dieser Zeit spielte ich Tennis, weil ich keine Wahl hatte», sagt Pierce. «Ich musste gewinnen, denn wenn ich es nicht tat, würde mein Vater missbräuchlich werden und ich hatte Angst vor dem, was passieren würde. Angst war das treibende Gefühl.»
Die Geschichten über Jim Pearce sind nicht neu. Er war berüchtigt und gefürchtet. «Mary, töte diese Schlampe!», rief er 1987 beim Orange Bowl einer Gegnerin zu. Seine Tochter war da gerademal 12.
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Die Befreiung der Mary Pierce beginnt an den Australian Open 1993. Damals prügelte sich ihr Vater mit einem Zuschauer und wurde fünf Jahre von der Tour verbannt. Mary, gerade 18 geworden, kann sich von ihm lösen. Die Angst aber bleibt. Zwei Jahre fürchtet sie danach ihr Leben und vertraut deshalb auf Leibwächter.
Doch ihrem Erfolg tut dies keinen Abbruch. Sie gewinnt 1995 mit 20 Jahren die Australian Open, ihren ersten von zwei Grand-Slam-Titeln, wird danach die Weltnummer 3. Dort in Melbourne sieht sie ihren Vater wieder – das einzige Mal in sieben Jahren. «Ich hasste ihn und hatte Angst vor ihm. Und ich wollte ihn nie mehr wieder sehen», erinnert sich Pierce.
Der Glaube führte sie mit ihrem Vater wieder zusammen
Doch das Leben meint es anders mit der Frau, die den kanadischen, amerikanischen und französischen Pass besitzt . Sie findet zum Christentum mit 25. In dem Jahr, in dem sie die French Open gewinnt. Mittlerweile lebt sie in einer Glaubensgemeinschaft auf Mauritius, wo sie auch Tennis-Lektionen gibt. «Mein Leben hat sich komplett geändert. Der Herr kam und hat die Wunden der Vergangenheit in meinem Herzen geheilt. Und ich war in der Lage, meinem Vater zu vergeben.»
Sie habe gelernt, ihn wieder zu lieben, die Beziehung zu kitten. Wenn sie auf ihre Anfänge zurückschaut, verspürt sie heute keine Reue. …Ich glaube, mein Vater hat das Beste gegeben, das er konnte.» Er habe sie geliebt und das beste für sie gewollt. Also habe er sie trainiert, hart zu sein. Und ohne das hätte sie es nie geschafft. «Meine Kindheit hat aus mit die Person gemacht, die ich heute bin. Ich würde das nicht wiederholen wollen, aber ich bereue nichts.»
Als Jim Pearce 2016 an Blasenkrebs starb, war sie an seiner Seite. Sie begleitete ihn durch die Krankheit. «Ich bin sehr dankbar, für die spezielle Zeit, die wir teilten.»